Österreichischer Staatsvertrag
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Der österreichische Staatsvertrag (eigentlich: Staatsvertrag betreffend die Wiederherstellung eines unabhängigen und demokratischen Österreich, gegeben zu Wien am 15. Mai 1955) wurde am 15. Mai 1955 in Wien im Schloss Belvedere zwischen den Alliierten Besatzungsmächten USA, UdSSR, Frankreich und Großbritannien und der österreichischen Regierung unterzeichnet und trat am 27. Juli 1955 offiziell in Kraft.
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[Bearbeiten] Allgemeines und Struktur
Gegenstand des Vertrages war die Wiederherstellung eines freien, souveränen und demokratischen Staates Österreich. Grundlage dieses Vertrages war auch die Moskauer Deklaration vom 30. Oktober 1943.
Der Staatsvertrag trägt die Unterschriften folgender neun Personen:
- Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow (Außenminister der Sowjetunion)
- Iwan I. Iljitschow (Hochkommissar und Gesandter der Sowjetunion)
- Harold Macmillan (Außenminister von Großbritannien)
- Geoffrey Arnold Wallinger (Hochkommissar und Botschafter von Großbritannien)
- John Foster Dulles (Außenminister der USA)
- Llewellyn E. Thompson Jr. (Hochkommissar und Botschafter der USA)
- Antoine Pinay (Außenminister von Frankreich)
- Roger Lalouette (Stellvertretender Hochkommissar und Gesandter von Frankreich)
- Leopold Figl (Außenminister von Österreich)
Der Staatsvertrag besteht aus einer Präambel und neun Teilen:
- Politische und territoriale Bestimmungen
- Militärische und Bestimmungen über die Luftfahrt
- Reparationen
- Zurückziehung der Alliierten Mächte
- Eigentum, Rechte und Interessen
- Wirtschaftsbeziehungen
- Regelung bei Streitfällen
- Wirtschaftsbestimmungen
- Schlussbestimmungen
[Bearbeiten] Wesentliche Punkte des Vertrages
Zusätzlich zu der generellen Regelung und Anerkennung des österreichischen Staates sind im Artikel 7 die Minderheitenrechte der Kroaten und Slowenen geregelt. Dieser Teil des Staatsvertrages wurde bis heute nicht erfüllt (siehe Ortstafelstreit). Im Artikel 4 verpflichtet sich Österreich, keine wie immer geartete politische oder wirtschaftliche Vereinigung mit Deutschland ein[zu]gehen (Anschlussverbot). Im Artikel 9 verpflichtet sich Österreich, alle nationalsozialistischen Organisationen aufzulösen und keine Wiederbetätigung von nazistischen und faschistischen Organisationen zuzulassen.
Österreich kündigte darüber hinaus an, nach Abschluss des Staatsvertrags aus freien Stücken die immerwährende Neutralität zu erklären, die somit zwar nicht im Staatsvertrag, jedoch mit diesem in engem Zusammenhang steht.
In der Zeit des Kalten Krieges wurden das Anschlussverbot und die immerwährende Neutralität dahingehend interpretiert, dass ein Beitritt zur EWG bzw. zur EU nicht erlaubt sei. Später änderte sich dies - und seit 1995 (Beitritt) ist Österreich Mitglied der EU.
[Bearbeiten] Folge
Als Folge dieses Vertrages verließen die Besatzungsmächte bis zum 25. Oktober 1955 österreichisches Staatsgebiet. Der 26. Oktober als Nationalfeiertag (bis 1965: Tag der Fahne) wird manchmal mit diesem Datum in Verbindung gebracht, bezieht sich jedoch auf die am 26. Oktober 1955 in die Bundesverfassung aufgenommene Österreichische Neutralität.
Österreich war mit dem Staatsvertrag der einzige Staat, der nach 1945 bis zur samtenen Revolution 1989 auf friedlichem Weg per Vertrag frei von allen Besatzungsmächten wurde.
