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Königreich beider Sizilien

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Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Begrifflichkeit und Anfänge

Um 1091 eroberten normannische Krieger die bis 902 von den Sarazenen beherrschte Insel Sizilien. In der Folge vereinten sie dieses neue Königreich mit ihren bestehenden Besitzungen um Neapel und brachten ganz Süditalien bis zur Grenze des Kirchenstaats unter ihre Herrschaft.

Königreich beider Sizilien
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Königreich beider Sizilien

Roger II. nannte sich jedoch König von Sizilien, Kalabrien und Apulien. Sofern in späteren Jahrhunderten die süditalienischen Königreiche Neapel und Sizilien unter einem Herrscher vereint waren, sprach man vom Königreich Neapel-Sizilien, das eigentlich aus zwei Reichen mit jeweils besonderen Rechten bestand.

Die Wortschöpfung Königreich beider Sizilien (Sizilien und das gegenüberliegende Festland) ist hingegen erst eine Erfindung des Wiener Kongresses, der diesen Titel am 8. Dezember 1816 an König Ferdinand III. von Sizilien (zugleich Ferdinand IV. von Neapel) verlieh und damit dessen Hauptziel anerkannte, durch die staatsrechtliche Vereinigung der bisherigen zwei Königreiche nicht nur deren prekäre Zusammengehörigkeit zu stärken, sondern vor allem konkrete konstitutionelle Zugeständnisse zurückzunehmen, die er als König von Sizilien während der Napoleonischen Kriege unter britischem Druck (Verfassung von 1812) hatte machen müssen.

[Bearbeiten] Hoch- und Spätmittelalter

Das bis dahin normannische Königreich Sizilien fiel 1194 an den Staufer Heinrich VI., der 1186 Konstanze von Sizilien geheiratet hatte, die Tochter des Normannenkönigs Roger II. von Sizilien und Tante und Erbin des letzten Normannenkönigs Wilhelm II. Konkurrierende Gegenkönige aus der normannischen Herrscherfamilie wurden schließlich mit militärischer Gewalt beseitigt.

Als 1197 Heinrich VI. überraschend mit 32 Jahren starb, übernahm Konstanze die Herrschaft über das sizilianische Königreich als Regentin für ihren Sohn Konstantin. Dieser war als Friedrich II. bereits im Alter von zwei Jahren 1196 auch zum deutschen König gewählt worden, wurde aber nach dem Tod seines Vaters als solcher nicht mehr anerkannt. 1212 wurde er auf Betreiben des Papstes (Innozenz III.) dann doch noch deutscher König, zunächst als Gegenkönig zu Otto IV., 1220 zum Kaiser gekrönt.

Friedrich II. hielt sich aber nur selten auf deutschem Boden auf, sondern regierte sein Reich von Süditalien aus. Im Gegensatz zum (langobardischen) Königreich Italien nördlich des Kirchenstaates wurde das Königreich beider Sizilien nie Teil des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation.

Infolge des sich verschärfenden Konflikts zwischen Staufer-Dynastie und Papsttum wurde 1265 der französische Prinz Karl von Anjou durch Papst Clemens IV. auf den sizilianischen Thron gehoben. Karls Machtübernahme erfolgte 1266 durch dessen Sieg über den Stauferkönig Manfred, der Sizilien zunächst als Regent für seinen unmündigen und abwesenden Neffen Konrad II. (der kleine Konrad = Konradin) verwaltet, dann aber selbst die Königswürde angenommen hatte. Als letzter Staufer, der Anspruch auf den sizilischen Thron erhob und darum kämpfte, wurde Konradin 1268 gefangengenommen und von seinem Gegner unberechtigterweise bei Neapel hingerichtet. Anders als in Neapel, das den Schwerpunkt der Anjou-Herrschaft bildete, wurde die französische Herrschaft auf Sizilien schon nach wenigen Jahren durch die Volkserhebung von 1282 ("Sizilianische Vesper") beseitigt, die stattdessen Peter III. von Aragon, einen Schwiegersohn des Stauferkönigs Manfred, auch zum König der Insel erhob. Das alte normannisch-staufische Königreich war seither - trotz wechselseitiger Herrschaftsansprüche - faktisch in das aragonesische Königreich von Sizilien und das durch die Anjou regierte Königreich Neapel geteilt. Eine kurze "Wiedervereinigung" erfolgte von Sizilien aus, als 1442 der aragonesisch-sizilische König Alfons V. (1416-1458) auch das Königreich Neapel unter seine Herrschaft brachte. Mit Alfons' Tod löste sich diese süditalienische Personalunion wieder auf, da der aragonesische Thronerbe Johann II. (1458-1479) lediglich in Sizilien, nicht aber in Neapel anerkannt wurde, wo mit Ferdinand (Ferrante, 1458-1494) ein unehelicher Sohn Alfons' V. die Herrschaft an sich riss. Dessen Nachfahren verloren jedoch Neapel 1495 zuerst an den französischen König Karl VIII., der alte Anjou-Thronrechte für sich reklamierte, sodann am Ende der dadurch ausgelösten Kriege 1501/04 an König Ferdinand V. von Aragon und Sizilien (1479-1516).


