Semiramis
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Der Name Semiramis, von antiken griechischen Historikern geprägt, bezieht sich auf eine altorientalische Heldin oder Königin. Die Semiramis der griechischen Quellen dürfte mit der assyrischen Königin Šammuramat nur den Namen gemein haben.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Griechische Quellen
[Bearbeiten] Herodot
Nach Herodot (1, 184) war sie eine der zwei Königinnen, die ganz Asien (damals Persien und angrenzende Gebiete) regierte – die andere war Nitokris fünf Generationen nach ihr.
[Bearbeiten] Ktesias
Die Hauptquelle über Semiramis war die Persika des Ktesias von Knidos, der als Arzt längere Zeit am persischen Hof lebte. Das Werk selbst ist nicht erhalten, lediglich die Auszüge des Photios und Entlehnungen späterer Autoren, vor allem von Diodor von Sizilien, haben sich erhalten. Bei Diodor wird sie als Tochter der Göttin Derketo von Askalon beschrieben. Die missgünstige Göttin Aphrodite lässt sie in wilder Liebe einem schönen syrischen Jüngling verfallen, der zum Opfern an ihren Teich kommt. Nach der Geburt einer Tochter verfällt Derketo einer schweren postnatalen Depression, tötet den Kindsvater, setzt die Tochter in einem steinigen und öden Ort aus und stürzt sich selbst in den Teich, wo sie sich in ein Wesen verwandelt, dessen unterer Hälfte ein Fisch ist. Daher ist den Syrern der Fisch heilig und sie essen ihn nicht. Tauben, die heiligen Tieren der Aphrodite (und der Anat) bedeckten das halbgöttliche Kind mit ihren Flügeln, um es zu wärmen und bringen ihr im Kropf Milch und später Käse. Die Hirten wundern sich darüber, dass die Tauben plötzlich ihren Käse stehlen, folgen den Vögeln und finden so das schöne Kind. Sie bringen es zu Simmas, dem kinderlosen Oberhirten des Königs, der ihm wegen der Tauben den Namen Semiramis gibt und es aufzieht. Und die Syrer verehren deswegen die Tauben als göttlich.
Als sie heiratsfähig war, fiel sie Menon, dem Statthalter von Syrien auf, als dieser die königlichen Herden inspizierte. Er heiratete sie und brachte sie nach Ninos, wo sie ihm Hyapates und Hydaspes gebiert. Semiramis war aber nicht nur über alle Maße schön, sondern auch sehr klug, und ihr Mann folgte in allem ihren Rat in allen Dingen. Als Menon an der Belagerung von Baktriana teilnahm, die sich lange hinzog, weil die Stadt überaus gut befestigt war, befiel ihn Sehnsucht nach seiner Frau und er befahl sie zu sich. Semiramis gehorchte und reiste in einer Kleidung nach Baktrien, die "nicht unterscheiden ließ, ob der damit Bekleidete ein Mann oder ein Weib sei", die sowohl ihre Haut vor der Sonne schütze als ihr, "wie die Jugendgewänder" Freiheit der Bewegung ließ. Diese Kleidung wurde später von den Medern und Persern übernommen.
Vor Baktriana angekommen, erkannte sie, dass die Stadt nur an den leicht zugänglichen Stellen befestigt war, versammelte geübte Bergsteiger um sich und drang über eine steile Schlucht in die Burg ein, worauf sich die Einwohner ergaben. Der alternde König Ninos verliebte sich in sie und bot ihrem Gatten die Hand seiner Tochter, wenn er ihm seine Frau abtrete. Als Menon ablehnte, drohte er, ihn blenden zu lassen, worauf sich dieser erhenkte und Ninus die Witwe zur seiner Königin machte. Kurz nachdem sie ihm einen Sohn, Ninyas, geboren hatte, verstarb er. Semiramis begrub ihn auf der Akropolis der Stadt Ninus in einem Grabhügel, der 1,6 km hoch und 1,8 km breit war und bis heute sichtbar ist, trotz der Zerstörung der Stadt durch die Meder (vermutlich eine Umdeutung des Tells von Niniveh). Danach erbaute Semiramis, um den Ruhm ihres Gatten noch zu übertreffen, Babylon. Diodorus beschreibt ausführlich die Mauern von Babylon, eines der sieben Weltwunder und den Aufbau der Stadt, die Ktesias, auf den sich Diodor hier nach eigenen Angaben stützt, wohl aus eigener Anschauung kannte.
Nachdem der Bau der Stadt abgeschlossen war, zog die Königin gegen die Meder. Sie überschritt das Gebirge Bagistan auf den aufgehäuften Sätteln der Packtiere ihres Heeres. In Medien gründete sie die Stadt Chauon inmitten prächtiger Gärten. Hier nahm sie sich die schönsten der Soldaten als Liebhaber, die verschwanden, nachdem sie ihrer überdrüssig geworden war. Sie erbaute eine Straße nach Ekbatana, wo sie einen weiteren Palast errichtete. Auf Feldzügen unterwarf sie Persien, ganz Asien, Ägypten, Teile Libyens und führte – mit künstlichen Elephanten - auch Kriege in Indien. Für ihr Nachtlager ließ sie künstliche Erhöhungen aufschütten, die als "Werke der Semiramis" bekannt sind. Einem Orakel des Zeus Amon folgend, dankte sie ab, als ihr Sohn Ninyas versuchte, sie von einem Eunuchen umbringen zu lassen, und flog als Taube davon, weshalb die Assyrer die Tauben als göttlich verehrten.