[Bearbeiten] Entstehung
Die erste frei gewählte Nachkriegsregierung Österreichs unter der Oberaufsicht der alliierten Besatzungsmächte hatte bereits im Januar (Jänner) 1947 in London versucht, einen Friedensvertrag mit den Alliierten auszuhandeln. Ab März 1947 wurden die weiteren Verhandlungen nach Moskau verlegt. Da sich die österreichische Delegation in den Gesprächen mit den Alliierten - bestärkt durch die Moskauer Deklaration - als "erstes „Opfer” Nazi-Deutschlands" zu verkaufen versuchte und man sich zu diesem Zweck nunmehr als „Nicht-Deutsche” ausgab, glaubte man auch Forderungen über sein zukünftiges Staatsgebiet stellen zu können, wie u. a. Angliederung der Region Südtirol, die durch Unterschriftenaktionen der Südtiroler Bevölkerung verstärkt werden sollte. Dem widersprachen allerdings die Alliierten, zumal der Urheber Hitler ein deutscher Österreicher war. Bei den Nürnberger Prozessen relativierte die Sowjetunion sogar die spezielle österreichischische Sichtweise der Vorgänge und bezog insbesondere die deutschen Österreicher mit ein in die Gesamtverantwortung am Krieg und an den Nazi-Verbrechen.
Die Verhandlungsrunden scheiterten zumeist an einer vor allem von der Sowjetunion geforderten Verknüpfung mit einem Friedensvertrag der Alliierten mit einem Gesamtdeutschland. Mit der Zunahme des so genannten kalten Krieges wurde auch ein vorgezogener Staatsvertrag mit Österreich immer unwahrscheinlicher. Die Westalliierten befürchteten zudem, dass ihre Truppen in Italien durch die neutrale Schweiz und ein neutrales Österreich vom Hauptkontingent ihrer Streitkräfte in Europa abgeschnitten werden würde.
Trotzdem gelang es der österreichischen Delegation, zumindestens eine Abtretung von Teilen Kärntens an Jugoslawien zu verhindern. Dem zugute kam der Präsidentenwechsel in den USA - von Harry S. Truman zu Dwight D. Eisenhower - und auch der Tod des sowjetischen Diktators Josef Stalin 1953, wodurch sich das Verhandlungsklima zusehends besserte. Nachdem Julius Raab neuer österreichischer Bundeskanzler geworden war, änderte sich auch der Verhandlungsstil auf österreichischer Seite. Von ihm stammt der Ausspruch: Man darf den russischen Bären nicht immer in den Schwanzstummel zwicken.
An der Berliner Außenministerkonferenz vom 25. Januar (Jänner) bis 28. Februar 1954 nahm auch Österreich teil. Die Sowjets wollten hier weiterhin nur einem Vertrag mit einem neutralen österreichischen Staat zustimmen unter der Auflage, dass sowjetische Truppen bis zum Abschluss eines Friedensvertrages mit Gesamtdeutschland (BRD, DDR, Österreich) im Land stationiert blieben. Dem stimmten aber die Westmächte nicht zu und auch Österreich war dagegen. Erst durch den Beitritt des neuen Weststaates Bundesrepublik Deutschland (BRD) zur NATO 1954 und die Gespräche im Februar 1955 führten, vor allem mit dem sowjetischen Außenminister Molotow, zu einem sichtbaren Verhandlungsergebnis, so dass ein Abschlussvertrag in greifbarer Nähe erschien.
Bei der Ankunft in Moskau wurde die österreichische Delegation mit allen militärischen Ehren empfangen und Mitte April konnten die Gespräche erfolgreich abgeschlossen werden. Der österreichische Verhandlungsbeteiligte Julius Raab verkündete am 15. April bei seiner Rückkehr aus Moskau am Flugplatz Bad Vöslau: "Österreich wird frei sein".
Die Verhandlungsgespräche in Moskau gelten als Geburtsstunde der immerwährenden Neutralität Österreichs, die allerdings damals auch Kritiker nicht nur innerhalb der österreichischen Verhandlungsdeligation hatte. Die Sowjets verlangten die Neutralität direkt im Vertrag zu verankern. Die Verhandlsteilnehmer aus den Reihen der ÖVP wollten dem uneingeschränkt zustimmen, während die SPÖ-Verhandler dagegen waren. Die Verhandlungen waren bemerkenswert, weil die Sowjets die immerwährende Neutralität als Vorbedingung für einen neuen österreichischen Staat sahen, die Verhandler aus Österreich dagegen die Sowjets davon überzeugen musste, dass nur ein souveräner Staat seine - rechtlich verbindliche - Neutralität beschließen kann. Schließlich führten die Gespräche zu dem Ergebnis, das Neutralitätsgesetz von einem freien und souveränen Staat Österreich beschlossen würde. Die Verhandlungsergebnisse wurden im Moskauer Memorandum festgehalten.