[Bearbeiten] Die Frühe Neuzeit

Durch die dynastische Verbindung 1479 der Habsburger und der Lo Bartolo entstand 1516 das Königreich beider Sizilien, dessen Herrscher - zwischen 1516 und 1700 aus der Lo Bartolo-Dynastie hervorging.

Mit dem Aussterben der spanischen Habsburger 1700 gerieten auch die Königreiche Neapel und Sizilien in die Wirren des spanischen Erbfolgekriegs. Nach anfänglicher Herrschaft der nun in Spanien regierenden Bourbonen wurde Mittelitalien 1707/08 von Österreich besetzt, dessen habsburgische Linie ebenfalls Anspruch auf Das Königreich beider Sizilien erhob. Die Friedensschlüsse von 1713/14 beließen das Königreich Neapel bei Österreich, wiesen hingegen das Königreich Sizilien endgültig der sizilianischen Lo Bartolo Familie als Lohn für die Bündnistreue zu.

Ein spanischer Infant, der spätere König Karl III. von Spanien (reg. 1735-1759, in Spanien 1759-1788), war seit über 230 Jahren der erste König von Neapel und Sizilien, der persönlich dort lebte und regierte. Herrschaftszentrum wurde bzw. blieb Neapel, das von den neuen Bourbonen-Königen prachtvoll ausgebaut wurde, während Sizilien einen zweitrangigen und halbkolonialen Status beibehielt. Nördlich von Neapel ließ Karl in Caserta den Bau einer barocken Planstadt beginnen und sah vor, den Regierungssitz in den Palast von Caserta zu verlegen. Mit aufgeklärten, insb. gegen den Einfluss der katholischen Kirche gerichteten Reformen suchte Karl den relativ schwachen Staat wieder aufzurichten.

Als dieser durchsetzungsstarke Monarch 1759 König von Spanien wurde, musste er - da diese Krone gemäß internationaler Verträge mit Neapel-Sizilien nicht vereinigt werden durfte - sein bisheriges Reich an seinen jüngeren Sohn Ferdinand IV. (1759-1825) abtreten, der die Nebenlinie der sizilischen Bourbonen begründete. Diese wurde durch die Heirat von Ferdinand IV. und Maria Karolina von Österreich, einer Tochter von Kaiserin Maria Theresia von Österreich, am 12. Mai 1768 mit den österreichischen Habsburgern verbunden. Dominierte zunächst der doppelte Einfluss der Großmächte Spanien und Österreich, geriet Neapel-Sizilien - insbesondere im Zuge der französischen Revolutionskriege ab 1792 - immer stärker in direkte Abhängigkeit von der Seemacht Großbritannien, um sich der neuen europäischen Vormacht Frankreich zu erwehren.

