Hygiene im Römischen Reich
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Dieser Artikel geht leider nur auf Latrinen ein, was den Titel nur zum Teil trifft. Es sollte auch auf die Thermen, die komplizierte Badeprozedur, Frischwasserleitungen, Hygiene im Alltag und ähnliches eingegangen werden. |
Hygiene spielte im Römischen Reich eine große Rolle. Angesichts großer Aquädukte, Thermen, der Kanalisation und Latrinen verwundert dies nicht. Vor allem unter Geschäftsleuten spielte sie eine große Rolle. Noch heute ist uns der Satz »ein (gutes) Geschäft machen« überliefert. Und der trifft den Kern, nach einem erfolgreichen Abschluss eines Geschäftes sind die Kaufleute gemeinsam auf die Latrine gegangen. Was damals ganz normal war, scheint heute unvorstellbar.
Inhaltsverzeichnis |
[Bearbeiten] Otium
Das otium ist die Zeit der Ruhe, die Zeit der geistigen und körperlichen Wiederherstellung, eine recht komplizierte Abfolge aus Reinigung, Bad und Massage. Das otium wurde begleitet oder gefolgt von Lesungen, musikalischen Vorträgen oder auch dem Vergnügen mit einer hübschen Sklavin. Die Reinigung fand ihren Abschluss im triclinium, einer ausgiebigen Mahlzeit mit Kollegen und Freunden. All dies stand unter dem Gebot des mens sana in corpore sano (ein gesunder Geist in einem gesunden Körper). Das nachmittägliche otium wurde mit einem gemeinsamen erleichternden Gang zur latrina, einer großen Gemeinschaftstoilette in den römischen Thermen, eingeleitet. Und da die Römer gemeinsam badeten, die vielfältigen Unterhaltungen genossen und anschließend zu Tische lagen, so saß man auch in Gesellschaft auf Toilette.
[Bearbeiten] Latrinen
[Bearbeiten] Ausstattung der Latrinen
In Rom gab es wahre Prachtlatrinen. Viele davon waren geschmückt mit Mosaikfußböden und Wänden aus Marmor oder mit aufwändigen Malereien. Hier saß die Mittelschicht entspannt beieinander und redete übers Geschäft und Alltag, anstatt nervös und eilig in eine dunkle Ecke zu urinieren. So verwundert es nicht, dass der Toilettengang und die Pflege der persönlichen Gesundheit für die Römer eine Einheit bildeten. Die bevorzugten Orte für diese gemeinsame Körperpflege waren in der Kaiserzeit die großen Thermenanlagen. Doch auch in Versammlungsräumen in den Gildenhäusern der Kaufleute befanden sich Gemeinschaftstoiletten. Daneben wurden auch die Latrinen als gewerbliche, öffentliche Einrichtungen betrieben.
Im Regionalverzeichnis Roms aus dem 4. Jahrhundert sind 144 latrinae und 253 necessariae, worunter auch Urinale zu verstehen sind, verzeichnet. Doch Rom bildet hier keine Ausnahme. Rund um das Mittelmeer gab es in vielen Städten reich geschmückte Großlatrinen, in denen bis zu 80 Personen Platz finden konnten. In Nordafrika und Großbritannien gibt es einige gut erhaltene. Die Latrinen waren immer auf dem neuesten technischen Stand. In Rom wurden sie permanent mit Überlaufwasser aus Thermen, Aquädukten und Brunnen gespült. Abwasserkanäle verliefen unter den marmornen oder hölzernen Toilettensitzen und spülten so Fäkalien in große Sammelkanäle oder gleich in den Tiber. In der Mitte des Raumes war eine weitere Wasserrinne eingelassen, welche Spritzwasser und Urin aufnahm. Der immer noch verbreiteten Vermutung, hier habe es sich um Frischwasser zum Eintauchen des xylospongiums (eines Stabes mit aufgesetztem Schwamm) gehandelt, muss wohl widersprochen werden.
- Aus der Latrine in den »Thermen der sieben Weisen« in Ostia sind noch drei Wandgemälde erhalten, welche in belehrender und ironischer Weise zugleich den gesundheitlichen Aspekt der römischen Bade- und Latrinenkultur unterstreichen. Die Wandgemälde zeigten ehemals sieben Gelehrte und Philosophen, die den auf der Toilette Sitzenden gute Ratschläge erteilen: So wusste der kluge Solon aus Athen, dass man sich den Bauch massieren müsse, um den Stuhlgang zu erleichtern (»… ut bene cacaret ventrem palpvit Solon …«). Sein Nachbar Thales von Milet mahnte, bei hartem Stuhl fest zu drücken (»… durum cacantes moniut ut nitant Thales…«). Und Chilon von Sparta befasste sich mit den unvermeidlichen Nebengeräuschen: »vissire tacite Cilon docuit subdolus« (»Leise zu furzen lehrte der listige Chilon«)
Nicht jedes römische Haus oder Stadt hatte eine Toilette mit Spülung oder Anschluss an die Kanalisation. In den einfachen Mietshäusern (insulae) stand meistens nur ein großer Kübel unter der Treppe. Andere Häuser hingegen hatten auch Einzeltoiletten auf hohem Standard. In Bulla Regia, einer Stadt in Tunesien, fand man bei Ausgrabungen in einem römischen Privathaus eine Toilette mit Doppelsitzen und Waschbecken. Neben den Großlatrinen war den Römern aber auch der im Mittelmeerraum und Frankreich bekannte Hockabort bekannt und in Gebrauch. In Alba Fucens in Mittelitalien an der Via dei Pilastri hat solch eine Latrine bis heute überdauert.