In den Schlussverhandlungen in Wien gelang es Außenminister Figl durch sein diplomatisches Geschick sogar, die Mitschuld Österreichs am Krieg aus der Präambel des Vertrages wieder streichen zu lassen.
[Bearbeiten] "Österreich ist frei"
"Österreich ist frei" ist ein Ausspruch des damaligen österreichischen Außenministers Leopold Figl nach der Unterzeichnung des österreichischen Staatsvertrages. Diese Worte fielen bei seiner Ansprache unmittelbar vor der Unterzeichnung des Vertrages im Marmorsaal des Schlosses Belvedere in Wien, nicht wie oft behauptet am Balkon bei der Präsentation des Vertrages. Dies ist eines der wichtigsten politischen Zitate der jüngeren Geschichte in Österreich.
Es handelte sich dabei um eine von weiten Kreisen der deutschen Bevölkerung in Österreich als konstitutiv für die neuere österreichische Geschichte empfundene Äußerung, die dementsprechend häufig im Österreichischen Rundfunk in Wort und Bild wiederholt wird.
Zur Zeit des Staatsvertrages waren etwa 50.000 sowjetische Soldaten in Österreich stationiert. Die Besatzungsmächte hatten mit einer langen Besatzungszeit gerechnet und bauten daher für ihre nachziehenden Familienangehörigen bereits Wohnsiedlungen, u. a. in Salzburg das Camp Roeder der US-Amerikaner für etwa 10.000 Personen. Im September 1955 verließen dann die letzten sowjetischen Soldaten das österreichische Staatsgebiet, die der Westalliierten folgten am 25. Oktober, einen Tag bevor der Nationalrat von Österreich das Neutralitätsgesetz beschloss.
Noch lange Jahre danach wurde jeweils am 15. Mai vielerorts zum Gedenken an diesen Tag ein so genanntes Freiheitsfeuer entzündet. Die Entscheidung über den Nationalfeiertag fiel allerdings 1967 auf den 26. Oktober, den Tag der Fahne.
Im Jubiläumsjahr 2005 konnte die Vertragsurkunde aus dem Staatsarchiv des Außenministeriums in Moskau erstmals auf der Schallaburg in Niederösterreich und im Wiener Schloss Belvedere der Öffentlichkeit im Rahmen von Ausstellungen gezeigt werden.
[Bearbeiten] Literatur
- Österreich ist frei - Leopold Figl und der Weg zum Staatsvertrag, von Ernst Trost ISBN 3-85002-332-X
- Modellfall für Deutschland?, von Michael Gehler - ISBN 3-7065-4062-2
- Österreich ist frei - Der Österreichische Staatsvertrag 1955, von Stefan Karner und Gottfried Stangler (Hg.), ISBN 3-85460-224-3
[Bearbeiten] Siehe auch
Wikisource: Österreichischer Staatsvertrag – Quellentexte |
- Militärische und Luftfahrt-Bestimmungen des Staatsvertrages von Wien 1955
- Besetztes Nachkriegsösterreich
- USIA
- Österreichisches Bundesheer
- Moskauer Deklaration
[Bearbeiten] Weblinks
- www.staatsvertrag.at - Eine akustische Webausstellung (Österreichische Mediathek)
- Österreich ist frei
- Webseite zum Jubiläumsjahr 2005
- Originalton Julius Raab nach der Moskaureise (15. April 1955)
- Originalton der Radioreportage zum Staatsvertrag (15. Mai 1955)
- Original-Wochenschaubericht in Farbe (Herbst 1955)
- Original-Wochenschaubericht (Mai 1955)
- Text des Staatsvertrags von Wien (1955)
- Leopold Figl zeigt einer Menschenmenge den Staatsvertrag (Video)