Privacy Policy Cookie Policy Terms and Conditions Riograndenser Hunsrückisch - Wikipedia

Riograndenser Hunsrückisch

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Riograndenser Hunsrückisch, Riograndensisch oder Katharinensisch ist in Südbrasilien eine weitverbreitete Minderheitensprache der deutschen Einwanderer. Sie ist eine Variante des in Teilen von Rheinland-Pfalz (um Morbach, Idar-Oberstein, Rheinböllen, Simmern und Kastellaun) gesprochenen Hunsrückischen Dialekts.

Riograndenser Hunsrückisch hat sich innerhalb der letzten 200 Jahre als Sprache deutscher Auswanderer aus dieser Region in bestimmten Regionen Südbrasiliens – insbesondere im Bundesstaat Rio Grande do Sul – entwickelt und wurde dabei auch von anderen deutschen Auswanderer-Dialekten wie zum Beispiel Pommersch oder Bayerisch und auch von anderen Immigrantensprachen wie Italienisch oder Portugiesisch beeinflusst.

Obwohl Riograndenser Hunsrückisch über lange Zeit der am weitesten verbreitete deutsche Dialekt in Südbrasilien war, nimmt der Gebrauch dieser Sprache – vor allem in den letzten drei bis vier Generationen – immer weiter ab. Dies liegt auch an der Unterdrückung der deutschen Sprache während des zweiten Weltkrieges; der Gebrauch der deutschen Sprache in der Öffentlichkeit war damals bei Strafe verboten, was zur Folge hatte, dass die jüngere Generation Portugiesisch als Erstsprache lernte. Heute wird sie fast nur noch im privaten Kreis und von der älteren Landbevölkerung gesprochen.

Der Name Riograndenser Hunsrückisch wurde 1996 von Dr. Cléo Vilson Altenhofen eingeführt und bezieht sich auf den brasilianischen Bundesstaat Rio Grande do Sul. Die Bezeichnung Katharinensisch leitet sich vom brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina ab, in dem dieser Dialekt das erste Mal auftauchte.

[Bearbeiten] Kleines Glossar / Wortbeispiele

Aibi m. (Pomerode)

(indio „aipim“) BOT Maniok.

Aipi m. (Santa Catarina)

(indio „aipim“) BOT Manioka (landwirtschaftlich genutzter Maniok). Ich habe in der Früh das Vieh versorgt und bin gleich in die Roça* capienen*. Mein Mann hat den Mato* gefoiçt*, denn wir wollen viel Aipi pflanzen...: am frühen Morgen habe ich das Vieh versorgt und bin gleich auf unser Land jäten gegangen, mein Mann hat das unterholz weggehackt, denn wir wollen viel Manioka pflanzen...
(Die Pflanze, deren schmackhafte Wurzel die Indios entdeckten und Aipim nannten. Aipi nährt Menschen, Schweine, Kühe, Aipi gibt Sago, Tapioca, Kleister, Mehl, Aipi kann vergoren werden, es ist die Lebensgrundlage des deutschen Kolonisten, so wie es drüben in Afrika die ungeheure Vermehrung der Einheimischen und letztlich ihre Befreiung ermöglichte.)

alles gut? oder alles Gute? interrog. (Süd-Brasilien)

(wortwörtl. Übersetz. aus dem bras. Port. „tudo bem?“) Wie geht's?

Aviong [ɑvjɔŋ] subst. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. „avião“) Flugzeug.

Balaie f. (Santa Catarina)

Kleine Balaie: Papierkorb.
(Der Ursprung des Wortes Balaie ist unschlüssig. Es könnte vom port. Wort baleia „Wal“ stammen oder von balde „Eimer“. Das standarddeutsche Wort Papierkorb existiert in den brasilianischen Dialekten nicht. Würde man zu einem Korbflechter gehen und nach einem Papierkorb fragen, würde dieser erstaunt entgegnen, dass diese nicht lange halten würden und das man hier Körbe aus Weidenruten mache. Die Dialekte spiegeln das Leben und ändern sich mit ihr; Wörter der alten Heimat verlieren ihre Bedeutung. Wie soll ein Kind in einem Land, in dem es nichts Derartiges gibt, wissen, was Briefträger oder Straßenbahn heißt?)

Barranke f. (Santa Catarina)

(bras. Port. „barranca“) Abhang. Man hatte keine richtigen Öfen, um aus Maismehl und Carafrüchten Brot zu backen, so machte man eine tiefe Öffnung in die Barranke und oben einen Abzug, und wenn man vorher tüchtig Wald* geschlagen hatte, so schmeckte so ein Brot schon richtig!

