Vereinigter Landtag
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Der preußische Vereinigte Landtag war eine Versammlung aller Provinzialstände der neun Provinzen des Landes. Er wurde lediglich 1847 einberufen. Mit der Verfassung von 1848 und der Errichtung eines preußischen Landtages war diese Einrichtung obsolet geworden. Für die Vorgeschichte der Revolution von 1848 in Preußen und in Deutschland insgesamt war der Vereinigte Landtag von erheblicher Bedeutung.
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[Bearbeiten] Vorgeschichte und Zuspitzung des Verfassungsdiskurses im Vormärz
Trotz wiederholter Ankündigungen durch die Krone hat es bis 1848 in Preußen keine Verfassung und kein gesamtstaatliches Parlament gegeben. Nur auf Ebene der Provinzen gab es seit 1823 die auf einer ständischen Grundlage zusammengesetzten so genannten Provinziallandtage. Angesicht der frühliberalen und nationalstaatlichen Bewegung hätte eine gesamtstaatliche Versammlung eine Gefahr für das bestehende absolutistische System bedeutet und der Forderung nach einer Verfassung Nachdruck verleihen können. Anders als in anderen Staaten des deutschen Bundes wie Bayern oder Baden gab es in Preußen daher keinen Landtag.
Nur wenn der Staat Kredite aufnehmen wollte sah das Staatsschuldengesetz von 1820 vor, eine gesamtstaatliche Versammlung aus allen Provinzen einzuberufen. Insbesondere das staatliche Engagement im Eisenbahnbau, dass nicht zuletzt das Ziel hatte, das zersplitterte Staatsgebiet zu vereinigen, führte in den 1840er Jahren zu einem stark steigenden Finanzbedarf des Staates.
Um die gesetzliche Bestimmung zur Einberufung eines Parlament zu umgehen, ließ König Friedrich Wilhelm IV. zu Beginn der 1840er Jahre einen „ständischen Ausschuss“ bestehend aus Mitgliedern der bestehenden Provinziallandtage zusammentreten. Weil dieser Ausschuss nur bei Bedarf tagen sollte, sah die Krone durch dieses Vorgehen ein Parlament durch die Hintertür zu schaffen als gebannt an. Allerdings erklärten sich die schließlich in den Provinziallandtagen gewählten Vertreter als nicht zuständig und die liberale Presse verurteilte das Vorgehen der Regierung einmütig. Auch in der Folgezeit agierte die Krone in der Verfassungsfrage unflexibel und verstärkte die öffentliche Kritik. Im Gegenzug verstärkte die Regierung die Pressezensur. So wurde 1843 die Rheinische Zeitung, an der Karl Marx als Redakteur mitgearbeitet hatte, aber als Ganzes auf dem Boden eines entschiedenen Liberalismus stand, verboten. Noch deutlicher als bereits in den Provinziallandtagen der beiden vorangegangenen Jahrzehnte, wie etwa in Westfalen, wurden dort nun Forderungen nach parlamentarischen Mitspracherechten laut. Im Jahr 1845 forderte Georg von Vincke in Westfalen erneut die Einlösung des Verfassungsversprechens von 1815. Dasselbe verlangte Ludolf Camphausen vor dem rheinischen Provinziallandtag und ähnliche Stimmen kamen etwa von Rudolf von Auerswald auch aus einigen der ostelbischen Provinzen.
Letztlich führte der Druck der Öffentlichkeit in einem königlichen Patent „die ständischen Einrichtungen betreffend“ vom 3. Februar 1847 zur Einberufung eines Vereinigten Landtages.[1] Da die darin gemachten Ankündigungen vielen nicht ausreichten, erhob sich im liberalen Lager erneut eine Welle des Protests. Einige plädierte zwar für einen Boykott, schließlich setzte sich aber eine pragmatische Linie durch, die davon ausging, dass man während der Verhandlungen den Landtag von innen heraus zu einem echten Parlament fortentwickeln könne.
[Bearbeiten] Verhandlungen
Für Anfang April 1847 wurde der vereinigte Landtag erstmals einberufen. Entsprechend der Zusammensetzung der Provinziallandtage waren in ihm der Adel, Großbauern und städtischen Grundbesitzern vertreten, nicht jedoch die Masse der Landbevölkerung oder die unterbürgerlichen städtischen Schichten. Gleichwohl verstand sich die Versammlung als eine Vertretung des gesamten preußischen Volkes.
