Shamarpa
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Shamarpa (auch „Rothut-Karmapa“) ist der Name eines Linienhalters der Karma-Kagyü-Schule des tibetischen Buddhismus.
Er gilt als bewusst inkarnierter Lama (Tulku). Seine Inkarnationslinie, d.h. die ununterbrochene Reihe seiner Wiedergeburten, steht in enger Verbindung mit der des Gyalwa Karmapa, dem Oberhaupt der Karma-Kagyü.
Der 2. Karmapa Karma Pakshi (1203-1282) prophezeite bevor er starb seine eigene Wiedergeburt in Form von zwei Lamas. Sie würden sich nacheinander reinkarnieren, abwechselnd als Guru und Schüler, um seine Linie und damit das Dharma ohne Unterbrechung von einer Generation auf die andere zu übertragen.
Der derzeitige 14. Shamarpa heißt Künzig Shamar Mipham Tschökyi Lodrö (1952- ). Er ist ein Neffe des 16. Karmapa, wurde im osttibetischen Derge geboren und im Alter von drei Jahren ins Kloster Tsurphu (Tibet) gebracht und von Karmapa dort inthronisiert.
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[Bearbeiten] Geschichte der Shamarpas
[Bearbeiten] 13. Jahrhundert
Der 1. Shamarpa Khaydrup Drakpa Sengye (1283 - 1349) war der Hauptschüler des 3. Karmapa (1284 - 1339), der ihn neben Karmapa selbst als eine weitere Emanation des 2. Karmapa Karma Pakshi bestätigte. Der 1. Shamarpa Drakpa Sengye soll somit, nach der Sicht der Karma-Kagyü, der zweite wiedergeborene Lama Tibets gewesen sein, nach dem der Begründer der Karma-Kagyü-Linie, der 1. Karmapa Düsum Khyenpa (1110-1193), der erste wiedergeborene Lama gewesen sein soll.
[Bearbeiten] 17. Jahrhundert
Die Karma-Kagyü-Linie entfaltete sich über 500 Jahre und wurde im 17. Jhd., zur Zeit des 10. Karmapa Tschöying Dorje (1604 - 1674), eine der einflussreichsten Schulen des Tibetischen Buddhismus. Der Tod des beliebten 6. Shamarpa Mipam Chökyi Wangchuk (1584 - 1630), der beim damaligen Oberhaupt der Gelugpa, dem 5. Dalai Lama, ein hohes Ansehen genoss, schwächte die Position der Karma-Kagyü-Linie. Nun eskalierte der zwischen Karma-Kagyüs und Gelugpas seit langem schwelende politische Konflikt. Als der Mongolenfürst Gushri Khan schließlich mit einem Heer in das Königreich von Tsang einfiel, dessen König der Kagyü-Schule angehörte und ein Jahr später den 5. Dalai Lama Lobsang Gyatso als Souverän von ganz Tibet einsetzte, verlor die Karma-Kagyü-Schule jeglichen politischen Einfluss in Tibet. Der 10. Karmapa, sowie der 7. Shamarpa Yeshe Nyingpo (1631 - 1694) und deren Anhänger wurden angegriffen, aber es gelang ihnen zu fliehen. Die siegreichen Gelug festigten ihre politische Macht indem sie die Karma-Kagyü-Linie in den politisch wichtigen Zentralprovinzen, hauptsächlich in Tsang, unterdrückte. Ohne ihre beiden Führer war die Karma-Kagyü-Linie in Tibet schutzlos. Neben 27 Klöstern des Karmapa wurden auch 20 Klöster des Shamarpa zwangsweise zur Gelugpa-Schule konvertiert. Nur Tsurphu, der Sitz des Karmapa, und Yangpachen, das Hauptkloster des Shamarpa, und einige wenige andere durften weiter die Karma-Kagyü-Tradition praktizieren. Die Schule litt unter einem lange währenden Verfall.
