Ritchie Boys
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Als Ritchie Boys bezeichnet man die Absolventen des Military Intelligence Training Center oder Camp Ritchie genannten Ausbildungszentrums der US-Armee während des Zweiten Weltkriegs. Die Absolventen waren vorwiegend von den Nazis vertriebene bzw. vor ihnen geflohene junge Deutsche, meist Juden, die in den Vereinigten Staaten eine neue Heimat gefunden hatten.
In Camp Ritchie, Maryland, wurden sie mit einem speziellen Trainingsprogramm auf ihren Einsatz in Europa vorbereitet. Sie wollten zusammen mit den amerikanischen Streitkräften Deutschland von den Nazis befreien. Ihre Familien waren häufig von den Nazis ermordet worden.
Viele bekannte Männer wurden im Camp ausgebildet, u.a.: Hans Habe, Klaus Mann, Stefan Heym, Hanus Burger, David Robert Seymour.
Als Deutschland den USA den Krieg erklärte, wurden die „Ritchie Boys“ zu einer entscheidenden Waffe der Alliierten. Keiner kannte die Deutschen besser als die Deutschen selbst. Sie kannten die psychologische Befindlichkeit und die Sprache. Im Camp Ritchie wurden ihnen Konzepte der modernen psychologischen Kriegsführung beigebracht. Daraus ergab sich auch ihr Aufgabengebiet: den Gegner zu erforschen, zu demoralisieren und somit zur bedingungslosen Kapitulation zu bewegen.
Die Ritchie Boys trafen am D-Day, dem 6. Juni 1944, zusammen mit den anderen alliierten Truppen in Europa ein. Kurz nach Erreichen des Festlandes verließen sie ihre eigentlichen Einheiten und verfolgten ihre Spezialaufgaben. So konnten sie die Alliierten mit wichtigen Informationen versorgen. Des Weiteren sorgten sie dafür, dass der Widerstand Stück für Stück gebrochen wurde, in dem sie in offenen und verdeckten Aktionen den Gegner demoralisierten.
Systematisch wurden Kriegsgefangene und Überläufer verhört. So konnten die Ritchie Boys Informationen über Truppenstärke, Truppenbewegungen und die physische und psychologische Situation der Deutschen an die Alliierten weitergeben.
Durch gezielte Desinformation mittels gefälschter Zeitungsmeldungen, aber auch über Flugblätter, Radiosendungen und Lautsprecherwagen wurden die deutsche Bevölkerung und die Soldaten aufgefordert, die Kampfhandlungen einzustellen.
Durch ihren Einsatz trugen die Ritchie Boys dazu bei, den zweiten Weltkrieg zu verkürzen und retteten so wahrscheinlich vielen Soldaten auf beiden Seiten das Leben. Die Ritchie Boys gehörten meist zu den Ersten, die bei der Öffnung der Konzentrationslager dabei waren. Einige der „Boys“ fungierten bei den Nürnberger Prozessen als Dolmetscher.
Nach dem Krieg gab es keine Wiedersehensfeiern oder auch Veteranentreffen. Für viele der Ritchie Boys war der Krieg nur eine kurze Phase ihres Lebens. Viele von ihnen machten anschließend Karriere in Politik, Wirtschaft und Wissenschaft.
Es verwundert, dass die Ritchie Boys weder in Amerika noch in Deutschland Aufmerksamkeit erregten, da sie durch ihre Arbeit doch entscheidenden Einfluss auf die heutige Militärtaktik hatten.