Bereits in seiner Thronrede zur Eröffnung hat Friedrich Wilhelm die Deputierten brüskiert: „Es drängt mich zu einer feierlichen Erklärung: dass es keine Macht der Erde jemals gelingen soll, Mich zu bewegen, das natürliche, gerade bei uns durch seine innere Wahrheit so mächtig machende Verhältniß zwischen Fürst und Volk in ein conventionelles, constitutionelles zu wandeln, und dass ich es nun und nimmermehr zugeben werde, dass sich zwischen unseren Herr Gott im Himmel und dieses Land eine beschriebenes Blatt gleichsam als zweite Vorsehung eindränge, um uns mit seinen Paragraphen zu regieren und durch sie die alte, heilige Treue zu ersetzen.“ Außerdem hat der König den Abgeordneten das Recht bestritten, ihre Ansichten offen zu diskutieren. „Das aber ist ihr Beruf nicht: Meinungen zu repräsentieren, Zeit- und Schulmeinungen zur Geltung bringen zu sollen. Das ist völlig undeutsch und obendrein völlig unpraktisch (…) den es führt nothwendig zu unlösbaren Konflikten mit der Krone, welche nach dem Gesetze Gottes und des Landes und nach eigener Bestimmung herrschen soll, aber nicht nach dem Willen von Majoritäten regieren kann und darf (…).“ [2]
Damit hat der König der nicht nur die Liberalen brüskiert sondern auch die Vertreter altständischen Gedankenguts mit seiner Betonung des Gottesgnadentums vor den Kopf gestoßen. Selbst die Hochkonservativen konnten diesen radikalen Schritt nicht nachvollziehen. Wie weit entfernt die Versammlung von der Gedankenwelt des Königs war, zeigte die anschließende mehrtägige kontroverse Debatte. Es wurde bald deutlich, dass die Deputierten weiterhin auf eine Repräsentationsversammlung innerhalb eines konstitutionellen Systems drängen würden.
Nach innen traten bald schon parlamentarische Gepflogenheiten. Anstelle einer Trennung der Stände oder nach Provinzen kam es zu einer politischen Differenzierung nach Fraktionen, auch wenn die Grenzen fließend blieben. Im Vergleich mit dem 1848 gewählten Nationalversammlung war der Vereinigter Landtag deutlich „rechter.“ Dominierend waren die gemäßigten Liberalen wie David Hansemann, Ludolf Camphausen, Gustav von Mevissen, Hermann von Beckerath aus dem Bürgertum und Teilen des Adels. Vertreter der radikalen Demokraten gab es außer Johann Jacoby so gut wie gar nicht und die unterbürgerlichen Schichten etwa der entstehenden Arbeiterbewegung waren überhaupt nicht vertreten. Bemerkenswert ist das selbst die Mehrheit der Konservativen, mit wenigen ultraroyalen Ausnahmen, für eine Weiterentwicklung der Verfassung waren.
Auch wenn sich der junge Otto von Bismarck dagegen aussprach war eine klare Mehrheit schließlich für eine effektive Kontrolle der Staatsfinanzen durch eine parlamentarische Körperschaft und wandte sich so offen gegen die Regierung. Man wollte den Krediten für die Krone zustimmen, wenn der Vereinigte Landtag regelmäßige Sitzungsperioden zugestanden würden. Dieser Anspruch der Versammlung, die rechtlich in Einklang mit dem Staatsschuldengesetz standen, führten zur Auflösung des Vereinigten Landtages.
[Bearbeiten] Folgen
Damit befand sich Preußen am Vorabend der Revolution in einem veritablen Verfassungskonflikt der die Handlungsfähigkeit der Regierung stark belastete und den Zweifel an der Legitimität der bestehenden Staatsordnung verstärkte. Nach dem Beginn der Revolution wurde der Vereinigte Landtag noch einmal zusammengerufen, um offiziell die Einberufung einer verfassunggebenden Nationalversammlung zu beschließen.
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Patent zur Einberufung des Vereinigten Landtages
- ↑ zit. nach Mommsen, ungewollte Revolution, S.82f.
[Bearbeiten] Literatur
- Wolfgang J. Mommsen: 1848. Die ungewollte Revolution. Die revolutionären Bewegungen in Europa 1830-1849. Frankfurt, 1998. ISBN 3-10-050606-5 S.73-85.
- Herbert Obenaus: Anfänge des Parlamentarismus in Preussen bis 1848. Düsseldorf, 1984. ISBN 3-7700-5116-5
- Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Bd.2: Von der Reformära bis zur industriellen und politischen Deutschen Doppelrevolution. München, 1989. ISBN 3-406-32490-8. S.677f., 683, 720, 722, 727f.