[Bearbeiten] 18. Jahrhundert
Im frühen 18. Jhd. gab es ein kurzes Wiederaufleben der Karma-Kagyü-Linie infolge der unablässigen Dharma-Aktivität des 12. Karmapa Tschangtschub Dorje (1703 - 1732) und des 8. Shamarpa Palden Tschökyi Döndrub (1695-1732). Sie reisten zusammen durch Tibet und verhinderten, dass die Linie vollends zum Erlöschen kam. Der 12. Karmapa und der 8. Shamarpa hatten zur Zeit der Herrschaft des chinesischen Kaisers Yung Cheng einen so hervorragenden Ruf, dass sie 1732 an seinen Hof eingeladen wurden. Beide starben am Tag nach ihrer Ankunft in Peking an den Pocken. Die beiden Gelugpa-Lamas Kyangkya und Thudka behaupten in ihren Autobiographien, der Tod der beiden höchsten Kagyü-Lamas sei eine Folge schwarzer Magie gewesen. Nach dem Tod des 12. Karmapa und des 8. Shamarpa litt die Karma-Kagyü-Linie unter einer erneuten Phase des Niedergangs in Zentral-Tibet.
Während der Herrschaft des chinesischen Kaisers Chien Lung im 18. Jhd., waren der mächtige 6. Panchen Lama, Palden Yeshe, d.i. der zweitmächtigsten Lama der Gelugpa-Schule, und der 10. Shamarpa, Mipham Tschödrub Gyaltso (1742-1792) Brüder. Der 10. Shamarpa hoffte, dass seine Verwandtschaft mit dem Panchen Lama die tibetische Regierung dazu bringen könnte, seine im vorherigen Jahrhundert von den Gelugpas zwangskonvertierten Klöster wieder in den alten Zustand zu versetzen. Bevor dies jedoch geschehen konnte, starb der Panchen Lama in Peking, wohin er vom Kaiser eingeladen worden war, an den Pocken.
Aus tiefem Respekt vor dem Panchen Lama, der sein Lehrer gewesen war, soll der Kaiser den Brüdern und Schwestern des Panchen Lama, also auch dem Shamarpa, eine große Menge Goldmünzen geschenkt haben. Das Kloster Tashi Lhünpo, der Sitz des Panchen Lama, soll jedoch dem 10. Shamarpa den ihm zustehenden Teil nicht herausgegeben haben. Als sich die Verwaltung des Shamarpa-Klosters Yangpachen darüber beschwerte, hieß es, das ganze Gold gehöre dem Kloster Tashi Lhünpo. Der 10. Shamarpa wurde als Verräter bezeichnet, da er eine Rebellion gegen die tibetische Regierung angezettelt habe, um seine Klöster zurückzubekommen. Infolgedessen entstand in der tibetischen Regierung, die in Abwesenheit des Dalai Lama von zwei Regenten geleitet wurde, eine Feindseligkeit gegen den Shamarpa. 1784 floh er deswegen aus Tibet in die Sicherheit des benachbarten Nepal.
Da der nepalesische König Rana Bahadur Shah glaubte, aus der Anwesenheit des Shamarpa politischen Nutzen ziehen zu können, wurde Shamarpa in einen ökonomisch-politischen Konflikt zwischen Nepal und Tibet verwickelt, der schließlich auch militärisch eskalierte. Die Verhandlungen, an denen Shamarpa teilnahm, schlugen fehl und die tibetische Delegation, die nach Nepal gekommen war, wurde gefangengenommen. Zudem schickte König Bahadur Truppen nach Tibet, die jedoch mit Hilfe chinesischer Truppen zurückgeschlagen werden konnten, so dass es 1792 zu einem Frieden zwischen Nepal und Tibet kam. Die tibetische Regierung gab aber dem 10. Shamarpa die Schuld an dem politischen und militärischen Debakel. Als Vergeltung konfiszierte sie das Kloster Yangpachen, das zur Gelugpa-Schule konvertiert wurde. Vor allem aber erließ sie ein "Verbot der Einsetzung der Wiedergeburten Shamarpas". 1792 starb der 10. Shamarpa an Gelbsucht, aber es kursierten Gerüchte, er habe sich selbst vergiftet.
