Archetypus
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
[Bearbeiten] Der Archetypus in der Tiefenpsychologie
[Bearbeiten] Die Entdeckung der Archetypen / Urfiguren des Unbewussten
Einen Archetypus oder Archetyp (griechisch: Urbild, Mehrzahl: Archetypen) nennt man in der analytischen Psychologie psychische Strukturdominanten, die unbewusst sind und als Wirkfaktor das Bewusstsein beeinflussen, zum Beispiel indem sie dieses präfigurieren und strukturieren. Viele der Archetypen beruhen auf Urerfahrungen der Menschheit wie Geburt, Kindheit, Pubertät, ein Kind bekommen, Eltern sein, alt werden, Tod etc.
Das tiefenpsychologische Konzept geht zurück auf den Schweizer Psychiater und Psychologen Carl Gustav Jung, der die "Analytische Psychologie" entwickelte.
Ein Archetyp als solcher ist unanschaulich, eben unbewusst, ist in seiner Wirkung aber in symbolischen Bildern erfahrbar, wie beispielsweise in Träumen, Visionen, künstlerischen Erzeugnissen, Märchen und Mythen. Carl Gustav Jung leitete das Vorkommen von Archetypen aus Astrologie, vergleichender Religionswissenschaft, Träumen, Märchen, Sagen und Mythen ab.
[Bearbeiten] Die Archetypen / Urfiguren und die archetypischen Bilder / die Urbilder
Es gibt eine begrenzte Anzahl von Archetypen, aber eine unbegrenzte Anzahl von archetypischen Bildern, die als Symbole erscheinen. Ein archetypisches Symbol zeichnet sich dadurch aus, dass es ein mehrdeutiges Gebilde ist, welches Assoziationen zu geistigen Ideen auslöst, also z.B. das Kind, der Krieger, der Wanderer, der Beschützer, der Heilsbringer, jung sein, alt sein, Armut, Angst, Früchte, Hausbau, Feuer und Brand, ein Fluss, ein See etc.
Hierbei gibt es Grundassoziationen, die sich in vielen Kulturen stark ähneln und das kollektive Element des archetypischen Symbols ausmachen (das von vielen oder allen Menschen unbewusst mit einer Idee oder einem Prinzip assoziiert wird).
Beispielsweise wird ein Kreis in den meisten Kulturkreisen als Symbol der Geschlossenheit, der Ganzheit und Vollständigkeit gesehen. Ein Kreuz wird mit den vier Himmelsrichtungen oder vier Elementen und somit mit einer strukturierten Ganzheit, aber auch einem Mittelpunkt assoziiert. Da der Kreis mit den Erscheinungen der Himmelskörper verbunden ist, während das Kreuz mit der Orientierung im Raum zusammenhängt, wird in den meisten Kulturen der Kreis als himmlisch und das Kreuz beziehungsweise Quadrat als irdisch angesehen. Der Kreis ist als Mandala in vielen Kulturkreisen zu finden, beispielsweise in China, Indien, Tibet, aber auch in neolithischen Kulturen, bei den Platonikern, im christlichen Europa und in der Alchemie.
[Bearbeiten] Ähnliche Archetypen / Urfiguren in allen Kulturkreisen
Die Mythologie der unterschiedlichen Kulturkreise weist immer wieder ähnliche oder gleiche Muster, Strukturen oder symbolische Bilder auf, was als Beleg für das Vorhandensein archetypischer Strukturen in der menschlichen Psyche angesehen wird. Beispiele wären hierfür das weltweite Vorkommen von Mythen über die große Mutter oder große Göttin (sog. Mutterarchetyp), über Helden und deren Widersacher (Schattenarchetyp), aber auch über spezielle Bilder wie den Baum des Lebens (Kabbala, Christentum) oder den Weltenbaum, die bei fast allen Völkern vorkommen, beispielsweise Yggdrasil in der germanischen Mythologie, der Yaxche-Baum der Maya, der Baum mit den Früchten der Unsterblichkeit (in China) oder heilige Bäume wie die Eiche der Druiden, die Sykomore als Sitz der Göttin Hathor bei den Ägyptern und der Bodhibaum im Buddhismus.
Archetypen beruhen auf einer Instinktgrundlage und stellen eine Art von "arttypischen Programmen" dar. Sie haben sich evolutionär entwickelt, in dem Sinne, dass instinktives Verhalten die Kultur und Bewusstseinsentwicklung des Menschen prägte und dass bestimmte psychische Strukturelemente für das Überleben der Art von Vorteil waren, die dann als archetypische Strukturen über Jahrtausende sich entwickelten und vererbt wurden.
