Wende (Bundesrepublik Deutschland)

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Wende war ab 1982 ein Begriff für den Regierungswechsel in der Bundesrepublik Deutschland im Herbst des Jahres. Er geht im Ursprung auf Äußerungen der FDP-Führung zurück, in denen die Regierungskoalition mit der SPD zunächst in Frage gestellt und dann aufgekündigt wurde. Der in diesem Prozess neu gewählte Bundeskanzler Helmut Kohl benutzte später den Begriff selbst, indem er in seiner Regierungserklärung im März 1983 eine "geistig-moralische Wende" ankündigte.

Inhaltsverzeichnis 1 Verlauf der Wende 2 Abgeleitete Begriffe 3 Bedeutungswechsel 4 Siehe auch 5 Literatur (chronologisch) 6 Tonträger

[Bearbeiten] Verlauf der Wende

• Am 9. September 1982 stellt Wirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff (FDP) in einem Schreiben an Bundeskanzler Helmut Schmidt ein Konzept zur Überwindung von Wachstumsschwäche (Lambsdorff-Papier) und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit auf, das mit SPD-Positionen unvereinbar ist.
• Am 17. September 1982 erklärt Helmut Schmidt in einer Rede vor dem Deutschen Bundestag, dass er das politische Vertrauen in seinen Koalitionspartner FDP verloren habe und fordert die Opposition auf, das konstruktive Misstrauensvotum zu stellen. Schon vorher hatte ihm Hans-Dietrich Genscher mitgeteilt, dass er und die anderen drei FDP-Minister zurücktreten würden.
• Am 1. Oktober 1982 stürzten die FDP und die CDU in einem konstruktiven Misstrauensvotum die Regierung von Helmut Schmidt und wählten Helmut Kohl zum Bundeskanzler. Er erhält 256 von 279 möglichen Stimmen der neuen Koalititon - sieben mehr als für seine Wahl erforderlich. Dieses Datum wird später als eigentlicher Tag der Wende betrachtet.
• Bis zum Jahresende 1982 blieb die FDP bei Landtagswahlen in den Bundesländern Hessen, Bayern und Hamburg unter der 5-Prozent-Grenze und verlor damit ihre Sitze in den Landtagen: Die Wähler empfanden den Koalitionsbruch als Verrat und straften die FDP deshalb ab.
• Helmut Kohl will die Wende möglichst bald vom Wähler bestätigen lassen. Um Neuwahlen zu erzwingen, stellte er am 17. Dezember 1982 im Bundestag die Vertrauensfrage. Durch Stimmenthaltung der meisten Abgeordneten der Regierungskoalition wird ein negatives Ergebnis erzwungen.
• Bundespräsident Karl Carstens legt am 7. Januar 1983 als Termin für Neuwahlen den 6. März fest.
• Die Bundestagswahl am 6. März bringt der CDU 48,8 und der FDP 7,0 Prozent, so dass beide Parteien wieder über eine Mehrheit verfügen.

[Bearbeiten] Abgeleitete Begriffe

Als Wendebrief ging ein Rundschreiben an die FDP-Mitglieder vom 20. August 1981 in die Geschichte ein: Darin verlangten der FDP-Bundesvorsitzende Hans-Dietrich Genscher und sein Generalsekretär Günter Verheugen in einem Brief an die FDP-Mitglieder eine Wende. Indirekt wurde damit die SPD angesprochen. Der Text wurde als Aufforderung zum Koalitionsbruch verstanden.

Wendepapier wurde später das Schreiben von Otto Graf Lambsdorff vom 9. September genannt.

Als Wendekanzler wurde Helmut Kohl bezeichnet - vorwiegend ironisch von seinen politischen Gegnern, als die versprochene "geistig-moralische Wende" ausblieb, respektive Formen wie die der Parteispendenaffären u.ä. annahm.

[Bearbeiten] Bedeutungswechsel

Seit 1989 wird der Begriff Wende neu und umfassend verwendet. Wende bezeichnet den Umbruch in der ehemaligen DDR, siehe dazu Wende (DDR). Die alte, selten benutzte, Definition ist wegen ihrer Nähe zu tagespolitischer Auffassung kaum noch gebräuchlich. Auch hat sich die Regierungszeit von Kohl nicht als Wende heraus gestellt. Dazu singen Die Toten Hosen in ihrem Song Weltmeister auf dem Album Nur zu Besuch: Unplugged Im Wiener Burgtheater:

„und die geistig-moralische Wende, die wir damals herbei riefen: Der Geist und die Moral sind weg, nur die Schulden sind geblieben.“

– Die Toten Hosen - Weltmeister

[Bearbeiten] Siehe auch

• Geschichte der Bundesrepublik Deutschland

[Bearbeiten] Literatur (chronologisch)

• Bücker, Joseph; Schlimbach, Helmut: Die Wende in Bonn. Deutsche Politik auf dem Prüfstand, 1983, ISBN 3-8114-5383-1
• Kohl, Helmut: Der Weg zur Wende: Von der Wohlfahrtsgesellschaft zur Leistungsgemeinschaft, Hrsg. Dietrich Heissler, 1983, ISBN 3-88042-190-0
• Mies, Herbert: Wende nach rechts? Rückblick und Ausblick nach 13 Jahren SPD-Regierung, 1983, ISBN 3-88012-683-6
• Farin, Klaus; Die Wende-Jugend, 1984, ISBN 3-499-15527-3
• Rohrmoser, Günter: Das Debakel: Wo bleibt die Wende? Fragen an die CDU, 1985, ISBN 3-88289-211-0
• Schabedoth, Hans-Joachim: Bittsteller oder Gegenmacht? Perspektiven gewerkschaftlicher Politik nach der Wende, 1985, ISBN 3-924800-32-4
• Schröder, Karsten (Hrsg.), Verheugen, Günter: Halbzeit in Bonn: Die Bundesrepublik zwei Jahre nach der Wende, 1985, ISBN 3-462-01694-6
• Uske, Hans: Die Sprache der Wende, 1986, ISBN 3-8012-3017-1
• Hertel, Gerhard: Der Weg zur "Wende" - Die Bundesrepublik Deutschland in der Ära Schmidt (1974-1982), 1988, ISBN 3-89073-316-6

[Bearbeiten] Tonträger

Ich bin Kohl, mein Herz ist rein : Die Platte zur Wende mit Elke Heidenreich, Thomas Freitag, Stephan Wald (u.a.), 1984, Produktion: Günter Walter, Regie: Volker Kühn