Barrankenhucker m. (Santa Catarina)

(bras. Port. „barranca“) Abwertende Bezeichnung für die Eingeborenen Brasiliens. (s. Kabokler, Rappelschwanz, Blauer.)

bass adv. u. adj. (Santa Catarina)

1. adv. Sehr, ungemein. Bass erstaunt, verwundert, befremdet, gekränkt sein. Bass erschrecken; sich bass wundern, freuen. Der bass erstaunte Zeuge. 2. adj. [selten] Stark, groß. In basse Verwunderung aber fielen die Leute[...]. 3. adv. Besser. Er tat sich bass hervor.

Bast subst. (Pomerode)

(bras. Port. „pasto“) Weide.

Bischo subst. (Santa Catarina)

(bras. Port. „bicho“) Jedwedes Tier; Viech(er).
(Im brasilianischem Portugiesisch bezeichnet das Wort bicho [bio] so ziemlich jedes Tier, vom Sandfloh über Schlange zum Bandwurm.)

Bischopulver s. (Santa Catarina)

(bras. Port. „bicho“) Insektenpulver.

Blauer m. (Santa Catarina)

Abwertende Bezeichnung für einen ganz dunkelhäutigen afrikanischstämmigen Brasilianer. (s. Kabokler, Barrankenhucker, Rappelschwanz.)

botschen v. (Santa Catarina)

(ital. „boccia“) Boccia spielen. Wir gehen botschen.
(Boccia [bɔtʃa] „Kugel“ ist ein ital. Rasenspiel, bei dem eine Kugel mit anderen Kugeln getroffen werden muss. Dieses Spiel ist auch in Deutschland bekannt und manchenorts wird das Wort synonym zum französischem Boules verwendet.) (siehe auchBootschen

brigen [briʒən] v. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. brigar „streiten, kämpfen“) Kämpfen, balgen, raufen; kabbeln. Die Gurien* brigen in dem Potrier*.

Cachaça [kaʃaßa] subst. (Santa Catarina)

(Brasilianismus) Zuckerrohrschnaps. Nach dem Botschen* gehen wir in die Wende*, trinken Cachaça und essen einen Churrasco*, und wenn gerade Domingueira* ist, tanzen wir.

Canecachen subst. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. „caneca“ und des dt. Dimin. –chen.) Kleiner Bierkrug; Gläschen Bier vom Fass; Bierchen vom Fass.

capienen [kapi:nən] v. (Santa Catarina)

(bras. Port. „capim“) Jäten. Ich habe in der Früh das Vieh versorgt und bin gleich in die Roça* capienen*. Mein Mann hat den Mato* gefoiçt*, denn wir wollen viel Aipi* pflanzen...
(Capim bedeutet in Brasilien „Gras, Unkraut“)

chegen [ʃeʒən] v. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. „chegar“) Redew. Es chegt!: es reicht!, das genügt!, das langt aber!

Chimia [ʃimja] s. (Süd-Brasilien)

Brotmarmelade.
(Chimia gebildet aus dem deutschen „schmieren“)

Churrasco [ʃurasko] subst. (Santa Catarina)

(Brasilianismus) Spiessbraten, gegrilltes Fleisch. Nach dem Botschen* gehen wir in die Wende*, trinken Cachaça* und essen einen Churrasco, und wenn gerade Domingueira* ist, tanzen wir.

chuven [ʃuvən] v. (Süd-Brasilien)

(port. chover „regnen“ oder chuva „Regen“) Regnen. Mariechen, mach die janela* zu, es chuvt [Mariazinha, feche a janela, está chovendo]. (s. rehnen.)

Cuca m. (Süd-Brasilien)

Adaption des Streuselkuchens.

das pron. impers. (Batinga)

Es. Das rehnt*: es regnet.

Domingueira oder Domingeira [domingɛra] subst. (Santa Catarina)

(Brasilianismus) Sonntägliche Tanzveranstalung. Nach dem Botschen* gehen wir in die Wende*, trinken Cachaça* und essen einen Churrasco*, und wenn gerade Domingueira ist, tanzen wir.

Fakong [fakɔŋ] subst. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. „facão“) Großes Messer.

Fleischtag m. (Süd-Brasilien)

( donauschwäbisch) veraltet Dienstag, Donnerstag, Sonntag.

Foiça [fɔʏßa] f. (Santa Catarina)

(Brasilianismus) Gewichtige Sichel mit schwerem Holzstiel.

foiçen [fɔʏßən] v. (Santa Catarina)

(bras. Port. „foiça“) Sicheln, (ab-, weg-)hacken. Ich habe in der Früh das Vieh versorgt und bin gleich in die Roça* capienen*. Mein Mann hat den Mato* gefoiçt, denn wir wollen viel Aipi* pflanzen...

