Kommerzialisierung
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Der Begriff Kommerzialisierung beschreibt einen Prozess, in dem wirtschaftliche Gesichtspunkte einen immer stärkeren Einfluss gegenüber ideellen Aspekten gewinnen. Kommerzialisierung tritt in verschiedenen Bereichen auf, in denen die Akteure ursprünglich aus einer vorwiegend ideellen Motivation heraus handelten.
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[Bearbeiten] Kommerzialisierung im Bereich des Sportes
- Am häufigsten wird im Zusammenhang mit dem Begriff „Kommerzialisierung“ die Welt des Sports genannt. Hier gibt es verschiedene Ebenen, auf denen Kommerzialisierung stattfindet.
- Die Motivation der Sportler zur Ausübung ihres Sports ist in fast allen Fällen zunächst ideeller Natur. Durch diese ideellen Motive ist das Verhalten der Sportler geprägt. Wenn Sportler erkennen, dass sich mit der Ausübung ihres Sportes auch Geld verdienen lässt verändert sich ihre Motivation und ihr Verhalten. Die Kommerzialisierung des Sports führt dazu, dass erfolgreiche Sportler auch die „Vermarktung“ ihrer Leistung ins Auge fassen und ihr Verhalten danach ausrichten. Dies beginnt bei einem finanziell motivierten Wechsel des Vereins (bis hin zum „Spielerhandel“), betrifft aber auch Verhaltensweisen der Sportler, die in erster Linie darauf gerichtet sind, Sponsoren zu finden oder sich für die Werbewirtschaft interessant zu machen. Das Ausmaß der Kommerzialisierung des Sports ist dabei in unterschiedlichen Sportarten sehr unterschiedlich. So sind insbesondere Sportarten wie Fußball, Boxen, Tennis, Formel-1 und Skisport stark kommerzialisiert. In vielen anderen Sportarten ist dieser Prozess weniger weit fortgeschritten. Das Ausmaß der Kommerzialisierung ist in den einzelnen Sportarten auch von Nation zu Nation unterschiedlich.
- Sportvereine sind in der Regel zunächst Zusammenschlüsse gleichgesinnter Sportler zur Förderung ihrer ideellen Interessen am Sport. Je erfolgreicher die Sportler eines Sportvereins sind, desto stärker wird aber auch die Notwendigkeit, finanzielle Mittel, zunächst zur Durchführung von Training und Veranstaltungen, dann aber auch zur finanziellen Unterstützung leistungsfähiger Sportler zu generieren. Große Sportvereine entwickeln sich damit zunehmend zu Wirtschaftsbetrieben, die auch nach den Prinzipien von Wirtschaft und Kommerz geführt werden. Der Gesichtspunkt der Vermarktung des Sports gewinnt in solchen Situationen zunehmend an Bedeutung. Die ursprünglichen ideellen Zielsetzungen der Vereinsgründer geraten hinter kommerziellen Überlegungen immer weiter ins Hintertreffen. In fortgeschrittenen Stadien der Kommerzialisierung werden Sportvereine als börsengehandelte Aktiengesellschaften geführt und Spieler vom Verein „ge- und verkauft“.
- Schließlich wird der Sport auch zum Objekt außenstehender kommerzieller Interessen. Dabei werden oft traditionelle in kommerzialisierte Namen gewandelt oder von Anfang an kommerzialisierte Namen gewählt (z.B. Namensänderung Westfalenstadion in Signal Iduna Park, Franken-Stadion in EasyCredit-Stadion, Allianzarena, Team Telekom). In solchen Situationen überwiegt das Marketinginteresse außenstehender Geldgeber gegenüber den Interessen der ursprünglichen Initiatoren.
[Bearbeiten] Kommerzialisierung im Bereich der Medien
- Ein weiterer Bereich deutlicher Kommerzialisierung sind die Medien.
- Hier hat insbesondere die Zulassung privater Rundfunk- und Fernsehanbieter zu einer Kommerzialisierung geführt. Öffentlich-rechtliche Sendeanstalten sehen sich in diesem Umfeld einem stärkeren Druck ausgesetzt, ihr Programm am „Massengeschmack“ auszurichten um möglichst hohe Einschaltquoten zu erreichen. Traditionelle Grundsätze journalistischer Arbeit haben sich unter solchen Einflüssen nicht immer gegen „Marketingüberlegungen“ durchsetzen können. Im Verlauf solcher Kommerzialisierungsprozesse verändert sich die ganze Medienlandschaft - auch mit Rückwirkungen beispielsweise auf die immer schneller voranschreitende Kommerzialisierung der populären Sportarten.
