Helmut Schinagl
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Helmut Schinagl (* 24. Jänner 1931 in Innsbruck; † 1998 in Imst), österreichischer Autor
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[Bearbeiten] Leben
aufgewachsen in Kitzbühel, 1949 Matura in Kufstein, 1954 Dr. phil. an der Universität Innsbruck, unterrichtete von 1957 bis 1991 als Fachlehrer an einer kaufmännischen Schule in Imst. Nebenher als Musiker (Klavier, Orgel, Musiktheorie) tätig, er war Mitglied des Turmbundes, des Österreichischen Schriftstellerverbandes und des Österreichischen PEN-Clubs. Träger des Literaturpreises des Österr. College an der Universität Innsbruck, des Kunstförderungspreises der Stadt Innsbruck, des Österr. Staatspreises für Jungendliteratur, des Preises der Stadt Wien, des Theodor-Körner Preises, des Preises der Dr.-Ernst-Koref-Stiftung Linz und des Leserpreises der Gesellschaft der Freunde deutschsprachiger Lyrik.
[Bearbeiten] Werkbeschreibung
Vorwiegend heiter, 1995 Die vierzehn Erzählungen sind so absurd und schräg angelegt, dass eigentlich der eine oder andere Lacher entstehen müsste. Aber wie bei der Gartenarbeit kann eine allgemeine Schlechtwetterfront das beste Beet vernichten. Für die Lach-Ernte ausgestreut sind etwa folgende Begebenheiten: Die tschechische Konterrevolution findet aus Versehen in Österreich statt, Benzin- und andere Unkosten werden jedoch anstandslos von Prag nach Wien überwiesen, selbst als der Irrtum auffliegt. - Ein Beamter wartet seine zweijährigen Karrieresprünge tapfer ab, indem er in einem Gemälde mit ruhiger See allerhand Fische fängt. - Jemandem geschieht es durch einen biologischen Schaltfehler, dass sein Urin zu Diesel extraleicht mutiert. Obwohl sich mit dem urinösen Treibstoff allerhand Geschäfte machen ließen, bleiben doch die Umweltschutzauflagen ein Hindernis. An wahnsinnigen Einfällen mangelt es Schinagl beileibe nicht. Freilich wird in manchen Texten die Pointe so ausgewalzt, als müsste damit eine lachende Madonna vergoldet werden. Auch bringt die Methode, den Helden blöde Namen zu geben, nicht gerade das große Gelächter hervor.
Onkel Silvester und die Lügenbarone, 1995 Der gute Witz besteht darin, dass zwischen dem, was passieren könnte, und dem, was tatsächlich passiert, kein Unterschied ist. Ein König kann also ein König sein oder ein mieser Hund, im Witz ist beides möglich. HelmutSchinagl geht nun ohne Waffe auf Witzjagd. Er versucht, Witz-Elche mit bloßen Händen zu fangen oder mit Schrot Kaulquappen zu erlegen. Man kann sich seine Verwandtschaft nicht aussuchen, heißt es sinnigerweise, daher ist auch die Verwandtschaft rund um einen imaginären Erzähler ziemlich verblödet. Silvester ist ein Spinner der einfachen Sorte: Er hat keinen Tiefgang, dafür aber ein Auto mit Tiefgang. „Die Lügenbarone sind zwölf Herren. Sie treffen sich jeden Monat einmal bei mir, und ich betrachte das als große Ehre. Die Herren erzählen einander die unglaublichsten Lügengeschichten. Und heute ist ein besonders wichtiger Tag für sie. Sie wählen einen neuen Lügenkönig.“ (15) Nicht nur, dass der Witz, wie bei Schinagl üblich, äußerst männlich ist, er ist über weite Strecken gar keiner. Die Lügenbarone erzählen in der Folge einen Scheiß zusammen, den man nicht einmal einem Dreijährigen zumuten möchte. Professor Sonnenkraut und Herr Breitfuß, Neffe Serafin und Lippensturz, Goschenstil und Händekusch liefern sich nun Rededuelle, die an ein Valium höherer Dosierung herankommen. Warum die Barone Goschenhalten und Federwegschmeiß sowie Graf Tippverbot nicht auftauchen, ist wahrscheinlich der einzige Witz in diesem Witzbuch.