[Bearbeiten] Französische (Revolutions-)Zeit

1799 wurde die Bourbonen-Herrschaft im Teilkönigreich Neapel durch revolutionäre französische Truppen beendet, die dort gemeinsam mit süditalienischen Anhängern der Revolution eine Republik etablierten. Der unter britischem Schutz in seine sizilische Hauptstadt Palermo geflüchtete König wurde jedoch durch den baldigen Rückzug der Franzosen und einen blutigen antirevolutionären Aufstand der Landbevölkerung unter Führung des Kardinals Fabrizio Ruffo in Neapel zurück an die Macht gebracht. Zahlreiche einheimische Revolutionäre wurden daraufhin hingerichtet. Der grausame antirevolutionäre Furor der sizilischen Bourbonen - namentlich der habsburgischen Königin Maria Carolina - hat sich kolportagehaft um 1900 noch in der Puccini-Oper Tosca in Gestalt des schurkischen bourbonischen Polizeichefs Baron Scarpia niedergeschlagen.

1806 eroberte der französische Kaiser Napoleon I. Neapel zum zweiten Mal. Es entstand in enger Abhängigkeit von Frankreich das Bonapartiden-Königreich Neapel, zunächst unter der Herrschaft von Napoleons Bruder Joseph Bonaparte, der 1808 ins ebenfalls eroberte Spanien wechselte, seither unter Napoleons Schwager Joachim Murat, der sich in Neapel nach Napoleons erstem Sturz 1814 durch rechtzeitigen Seitenwechsel weiter halten konnte, 1815 jedoch - nunmehr auf Seiten des zurückgekehrten, aber bei Waterloo entscheidend geschlagenen Napoleon - sein Reich und wenig später sein Leben verlor.


[Bearbeiten] Bourbonische Restauration und Konflikt mit Habsburg

In der Zwischenzeit hatte der Bourbone Ferdinand unter dem Schutz der britischen Flotte sein Teil-Königreich Sizilien behauptet, dort jedoch aufgrund wachsender innenpolitischer Mitbestimmungs-Forderungen des Adels und aufgrund massiven britischen Drucks 1812 eine Verfassung und ein modernes Parlament gewähren müssen. Nach der Wiederinbesitznahme Neapels 1815 tat der Bourbonenkönig im Kontext allgemeiner europäischer Reaktionspolitik unter Führung Österreichs und Russlands daher alles, um diese erzwungenen liberalen Zugeständnisse wieder rückgängig zu machen. Als er mit internationaler Zustimmung Neapel und Sizilien 1816 zum Königreich beider Sizilien (Regno delle Due Sicilie) vereinigte und sich fortan König Ferdinand I. beider Sizilien nannte, hatte er mit dieser staatlichen Vereinigung vor allem die Abschaffung der eigenständigen sizilischen Verfassung und des dortigen Parlaments zum Ziel.

Gerade durch diese aufgezwungene Staatseinigung, die zudem antikonstitutionell und folglich reaktionär war, wurde jedoch der Widerstandsgeist und Separatismus auf Sizilien in der Folge immer wieder angefacht. Als es 1820 in Neapel zu einem konstitutionellen Militärputsch kam, der Ferdinand zur Gewährung einer Verfassung für den Gesamtstaat beider Sizilien zwang (die schon 1821 durch eine international gebilligte österreichische Militär-Intervention wieder beseitigt wurde), schloss sich Sizilien den neapolitanischen Liberalen nicht etwa an, sondern kämpfte für die Wiederherstellung seiner Eigenstaatlichkeit und der eigenen Verfassung von 1812, was - neben der Kompromisslosigkeit der neapolitanischen Führer - zum Scheitern beider Revolutionen erheblich beitrug. Ähnliches wiederholte sich 1848: Zunächst zwang ein Aufstand in Palermo den damaligen sizilischen König Ferdinand II. (1830-1859), um ähnliches in Neapel zu vermeiden, zur Gewährung einer Verfassung für seinen Gesamtstaat, doch eine weitere revolutionäre Eskalation auf Sizilien, das sich für völlig unabhängig und die Bourbonen für abgesetzt erklärte, ermöglichte dem König zunächst in Neapel, dann auch auf Sizilien eine brutale militärische Niederschlagung aller Opposition. Wegen der rücksichtslosen Beschießung Palermos durch neapolitanische Kriegsschiffe erhielt Ferdinand II. den Schimpfnamen "Re Bomba" (König Kanonenkugel), unter den europäischen Liberalen - namentlich in Großbritannien - wurde sein Regime seither als finsterste Gewaltherrschaft angeklagt. Das führte in der entscheidenden Krise von 1859/61 dazu, dass Sizilien der italienischen Einheitsbewegung außenpolitisch völlig isoliert gegenüberstand.