Goud oder Goudu subst. (Süd-Brasilien)

( donauschwäbisch) veraltet Pate, Patin.
(In Deutschland noch landsch. Gote, Gode.)

Guri oder Gurie subst. (Süd-Brasilien)

(Kreolwort aus dem Tupi-Guarani) Junge. Die Gurien brigen* in dem Potrier*.

Hefami w. (Süd-Brasilien)

( donauschwäbisch) Hebamme.

Janela [ʒanɛla] w. (Süd-Brasilien)

(Brasilianismus) Fenster(laden). Mariechen, mach die janela zu, es chuvt* [Mariazinha, feche a janela, está chovendo].

Kabokler m. (Santa Catarina)

(bras. Port. „caboclo“) 1. [veraltet] Mischling aus Indios und Europäern. 2. Eingeborener. So ein Rancho*, wo Kabokler wohnen.
(Da die besitzlose Landbevölkerung im Landinnern außer Portugiesen, Spaniern, Polen und Arabern oft Afrikaner unter den Vorfahren zählt, wurde dieses Wort caboclo „Landarbeiter; Mestize“ die Bezeichnung für den Eingeborenen im allgemeinen, wenn ihn der Kolonist nicht lieber „Rappelschwanz“, „Barrankenhucker“ oder, wenn er ein wenig dunkler ist, einen „Blauen“ nennt.)

Kamion [kamjɔŋ] oder Kamiong subst. (Süd-Brasilien)

(port. „caminhão“) Lastwagen.

Kerb w. (Süd-Brasilien)

Rummel.
(Ursprünglich ein Kirchenfest; dem deutschen Gebrauch von Kirmes ähnelnd. Vgl. das deutsche WortKirbe)

Kuje m. (Santa Catarina)

(bras. Port. „cuja“) Kürbis, der in der Form einer Weinflasche wächst. „Eh“, rufe ich, „a-eh, wollen Sie mir einen Gefallen tun? A-eh! Ich will einen Schluck Wasser!“ - und dann warte ich wieder. „Warte nur“, ruft jemand. Eine Alte mit heiserer Stimme. „Der Chico bringt dir Wasser!“ Und tatsächlich! Aus dem Rancho* kommt ein Makake* mit einer Kuje.
(Die trockene, harte Schale dieser Kürbisart gibt Teller für Reis und Bohnen, Becher für Matetee, und der ganze Hausrat rankt im Frühjahr am ersten besten Baum neben dem Haus empor.)

Lóde m. (Batinga)

Fenster(laden). Marieche, mach der lóde zu, das* rehnt*.

Luftschiff s. (Süd-Brasilien)

Flugzeug. (s. Aviong.)

Makake oder Miko m. (Santa Catarina)

(port. „macaco“) Affe. Und tatsächlich! Aus dem Rancho* kommt ein Makake mit einer Kuje*.

Mato m. (Santa Catarina)

(Brasilianismus) Gebüsch, Unterholz; Wildnis. Ich habe in der Früh das Vieh versorgt und bin gleich in die Roça* capienen*. Mein Mann hat den Mato gefoiçt*, denn wir wollen viel Aipi* pflanzen... - Da reite ich nach Weihnachten los, in der größten Hitze, weil die Tage am längsten sind, und bin auf halbem Wege. Immer durch den Mato. Ich habe Durst, und - verflucht! - meine Flasche ist leer.
(Mato ist das Gestrüpp, das so riesige Gebiete bedeckt, dass ein ganzer Bundesstaat Brasiliens Mato Grosso benannt wurde.)

Milhe subst. (Süd-Brasilien)

(port. „milho“) Mais.

Milhebrot [mi(l)jɛbrot] oder Michabrot [miçabrot, (selten) mixabrot] subst. (Süd-Brasilien)

(port. „pão de milho“) Maisbrot.

Milhobrot [miljobrot] subst. (Süd-Brasilien)

(port. „pão de milho“) Brot aus Kartoffeln, das dem Maisbrot ähnelt.

mit präp. (Süd-Brasilien)

(bras. port. Konst. Verb + „com“) (Verb +) mit: (Verb +) von, bei. Träumen mit (sonhar com), träumen von. Bleiben mit dir (ficar com você), bleiben bei dir. heiraten mit

namorieren v. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. „namorar“) Flirten.

Pale subst. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. „bala“) Bonbon.

Phätr subst. (Süd-Brasilien)

( donauschwäbisch) veraltet Cousin, Vetter.

Potrier oder Potreer m. (Süd-Brasilien)

(port. „potreiro“) Stall. Die Gurien* brigen* in dem Potrier.