[Bearbeiten] Latrinen in der römischen Gesellschaft
Die gesellschaftlichen Schichten teilten sich auch beim Gang auf die Toilette. Der Plebs pinkelte in die Kanalisation oder an die nächste Häuserecke und die Mittelschicht saß sich in Prachtlatrinen gegenüber. Und der Kaiser? Wohin ging er, wenn er zu Fuß unterwegs war? Der Standesunterschied verbot den Gang auf eine allgemein zugängliche Toilette, egal wie prachtvoll diese ausgestattet war. Daneben gab es noch einen anderen, praktischeren Grund. Meistens waren Kaiser oder die senatorische Oberschicht in der Staatstoga unterwegs, deren Anlegung meistens eine Schar Sklaven benötigte. So war ein alleiniger Besuch einer Latrine völlig unmöglich. Trotz dessen liebte auch der Kaiser beim Gang auf die Latrine die Gesellschaft. Man blieb aber unter sich. Der Althistoriker Henry Thédenat identifizierte in der Domus Augustana auf dem Palatin ein noch bestehendes Bauwerk mit drei Nischen als kaiserliche Latrine. Daneben sind noch im Vatikan und im Louvre zwei Porphyrsessel aus dem konstantinschen Lateranpalast zu besichtigen, die als kaiserliche Latrinensitze gelten.
- Inschriften aus Pompeji lassen vermuten, dass besorgte Hausbewohner die Passanten ermunterten, doch bitte an das Nachbarhaus zu urinieren.
Wann die ersten Latrinen in Rom eingerichtet wurden, weiß man nicht genau. Vermutlich baute man die ersten in der Zeit der späten Republik. Einen Hinweis darauf gibt eine Baugruppe des Pompeiustheaters am Largo Argentina, dort ist eine Latrine zu erkennen. Aber auch Caesar hat sich auf dem nach ihm benannten Forum eine bauen lassen. Die meisten uns bekannten stammen aus dem 1. bis 4. Jahrhundert. Es erstaunt aber, dass anscheinend die Bedürfnisse der gesellschaftlichen Gruppierungen den Bau der Latrinen bestimmte und nicht der Bedarf der Volksmassen. So wurde der Bau von Latrinen meist privat finanziert, denn die Römer investierten nur Geld in Hygiene, wenn es einen messbaren Nutzen gab. Deswegen gibt es auch keine Latrinen in großen öffentlichen Gebäuden wie in den Amphitheatern und Kaiserforen; ja selbst im Kolosseum nicht!
[Bearbeiten] Latrinen in Militärkastellen
Im Gegensatz dazu gab es in den fernsten Ecken des Reiches in den Militärkastellen Latrinen. Den römischen Heerführern war der Zusammenhang zwischen Hygiene und Krankenstand, Seuchenprävention und Leistungsfähigkeit des Heeres sehr wohl bewusst. Zur Hygieneprävention gehörten neben Lazaretten, reichlich Frischwasser, Bäder und eben auch Latrinen. Die Latrinen und Bädern in den Kastellen standen denjenigen in den Mittelmeerstädten in nichts nach. Am besten erforscht und am aufschlussreichsten ist die Kastelllatrine von Vercovicium am Hadrianswall. Diese liegt am tiefsten Punkt des Kastells, so dass alle Abwässer zur Spülung genutzt werden konnten. Während des 2. bis 4. Jahrhunderts wurde sie immer wieder umgebaut und in der Wasserführung verbessert. Dabei wurde nachträglich eine Zisterne hinzugefügt, um jederzeit eine vom anfallenden Abwasser unabhängige Spülung zu gewährleisten. Die Fäkalien wurden mit dem Abwasser durch die Kastellmauer in den Graben geleitet. So entfiel die Anlage einer Sickergrube. Ähnliche Anlagen gab es auch in benachbarten Kastellen und kleinen Städten entlang dieser Militärgrenze.
[Bearbeiten] Hygiene in der römischen Religion
Daneben wussten die Römer die Hygiene nicht nur individuell zu schätzen. Vor den Stufen der Basilica Aemilia auf dem Forum Romanum befindet sich ein Steinring von knapp zwei Metern Durchmesser, der wie ein zu großer Kanaldeckel aussieht. Es ist auch einer, aber gleichzeitig auch ein Altar für die Schutzgöttin Venus cloacina. Es ist ein alter Einstieg zur Cloaca Maxima, dem zentralen Entwässerungskanal des antiken Roms. Göttliche Verehrung also für die geordnete Abführung von Schmutz und Fäkalien.
Zum Schluss sei erwähnt, dass die Römer mit ihrer Technik der Latrinen und Abwasserführung ein hygienisches Niveau erreichten, welches abgesehen von mittelalterlichen Klöstern, in Europa erst wieder im 16. Jahrhundert mit der Einführung des wassergespülten Klosetts in England erreicht wurde. Der Vorläufer unserer modernen mit Geruchssperre versehenen Toilette wurde erst 1775 erfunden. Ebenso bezeichnend ist es, dass man sich an der Entsorgung antiker Großbauten orientierte, als man 1842 in London damit begann, eine Schwemmkanalisation einzurichten.
[Bearbeiten] Literatur
- Richard Neudecker: Die Pracht der Latrine - Zum Wandel öffentlicher Bedürfnisanstalten in der kaiserzeitlichen Stadt. München, 1994