Siedeverzug
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Siedeverzug ist die Bezeichnung für das Phänomen, dass man unter bestimmten Bedingungen Flüssigkeiten über ihren Siedepunkt hinaus erhitzen kann, ohne dass diese sieden.
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[Bearbeiten] Beschreibung
Am häufigsten tritt der Effekt des Siedeverzugs bei Wasser auf, das man auf 110 °C erhitzen kann, ohne dass es zur Verdampfung und damit der Bildung von Wasserdampfblasen kommt.
Dieser Zustand ist jedoch nur metastabil und damit gefährlich, da sich schon bei einer geringen Erschütterung innerhalb kürzester Zeit eine große Gasblase ausbilden kann, die dann explosionsartig aus dem Gefäß entweicht (siehe Weblinks). Dies hat zum Teil auch ein Entweichen der Flüssigkeit zur Folge und tritt vor allem in engen, hohen Gefäßen wie zum Beispiel Reagenzgläsern auf, da hier im unteren Teil die Flüssigkeit eine viel höhere Temperatur besitzt als im oberen Teil. Glatte, ebene Gefäßwände, eine geringe Durchmischung und ein hoher Reinheitsgrad der Flüssigkeit begünstigen den Siedeverzug.
[Bearbeiten] Ursache
Das Fehlen eines Kondensationskeims, also bei einer glatten, homogenen Gefäßoberfläche und einer reinen, gas- und partikelfreien Flüssigkeit, wirkt als kinetisches Hemmnis. Die Bildung einer stabilen, gasförmigen Phase wird verhindert und es kann zu einer Überhitzung der Flüssigkeit über ihren Siedepunkt hinaus, eben dem Siedeverzug kommen.
Bei der Überhitzung von Flüssigkeiten ist der Dampfdruck im Inneren der ersten kleinen Hohlräume ungewöhnlich niedrig, so dass sie sofort wieder kollabieren.
Dieser Effekt tritt leicht ein, wenn man eine Flüssigkeit erhitzt, ohne sie zu rühren. Wenn dann durch spontane Keimbildung (siehe Unterkühlung) plötzlich der Verdampfungsprozess einsetzt, und sich eine größere Gasblase gebildet hat, kann die Flüssigkeit mit hoher Geschwindigkeit weiter verdampfen. Die Gasblase dehnt sich dann explosionsartig aus und drückt dabei auch umgebende Flüssigkeit nach oben. Die Folge ist ein oft heftiges Spritzen. Dabei sinkt der Siedepunkt in dieser Region schlagartig auf den Normalwert ab.
[Bearbeiten] Gegenmaßnahmen
Im Haushalt sind beim Kochen am Herd normalerweise keine Gegenmaßnahmen erforderlich, da die Oberflächen normalen Kochgeschirrs genügend rauh sind. Allerdings kann es beim Erhitzen von Flüssigkeiten im Mikrowellenherd zum Siedeverzug kommen (siehe dort).
In der Laborpraxis verhindert man den Siedeverzug durch die Verwendung geeigneter Gefäße, also zum Beispiel von Abdampfschale und größeren Kolben anstatt dünner Reagenzgläser. Diese sind in der Regel angerauht, wobei dieser Zweck jedoch auch beispielsweise durch einen Glasstab erfüllt werden kann. Hinzu kommt ein sehr vorsichtiges Erwärmen der Flüssigkeit und die Vermeidung von unbewegten Ruhelagen während des Erwärmungsprozesses. Beides bedingt, dass man Gefäße über der Flamme eines Bunsenbrenners schwenkt oder im Falle einer Heizplatte einen Magnetrührer verwendet. In beiden Fällen ist jedoch das langsame und gleichmäßige Erwärmen von größter Bedeutung, weshalb man insbesondere stark vorgewärmte Heizflächen vermeiden sollte.
Im Falle der erhöhten Gefahr eines Siedeverzugs kommen so genannte Siedesteinchen zum Einsatz. Sie bestehen aus porösem, weitgehend inertem Mineral, meist Tonen oder Silikatgesteinen. Einerseits stört ihre rauhe Oberfläche die Bildung einer homogenen Molekülanordnung der Flüssigkeit, andererseits dehnt sich die in den Poren eingebundene Luft beim Erwärmen aus und wirkt beim Aufsteigen als Siedekeim.
Sicherheitshinweise:
Eine Erwärmung mit der Gefahr eines Siedeverzuges sollte generell immer bei abgeschlossenem Abzug und auch nur bei der Verwendung mit Schutzkleidung (Schutzbrille, Gummihandschuhe, so wenig wie möglich freie Haut) erfolgen. Das Gefäß sollte so verwandt werden, dass auch trotz eines Siedeverzuges keinerlei weitere Schäden hervorgerufen werden (auch überhitztes Wasser ist gefährlich!). Gefäße sind mit ihrer Öffnung daher niemals auf das eigene Gesichtsfeld oder andere Personen zu richten. Wenn die Zugabe von Siedesteinchen vergessen wurde, darf man dies nur nachholen, wenn man absolut sicher ist, dass der Siedepunkt noch nicht erreicht wurde. Zugabe von Siedesteinen in eine bereits überhitzte Flüssigkeit führt zu explosionsartigem Sieden. Zudem nimmt die Wirkung der Siedesteinchen mit der Zeit ab, weshalb man sich nicht auf sie verlassen sollte und bei jedem Erwärmungsvorgang neue Siedesteinchen zugegeben werden müssen.
[Bearbeiten] Abgrenzung
Das Überkochen von Milch oder Nudelwasser beruht nicht auf dem Siedeverzug, sondern auf der starken Schaumbildung. Die gebildeten Gasbläschen werden durch spezielle Inhaltsstoffe stabilisiert und platzen daher nicht.
[Bearbeiten] Verwandte Themen
Kesselsteinexplosionen: Explosionsartiges Verdampfen in Kesselanlagen.
Flüssigkeiten können auch unter ihren Schmelzpunkt abgekühlt werden, ohne dass Erstarrung eintritt. Man spricht hier von unterkühlten Flüssigkeiten. Bekannt ist dieser Effekt unter anderem als gefrierender Regen.
Durch Abkühlung oder Verdunstung lassen sich übersättigte Lösungen herstellen, die stärker konzentriert sind, als es der Löslichkeit des Stoffes entspricht. Bei Zugabe eines Kristallisationskeims kristallisiert die überschüssige Menge des gelösten Stoffs schlagartig. Diesen Effekt macht man sich bei einfachen Handwärmern zunutze, die eine übersättigte Natriumcitratlösung enthalten.
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.muenster.org/uiw/fach/chemie/lexikon/inhalt/sieden.htm
- Wie funktioniert ein Handwärmer / Taschenwärmer?
- Video von überhitztem Wasser in einem Mikrowellenherd mit anschließendem Siedeverzug.
- Serie von Videoaufnahmen zur Reaktion eines Gefäßes mit überhitztem Wasser auf Erschütterungen durch Louis A. Bloomfield, Physikprofessor an der University of Virginia. Ab Experiment 13 zeigt sich die Energie, die bei einem Siedeverzug freiwerden kann, mit beeindruckender Gewalt. (Realplayer, ca. 5,5 MB)