Aus lichtloser Tiefe, 1995 Schon am Umschlag wird gewarnt: Die alten und neuen Psalmen Helmut Schinagls knüpfen nur teilweise an die Stimmung des Alten Testaments an, sie behandeln auch profane Themen. Das ist leider wahr. Nicht umsonst heißt in theologischen Witzen der Verfasser von Psalmen Psalmist, wobei die Betonung auf Mist liegt. Am interessantesten sind noch die Vertonungen der Psalmen Davids. Es ist dabei durchaus reizvoll, den alten Singsang mit Themen und Motiven aus der Gegenwart aufzufüllen. Gebete und Meditationen leben ja davon, dass Urweisheiten mit dem Alltag in Verbindung gebracht werden. Wenn aber der Herr durch die Galaxien saust, ein Sünder einen suizidalen Brückensprung hinlegt, dann wird es doch leicht kitschig für das hohe Gemüt. fast ins Lachen kommt man, wenn die Vögel wieder einmal im schwarzen Glockenstuhl nisten, um die versprenghten Gläubigen anzulocken. Schinagl dürfte auch Indianer-Philosophie studiert haben, wenn er meint: „Mein Herz ist tot. / Begrabt es unter dem Glockenbaum / ...“ (59). Also unsereins hört da immer den alten Indianer, der sein Herz an der Biegung des Flusses begraben will. Freilich sind auch interessante und passable Psalmteile dabei: „Ich wohne im Eigentum meiner Jahre. / Gefangen bin ich vom Atem der Zeit, von Verträgen, / ...“.(19)
Der Fuchs. Kriminalerzählung, 1994 Ein Ehepaar geht sich schon seit Jahrzehnten auf die Nerven. Nirgendwo kann ein Kriminalfall sinnvoller spielen als im Ehemilieu. Er grantelt jeden Tag in einer anderen Form, und sie begegnet dem Grant mit unheimlichen Wortneuschöpfungen oder großem Schweigen. Höhepunkt eines jeden Tages ist die Verabreichung von Insulinspritzen. Da der Gemahl zu faul und zu grantig ist, um sich diese Insulinschüsse selbst zu setzen, muss jeweils die Gemahlin herhalten: Diese setzt die Spritzen freilich mit Genuss. Als sich die Situation immer mehr zuspitzt (zuspritzt), bringt ein tollwütiger Fuchs, der sich in den Garten geschlichen hat, um darin in Würde und mit Schaum vorm Mund zu verenden, die Frau auf die rettende Idee. Während der Mann wieder einmal nach seiner Spritze schreit und die Welt verflucht, zieht die Frau etwas Todesspeichel vom Maul des toten Fuchses auf, füllt den Rest mit Insulin und spritzt dem Mann eine Dosis, die ihm unvergessen sein wird. Helmut Schinagl führt den Fall gnadenlos zu Ende, beim Leser entwickelt sich eine Gänsehaut, die direkt in Akne übergeht.
Flucht im kalten Feuer, 1993 Ein Fremder kommt nach Tirol, alles, was eine Öffnung hat, stinkt, die Flüsse sind ein gigantisches Kloakensystem, überall hängt Rauch und Dreck in der Luft. - Auf den ersten Blick meint man, Schinagls neuer Roman spiele in der Gegenwart. Aber der Fremde, der so ungstüm ins Drecksland kommt, ist ein schinagelsches Geburtstagskind, nämlich der Arzt und Theologe Paracelsus. Paracelsus hat in Tirol nichts anderes im Sinn, als die Krankheit der Bergleute zu erforschen. Zu diesem Zweck braucht er eine Leiche, die aber gar nicht so leicht zu beschaffen ist. In einer Nacht- und Nebelaktion gelingt es Paracelsus schließlich, unter dem Vorwand, Krankheiten zu erforschen und besiegen, eine heiße Leiche zu zersabeln. Neben diesen abenteuerlichen Heilkünsten erfahren wir auch noch einiges über die Bergwerkskunst und über die Stadt Schwaz, die um die Zeit des Paracelsus nach Wien die zweitgrößte Ansiedlung des Habsburgerreichs gewesen ist.