Beispiele für ein solches instinktgeprägtes Verhalten sind verschiedene Lebensphasen wie Kindheit und Jugend oder zwischenmenschliche Beziehungen wie das Mutter-Kind-Verhältnis oder die Partnerwahl, jedoch auch das Erforschen der Umwelt, Erlernen der Sprache, Teilnahme am wirtschaftlichen Leben, Verhältnis zur Religion und die Übernahme von sozialer Verantwortlichkeit.
Dieser Artikel oder Abschnitt weist folgende Lücken auf:
bitte Beispiele zur Verdeutlichung darstellen |
[Bearbeiten] Archetypen als Gegenstand in verschiedenen Wissenschaftsbereichen
In vielen wissenschaftlichen Disziplinen wurde mittlerweile erforscht, inwiefern die menschliche Spezies von arttypischen unbewussten Strukturen geprägt wird. Anzuführen wären hier unter anderen die Ethologie, die Anthropologie, die Linguistik, die Gehirnforschung, die Soziobiologie, die Psychiatrie, die Kognitionspsychologie, die Evolutionspsychologie und die experimentelle Traumforschung. In diesen Bereichen entstanden für archetypische Strukturen Ausdrücke wie 'angeborene Auslösemechanismen, Verhaltenssysteme, Tiefenstrukturen, psychobiologische Reaktionsmuster, tief homologe neurale Strukturen, epigenetische Regeln und Darwinsche Algorithmen'.
[Bearbeiten] Psychologie: Das kollektive Unbewusste mit den Archetypen von C.G. Jung
In der analytischen Psychologie wird das Konzept der Archetypen kollektives Unbewusstes genannt. Wenn ein archetypisches Verhalten unterdrückt wird, so manifestiert sich dieses Verhalten im Traum einseitig in einem "Schatten". Jung erkannte in Träumen vier Hauptkategorien von archetypischen Symbolen:
- den Schatten, welcher der Ich-Sphäre zuzurechnen ist und unterdrückte oder verdrängte Persönlichkeitsanteile enthält, bzw. den "dunklen Doppelgänger", der die verdrängte Seite der Persönlichkeit symbolisiert und in den Träumen den Helden oder die Heldin verfolgt als Zeichen, dass der unterdrückte Teil der Persönlichkeit integriert werden müsse
- die Sirene, Liebesgöttin oder Sophia Anima und der Liebhaber bzw. der Märchenprinz Animus, die eigenen gegengeschlechtlichen psychischen Anteile der Persönlichkeit, fordern beim Auftreten im Traum jeweils zur Ergänzung der jeweils andersgeschlechtlichen Eigenschaften im Leben auf
- den alten Weisen oder die alte Weise, die Weisheitsschicht der Psyche,
- und den Archetyp des Selbst, welcher sowohl Ich als auch Unbewusstes umfasst, Zentrum und Umfang der Gesamtpsyche darstellt und die zentrale Selbststeuerungs- und Entwicklungsinstanz der Psyche ist.
Siehe auch: Traumdeutung, Prototyp
[Bearbeiten] Der Archetypus in der Philosophie
Der Begriff (lat. archetyp, gebildet zu griech. archetypon - Übersetzung: Urbild; Urform) verweist in der philosophischen Verwendung zuerst auf Platon und seinen Begriff der Idee, der damit die metaphysische Wesenheit meint, die den Dingen innewohnt.
Archetypus wurde als Terminus von René Descartes und John Locke in die Philosophie eingeführt. Die Urbilder (Archetypi) sind die Grundlage für Vorstellungen.
Bei Locke existieren die Urbilder auch außerhalb des erkennenden Subjekts (in: Versuch über den menschlichen Verstand). Der subjektive Idealist George Berkeley dagegen erkennt den Archetypus außerhalb des erkennenden Subjekts nicht an.
Immanuel Kant verwendete den Begriff Archetypus im Zusammenhang mit „natura archetypa“. Er bezeichnete damit die urbildliche Natur, die der Mensch bloß in der Vernunft erkennt und deren Gegenbild in der Sinnenwelt die nachgebildete (natura ectypa) darstelle (in: Kritik der praktischen Vernunft).
[Bearbeiten] Literatur
- Carl Gustav Jung: Traum und Traumdeutung. Dtv 2001, ISBN 3-423-35173-X
- Carl Gustav Jung, Lorenz Jung: Archetypen ISBN 3-423-35175-6
- Jolande Jacobi: Die Psychologie von C. G. Jung ISBN 3-596-26365-4
- Erich Neumann: Die große Mutter ISBN 3-530-60862-9
- Anthony Stevens: Vom Traum und vom Träumen ISBN 3-463-40293-9