[Bearbeiten] 19. Jahrhundert
Durch das Verbot der Inkarnation des Shamarpa war die Übertragung des Dharma in der Karma-Kagyü-Schule, insbesondere kagyüspezifischen Meditationstechniken gefährdet. Das Übertragen ihrer Lehren und Traditionen konnte die Kagyü-Schule dennoch durch kurze Reinkarnationen der Shamarpas, Wiedergeburt als Bodhisattvas, Aufenthalt an geheimen Orten oder auch durch andere Lehrer der Kagyütradition oder gar durch die Lehrer andere Linien (z.B. der Nyingmas) ihre eigene, authentische Übertragungslinie erhalten. So wurde der 11. Shamarpa, Tschowang Rinpoche als Bruder des 14. Karmapa (1797 - ca. 1845) geboren, der seine Auffindung geheim hielt. Erst der 14. Shamarpa sollte wieder eine legale Inkarnation sein können.
[Bearbeiten] 20./21. Jahrhundert
1956 lud der 16. Karmapa den derzeitigen Dalai Lama Tenzin Gyatso ins Kloster Tsurphu ein und bat ihn, den Bann gegen die Shamarpas aufzuheben. Der Dalai Lama stimmte zu, riet Karmapa aber, zuerst in Tsurphu die anfängliche Inthronisierungs-Zeremonie für den 14. Shamarpa durchzuführen, damit dann die tibetische Regierung öffentlich die Aufhebung des Bannes verkünden könne. Die Inthronisierung wurde 1957 im Kloster Tsurphu abgehalten, aber bevor die Regierung die Aufhebung des Bannes verkünden konnte, mussten der Dalai Lama, Karmapa und Shamarpa 1959 vor der chinesisch-kommunistischen Invasion aus Tibet nach Indien fliehen.
Obwohl Tibet verloren war, bat Karmapa den Dalai Lama erneut, den Bann gegen die Shamarpas aufzuheben. 1963 kam der Dalai Lama dieser Bitte mit einem entsprechenden Brief nach. Im darauffolgenden Jahr fand die offizielle Haupt-Inthronisierung des 14. Shamarpa im Kloster Rumtek in Sikkim statt, in Gegenwart von Delegierten der vier Haupt-Schulen des Tibetischen Buddhismus und der indischen und sikkimesischen Regierung. Bis 1979 erhielt er im Kloster Rumtek in Sikkim sämtliche Belehrungen und Übertragungen der Karma-Kagyü-Linie vom 16. Karmapa. Seitdem reist er durch die ganze Welt und lehrt Buddhismus in der Übertragung der Karma Kagyü. Shamarpa ist Gründer der internationalen buddhistischen Organisation Bodhi Path. In dieser Organisation werden die Lehren der Karma-Kagyü-Schule in ihrer traditionellen Form weiter gegeben. Er unterrichtet aber auch in den Zentren des Diamantweg von Lama Ole Nydahl. Vor allem seiner Aktivität ist es zu verdanken, dass 1994 einer der beiden Kandidaten (Thaye Dorje) für die 17. Inkarnation des Karmapa gefunden und nach Indien in die Freiheit gebracht werden konnte.
[Bearbeiten] Liste der Shamarpas
- Khaydrup Drakpa Sengye 1283 - 1349
- Kacho Wangpo 1350 - 1405
- Chopal Yeshe 1406 - 1452
- Chokyi Drakpa Yeshe Pal Zangpo 1453 - 1524
- Künchok Yenlak 1526 - 1583
- Mipam Tschökyi Wangchuk 1584 - 1630
- Yeshe Nyingpo 1631 - 1694
- Palden Tschökyi Döndrup 1695 - 1732
- Künchok Jungnay 1733 - 1741
- Mipham Tschödrup Gyamtso 1742 - 1792
- Tschowang Rinpoche (Aus politischen Gründen wurde er nicht offiziell anerkannt.)
- Jambyang Rinpoche 1880 - 1947
- Tinlay Kunchup 1948 - 1950
- Mipham Tschökyi Lodrö 1952 -