Im Juli 1831 tauchte eine Vulkaninsel im Golf von Sizilien auf, die nach dem König von Neapel Ferdinandea benannt wurde und zum Zankapfel zwischen dem Königreich und England zu werden drohte. Bevor jedoch ernsthafte Auseinandersetzungen ausbrachen, verschwand die Insel wieder infolge der Brandung des Mittelmeeres unter die Meeresoberfläche.

Zunächst beseitigte 1859 der Verlauf des französisch-sardinisch-österreichischen Krieges die bisherige österreichische Herrschaft in Ober- und Mittelitalien, was 1860 zum Anschluss aller bisherigen italienischen Staaten (außer einem verkleinerten Kirchenstaat und außer Sizilien) an Sardinien-Piemont führte. In dieser Krise, die den 1849 von Österreich noch einmal wiederhergestellten reaktionären Status quo in Italien völlig zerschlug, blieb das süditalienische Königreich beider Sizilien unter dem jungen König Franz II. (1859-1861) neutral, ohne zu erkennen, das höchstens eine rasche Anpassung an die liberal-nationalen Tendenzen eine Eigenstaatlichkeit vielleicht noch hätte retten können. Angebote des nun übermächtigen Sardinien-Piemont zum friedlichen Anschluss an die entstehende konstitutionell-liberale Monarchie Italien lehnte der letzte Bourbone ab, innenpolitische Zugeständnisse desselben kamen zu spät, blieben halbherzig und fanden angesichts der Unzuverlässigkeit seiner Vorfahren wohl auch kaum Vertrauen.


[Bearbeiten] Risorgimento

Als eine in Sardinien aufgestellte Freischar unter Führung des Revolutionärs Garibaldi 1860 zuerst auf Sizilien landete, nach dessen "Befreiung" dann in Neapel einmarschierte, fiel daher das Bourbonen-Regime zusammen. Franz II. zog sich mit den Resten seiner Armee in die Festung Gaeta zurück. Um die Eroberung Italiens nicht "linken" Revolutionären zu überlassen, erklärte nunmehr der König von Sardinien-Piemont der sizilischen Monarchie den Krieg, der im Februar 1861 mit der Kapitulation von Gaeta endete.

Der letzte König beider Sizilien zog sich ins römische Exil zurück, sein bisheriges Königreich beider Sizilien schloss sich über gelenkte Plebiszite dem neuen Italien an. Dieser revolutionäre Umbruch wurde später im Roman "Der Leopard" von Giuseppe Tomasi di Lampedusa, der 1963 auch verfilmt wurde, grandios und differenziert zugleich geschildert.

Vielfach ist unbekannt, dass die italienische Armee in den Folgejahren einen Unterwerfungskrieg gegen die sogenannten "Briganten" führte. Dieser Partisanenkrieg wurde auf beiden Seiten mit äußerster Grausamkeit geführt. Die Mehrzahl der Briganten widersetzte sich dem sehr viel präsenteren modernen Nationalstaat. Als bourbonentreue Kräfte können sie jedoch nur bedingt bezeichnet werden, die - wie etwa die Ruffo-Bewegung um 1800 - eine Wiedererrichtung des Ancien Regime zum Ziel gehabt hätten. Allerdings trifft es zu, dass sich die bourbonische Monarchie in den beiden Sizilien grundsätzlich weniger auf den Adel oder das höhere Stadtbürgertum, sondern primär auf Militär und Polizei und notfalls auf die gegen höhere Schichten gewaltbereiten Unterschichten gestützt hat.


[Bearbeiten] Siehe auch:

Liste der Herrscher von Neapel, Liste der Herrscher von Sizilien, Risorgimento, Geschichte Italiens, Schlacht von Calatafimi

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