- Die Kommerzialisierung der Medien wirkt sich auch in einer immer stärkeren Durchdringung der eigentlichen Inhalte durch Werbebotschaften aus. So ist die gezielte Platzierung bestimmter Markenartikel in beliebten Sendungen des Fernsehens ein Anzeichen starker Kommerzialisierung dieses Bereiches. Einerseits sind die nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten geführten Sendeanstalten gehalten, ihre Produktionskosten so gering wie möglich zu halten. In solchen Situationen ist das Angebot der werbenden Wirtschaft, einen Teil der Produktionskosten zu übernehmen, wenn dafür das zu bewerbende Produkt unauffällig in der Sendung placiert wird, eine wirtschaftlich lukrative Option. Andererseits hat die Kommerzialisierung dieses Bereiches dazu geführt, dass zuvor als wichtig erachtete "journalistische Standards" eine geringere Gewichtung hinter wirtschaftlichen Überlegungen erhalten haben.
[Bearbeiten] Kommerzialisierung in sozialen und karitativen Bereichen
- Schließlich findet eine Kommerzialisierung auch im sozialen und karitativen Bereich statt. Hier gibt es verschiedene Ebenen, auf denen sich Kommerzialisierung ereignet.
- Viele soziale und karitative Tätigkeiten, die ehemals in Familien und ehrenamtlich erbracht wurden, werden heute durch hauptamtliche Kräfte erbracht. Diese hauptamtlichen Kräfte arbeiten im Rahmen von Organisationen, die wirtschaftlichen Prinzipien folgen müssen. Das führt einerseits dazu, dass der Verbrauch von Zeit eine völlig andere Bedeutung bekommt. Andererseits ist aber auch festzustellen, dass diese hauptamtlichen Kräfte oft eine bessere Ausbildung für die von ihnen zu erbringenden Leistungen haben. Insofern ist mit der Kommerzialisierung auch eine Professionalisierung verbunden. Ob dies für den Leistungsempfänger von Vor- oder Nachteil ist, kann nicht generell bewertet werden.
- Die Tatsache, dass soziale und karitative Tätigkeiten auch zu einer Erwerbsquelle geworden sind, führt dazu, dass die in diesem Gebiet tätigen Leistungsanbieter sich auch in Interessenverbänden zusammenschließen. Diese Interessenverbände betreiben natürlich auch eine öffentlichkeitswirksame Medienarbeit, die Erwartungen, Maßstäbe und Anspruchshaltungen der Bevölkerung - auch im Sinne der Leistungsanbieter - verändern.
- Schließlich haben sich auch die großen international tätigen Hilfsorganisationen zu Wirtschaftsbetrieben mit hauptamtlichen Kräften betrieben. Auch hier entwickeln die Organisationen ein „Eigeninteresse“ an kontinuierlicher „Auslastung“. Es liegt damit in Zeiten geringen Spendenaufkommens im organisatorischen Eigeninteresse der Hilfsorganisationen, mediale Aufmerksamkeit auf Katastrophen zu lenken, die bis dahin erst geringe Publizität erhalten haben. Auch hier kommt es zu einem Zusammenspiel der kommerziellen Interessen der Medien und der Interessen derartiger Hilfsorganisationen, einen kontinuierlichen Fluss von Hilfsgeldern sicherzustellen.
[Bearbeiten] Kommerzialisierung in sonstigen Bereichen
- In der Kunstszene spielen sich vergleichbare Kommerzialisierungsprozesse wie im Sport- und Medienbereich ab.
- Kommerzialisierung findet selbst im Bereich der „Bürgerbewegungen“ statt. So hat beispielsweise die Umweltorganisation Greenpeace inzwischen global weit über 1.000 hauptamtliche Mitarbeiter, die ihren Lebensunterhalt durch die Organisation des Protestes gegen Umweltschäden und deren Verursacher verdienen. Da diese hauptamtlichen Mitarbeiter auch ökonomisch von der öffentlichen Empörung über Umweltschädigungen abhängen, vermengen sich natürlicherweise ideelle und kommerzielle Motive der hauptamtlichen Mitarbeiter mit zunehmender Professionalisierung. Die Gestaltung des Protestes durch hauptamtliche Mitarbeiter wird unter solchen Umständen auch von Überlegungen darüber beeinflusst werden, welche Maßnahmen sich positiv auf das Spendenaufkommen (und damit auch auf die Sicherheit des eigenen Arbeitsplatzes) auswirken können. Auch hier wird die ursprünglich nur ideell begründete Bewegung zunehmend durch kommerzielle Überlegungen mitbeeinflusst werden.
- Von einer Kommerzialisierung der Natur kann eventuell gesprochen werden, wenn Firmen zunehmend Patente oder ähnliche Schutzrechte auf Pflanzen, Tiere und organische Substanzen, ja sogar auf Gene erwerben oder eintragen lassen können.