Rancho [ranʃo] m. (Santa Catarina)

(Brasilianismus) Kleiner Schuppen. Es war vor dreißig Jahren - so wahr ich lebe - damals, als wir hier angefangen haben. Wenn man da eine Kuh kaufen wollte, musste man weit, bis auf das Kampland hinauf. Dort waren die Pinienwälder schon geschlagen, alles war Weideland mit Vieh, oft zweitausend Stück auf einer Fazenda. Zurück musste man das Vieh treiben, Straßen gab es keine, nur Pikaden durch den Wald, Schneisen. In dem einen Stiefelschacht hatte man das Geld, im anderen den Revolver und zur Sicherheit noch einen im Gürtel. Das war kein Spaß, so wahr ich lebe. Da reite ich nach Weihnachten los, in der größten Hitze, weil die Tage am längsten sind, und bin auf halbem Wege. Immer durch den Mato*. Ich habe Durst, und - verflucht! - meine Flasche ist leer. Dort, wo man Glück hat, wenn man alle zwei Stunden eine Hütte sieht! Nun, ich habe Glück, da steht eine. So ein Rancho, wo Kabokler* wohnen. Wissen Sie, was die sagen? „Wenn die Arbeit was Gutes wäre, hätten sie die Reichen für sich vorbehalten.“
(Auf Port. bedeutet rancho „Bauernhof, Besitzung, Gut, Landgut“)

Rappelschwanz m. (Santa Catarina)

s. Kabokler.

rehnen oder rinnen v. (Batinga)

Regnen. Marieche, mach der lóde* zu, das* rehnt.

Roça [rɔßa] oder Rossa f. (Santa Catarina)

(Brasilianismus) Feld; Waldrodung. Ich habe in der Früh das Vieh versorgt und bin gleich in die Roça [= auf unser Land] capienen*. Mein Mann hat den Mato* gefoiçt*, denn wir wollen viel Aipi* pflanzen...

Scharke subst. (Santa Catarina)

(port. „charque“) Trockenes, salziges Dörrfleisch. Ich sage: „Danke, excellenzia, ich danke, verehrter Herr“ und trinke. Man bekommt nicht überall so ein klares, reines Brunnenwasser. Und dann denke ich: Ob nicht die Leute einen Happen zum Essen haben? Vielleicht haben sie auch schwarze Bohnen für gutes Geld. Ich rufe also wieder: „A-eh! Habt ihr was zu essen? Ich zahle!“ Die Alte mit der krächzenden Stimme ruft: „Nein! Ich kann dir nichts geben!“ Ich frage: „Nichts?“ Die Alte: „Ist niemand zu Haus!“ „Donnerwetter“, sage ich, „die Dumme! Fällt ihr keine bessere Ausrede ein?“ Ich rufe: „Ich will zahlen! Kann auch ein Stück Scharke sein!“

Schuhloja [ʃu'lɔʒa] subst. (Süd-Brasilien)

(bras. Port. „loja de sapatos“) Schuhgeschäft, Schuhladen.

sentachen [sɛntaçən] v. (Rio Grande do Sul)

(aus port. „sentar“ und dt. Verkl -chen.) [verniedlichend] Sitzen.
(Im Riograndenser Hundsrückisch hat sich die bras. Eigenheit des häufigen Gebrauchs der Verkleinerungssilben, angereichert mit port. Wendung, wie Liebchen, Schönchen durchgesetzt.)

Vergaffen s. (Süd-Brasilien)

( donauschwäbisch) (nach dem Volksglaube, während der Schwangerschaft) Darunter war das Versehen zu verstehen: Kinder bekamen ein bestimmtes Merkmal an ihre Körper, wenn die Mütter Gegenstände, Tiere oder Menschen, die ihnen einen Schrecken einjagten, ansahen. Wenn die Schwangere etwas intensiv wünschte, sich bei dem Denken an diesen Wunsch an einer bestimmten Körperstelle angriff, konnte dieses Gewünschte am Körper des Kindes später sichtbar sein.

Wald m. (Santa Catarina)

1. [elliptisch] Stück Wald. 2. Holz; Bäume. Wir haben tüchtig Wald geschlagen.

Wende f. (Santa Catarina)

(bras. Port. „venda“) Geschäft. Nach dem Botschen* gehen wir in die Wende, trinken Cachaça* und essen einen Churrasco*, und wenn gerade Domingueira* ist, tanzen wir.

[Bearbeiten] Literatur

  • Fausel, Erich: Die deutschbrasilianische Sprachmischung. Probleme, Vorgang und Wortbestand (Berlin, 1959)

[Bearbeiten] Weblinks

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