[Bearbeiten] weitere antike Quellen
Athenaios schildert das Leben einer Hofdame namens Semiramis, die sich die Herrschaft in Babylon durch Intrigen aneignete, aber gerecht herrschte.
Athenagoras von Athen (Legatio pro Christianis) bezeichnet Semiramus, die Tochter der Derketo, als "...ein geiles und blutbesudeltes Weib", das man mit der Dea Syria gleichsetze. Strabon beschreibt Semiramis als Gründerin Babylons (Strabon XVI 1,2). Auch Curtius Rufius (Alexandergeschichte V 1,24) betont, dass Semiramis Babylon gegründet habe und nicht Belus, wie meist behauptet.
[Bearbeiten] Assyrische Quellen
Historisch erscheint der Name 'Šammuramat' in den assyrisch-babylonischen Königslisten (810-782 v. Chr). Sie war die Frau von Schamschi-Adad V. ( 823-810) und regierte für ihren minderjährigen Sohn Adad-nirari III. (791-782).
[Bearbeiten] Jüdische Tradition
In der rabbinischen Tradition ist Semiramis die Frau Nebukadnezars und erhielt ihren Namen, weil sie im Donner geboren war. Sie ist eine der vier Frauen, die die Welt beherrschten, zusammen mit Jesebel und Atalja in Israel und Vaschti in Persien.
[Bearbeiten] Deutung
Nagel versucht Semiramis, nicht sehr überzeugend auf persische und skythische Quellen zurückzuführen und sieht eines ihrer Vorbilder in Atossa, der Tochter von Ariaspes.
Weinfeld leitet den Namen Semiramis von "smm rmm" oder šamīm ramīm, Hoher Himmel (Excelsis) ab und sieht sie als einen Aspekt von Atiratu (Aschera), verschmolzen den historischen Figuren von Zakutu, der aramäischen Mutter Assurhaddons und Šammuramat, der Mutter Adad-nirari III. Er verweist auf Ähnlichkeiten zu der in persischer Zeit verfassten Geschichte des Propheten Jonas, dessen Name Taube bedeutet, der von einem Fisch verschlungen wird und in Niniveh wirkt.
[Bearbeiten] Nachleben
[Bearbeiten] Mittelalter
Der mittelalterliche armenische Historiker Moses von Chorene erzählt vom Bau einer Wasserleitung in der urartäischen Hauptstadt Tuschpa durch die Königin Semiramis (dort heisst sie 'Schamiram'. Dieser Kanal existiert noch, er heißt heute 'Semiramis-Kanal' oder 'Semiramis arki'. [Zitiert nach Mirjo Salvini, Geschichte und Kultur der Urartäer, Darmstadt 1995, S. 123ff]
Ninus und Semiramis tauchen in den Gründungslegenden einiger europäischer Städte auf, so von Trier, Gesta Treverorum (1105).
[Bearbeiten] Hängende Gärten der Semiramis
Die Zuweisung der Hängenden Gärten in Babylon, eines der Sieben Weltwunder, an Semiramis beginnt erst in der Neuzeit.
[Bearbeiten] Oper
Bekannt wurde Semiramis vor allem durch die Oper Semiramide von Gioacchino Rossini (1823). Hier ist Semiramis eine Königin von Babylon, die mit Hilfe von Assur ihren Gatten Nino ermordet hat. Nach unzähligen Verstrickungen stirbt sie am Ende ungewollt durch die Hand ihres Sohnes Arsace, der aus dem Krieg zurückgekehrt ist und vom Oberpriester den Auftrag erhalten hat, seinen Vater - König Nino- zu rächen....
[Bearbeiten] Literarische Umsetzungen
Der Österreicher Leopold von Sacher-Masoch verfasste einen Roman mit dem Titel "Afrikas Semiramis". In der Reihe "Frauen der Liebe" erschien 1928 als Band 102 "Semiramis, die heiße Blume Assyriens" von Adolf Borstendörfer (Heidenau b. Dresden, Verlagshaus Freya [1928).
[Bearbeiten] Literatur
- Sabine Comploi, Die Darstellung der Semiramis bei Diodorus Siculus. In: Robert Rollinger/Christoph Ulf (Hrsg.), Geschlechterrollen und Frauenbild in der Perspektive antiker Autoren (Innsbruck 2000), 223-244.
- W. Eilers, Semiramis, Entstehung und Nachhall einer altorientalischen Sage (Wien 1941).
- F. Lenormant, La Legende de Smiramis (1873)
- W. Nagel, Ninus und Semiramis in Sage und Geschichte (Berlin 1982).
- Giovanni Pettinato, Semiramis. Herrin über Assur und Babylon (Zürich/München 1988).
- A. I-I. Sayce, The Legend of Semiramis. Hist. Rev. 1, 1888.
- Moshe Weinfeld, Semiramis: Her name and her origin. In: Mordechai Cogan/Israel Eph’al (Hrsg.), Ah, Assyria ... Studies in Assyrian history and ancient Near Eastern historiography presented to Hayim Tadmor (Scripta Hierosolymitana 33), (Jerusalem 1991), 99-103.
- Ulrich Moennig (Hrsg.), Die Erzählung von Alexander und Semiramis (Berlin/New York : de Gruyter 2004). Supplementa Byzantina 7. ISBN 3-11-017530-4