Mozart in Tirol, 1990 Erfolgsorientierte Schriftsteller basteln ihre Bücher nicht nach dem inneren Drängen zusammen sondern nach den äußerlichen Jubiläen. Dass so ein inniger Schriftsteller wie Schinagl auf so Äußerlichkeiten wie das Mozartjahr hereinfällt, ist höchst unterhaltsam. Nicht erst seit heute gilt Tirol als das schönste Durchzugsland Europas. Kein Mensch mit Hirn denkt in Wirklichkeit daran, Tirol zu besuchen. Tirol ist in Wirklichkeit eine lästige Schleuse, die man auf dem Weg nach Italien bewältigen muss. So ist es 1769 auch Mozart ergangen: Auf dem Weg nach Italien musste der arme Kerl ein paar Tage in Tirol verweilen. Aus diesem läppischen Anlass macht Schinagl kraft seiner erzähltechnischen Zauberkiste eine Erzählung. Der Sohn des damaligen Stadtpfarrorganisten erinnert sich nach dem Tode Mozarts, wie gut der Mozart schon mit vierzehn Jahren Orgel gespielt hat. Selbstverständlich prüft man auch in Tirol das Genie, es soll ein frisch komponiertes Stück vom Blatt spielen, und siehe, es kann! Am Abend kommt es schließlich zu einem Höhepunkt. Die beiden musik- aber offensichtlich nicht geschlechtsreifen Knaben schleichen sich in die Kirche, der Erzähler muss den Blasebalg treten, der Mozart spielt zur höheren Ehre Gottes stegreif oder ex kathedra, was bei Schinagl immer das gleiche ist. Die Erzählung ist eine sehr keusche Tyrolensie, pünktlich zum Mozartjahr erschienen.
[Bearbeiten] Werke
- Das Landschaftserlebnis bei Josef Leitgeb. Dissertation, Innsbruck 1954
- Die Jungfrau und das Tier. Novelle, Imst 1958
- Höllenmaschinen schreien nicht Mama. Sureatesken, München 1966
- Die dunklen Flöten des Herbstes. Der Lebensroman des Dichters Georg Trakl, Graz 1971
- Neues vom Grafen D.. Heitere Gruselgeschichten, Innsbruck 1974
- Plüsch Barock und Milchrahmstrudel. Österreich wie es leibt und lebt, Innsbruck 1976
- Die Älpler und ihre Lustbarkeiten, Innsbruck 1977
- Kardiogramme der Angst. Gedichte, Innsbruck 1977
- Berenice oder die Möbiusschleife. Roman, München 1982
- Der Tag des Hurrikan. Novelle, Innsbruck 1986
- Die Ferien des Journalisten B.. Roman, München 1987
- Der Affe war an allem schuld. Heiterer Roman, Thaur 1988
- Mozart in Tirol. Erzählung, Innsbruck 1990
- Flucht in kaltem Feuer. Ein Paracelsus-Roman, Innsbruck 1993
- Onkel Silvester und die Lügenbarone. 13 wahre Lügengeschichten, Schwaz 1995
- Vorwiegend heiter. Lachpartituren, Innsbruck 1995
- Aus lichtloser Tiefe. Alte und neue Psalmen, Innsbruck 1995
- Die Verteidigung des linken Schächers. Erzählungen, (posthum) Innsbruck 1999
[Bearbeiten] Literatur
- Helmuth Schönauer: Essig und Oel. Materialien zur Tiroler Gegenwartsliteratur, Innsbruck 1988 ISBN 3-900862-06-0
- Helmuth Schönauer: Rotz und Wasser. Materialien zur Tiroler Gegenwartsliteratur 1988-1999, Innsbruck 1999 ISBN 3-7066-2195-9
Personendaten | |
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NAME | Schinagl, Helmut |
KURZBESCHREIBUNG | österreichischer Autor |
GEBURTSDATUM | 24. Jänner 1931 |
GEBURTSORT | Innsbruck |
STERBEDATUM | 1998 |
STERBEORT | Imst |