Galiziendeutsche
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Galiziendeutsche ist die Bezeichnung für die deutschen Einwanderer, die im 18. Jahrhundert nach Galizien eingewandert sind und 1940 infolge des Hitler-Stalin-Paktes zwangsumgesiedelt wurden.
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[Bearbeiten] Geschichte
Die Geschichte der Galiziendeutschen begann damit, dass Polen zwischen 1772 und 1795 dreimal geteilt wurde. Als der polnische König Stanislaw II. im Jahre 1768 Reformen in seinem Land durchführen wollte, um den Einfluss Russlands zurückzudrängen, kam es zum Bürgerkrieg in Polen. Die Reformgegner wurden von Russland und Preußen unterstützt und diese Hilfe zur Beilegung des Konfliktes ließen sich die Großmächte durch Abtretung von polnischem Staatsgebiet bezahlen.
In den Petersburger Verträgen von 1772 teilten Russland, Preußen und Österreich ein Drittel des polnischen Staatsgebietes unter sich auf. 1792 und 1795 gab es noch zwei Teilungen, in denen auch das restliche Polen aufgeteilt wurde.
Von 1772 bis 1918 gehörte das Königreich Galizien und Lodomerien zur K.u.K-Monarchie Österreich-Ungarn. Der westliche Teil von Galizien mit der Hauptstadt Krakau gehört heute zu Polen. Ostgalizien mit der Hauptstadt Lemberg liegt heute in der Westukraine. Lemberg heißt heute Lwiw (polnisch Lwów, russisch Lwow).
Maria Theresia hat gleich nach der ersten Teilung Polens - etwa um 1774 - in Lemberg die ersten Handwerker aus Deutschland ansiedeln lassen. Nach dem Tode der Kaiserin im Jahre 1780 begann unter Kaiser Josef II. die eigentliche Kolonisation des Landes.
Mit dem Ansiedlungspatent von 1781 wurden die Bedingungen für die Ansiedlung von Bauern und Handwerkern aus Deutschland festgelegt. Das betraf vor Allem die Zuteilung des Bodens und die Gewährung einer mehrjährigen Steuerfreiheit.
Das sogenannte Toleranzpatent Josefs II. von 1781 ermöglichte erstmals die Ansiedlung von Andersgläubigen in dem katholischen Österreich. Daraus erklärt sich der hohe Anteil der evangelischen Christen unter den Ansiedlern in Galizien.
Die Werber des Kaisers konzentrierten ihre Bemühungen besonders auf die Pfalz und das Saarland, denn dies war eine Gegend in Deutschland, die durch häufige Kriege mit dem Nachbarn Frankreich besonders verarmt war. Auf diese Weise ist zu erklären, dass die meisten der zwischen 1782 und 1785 in Galizien eingewanderten Bauern und Handwerker die pfälzische Mundart sprachen. Diejenigen Ansiedler, die aus anderen Teilen Deutschlands kamen, bildeten in der neuen Heimat eine Minderheit und sie konnten sich in den nachfolgenden Generationen mit Ihrer Mundart nicht durchsetzen.
Die meisten Pfälzer zogen zunächst rheinaufwärts bis Speyer und dann zwischen Schwarzwald und Odenwald hindurch bis nach Ulm. Von Ulm aus fuhr man auf der Donau in den sogenannten Ulmer Schachteln bis nach Wien. Die Ulmer Schachteln waren ganz billig hergestellte Boote, die nur in einer Richtung donauabwärts fuhren, denn sie wurden am Ende Ihrer Reise als Brennholz verkauft.
Von Wien aus ging die Reise auf dem Landwege weiter. Man zog mit Pferdewagen in größeren Gruppen über Brünn, Olmütz, Mährisch-Neustadt, Bielsko-Biala bis nach Krakau und von dort weiter in die Bestimmungsorte.
Aus den Ansiedlungslisten der österreichischen Behörden geht hervor, dass in den Jahren 1782 bis 1785 3216 Familien mit 14669 Personen nach Galizien zogen. Die Einrichtung der Höfe für die Ansiedler konnte mit diesem Ansturm nicht Schritt halten, so dass ab 1785 die Zahl der Aussiedler beschränkt wurde, denn die in Lagern auf Ihre Ansiedlung wartenden Menschen mussten erst auf die Höfe verteilt werden. Dieses dauerte bis 1789 und länger. Aber schon 1790 starb Kaiser Josef II. und damit endete die sogenannte josefinische Einwanderung. Eine zweite Einwanderungswelle unter Kaiser Franz führte weit weniger Menschen nach Galizien. Nach 1810 gab es noch eine Einwanderungswelle kleineren Ausmaßes aus dem katholischen Egerland, wodurch unter Anderem die Orte Machliniec, Mariahilf und Felizienthal entstanden sind.
In Galizien gab es bis 1939 mehrere Bevölkerungsgruppen. Das waren vor allem die Ukrainer und die Polen. Aber auch Juden, Deutsche und Armenier lebten dort, wobei allerdings jede Volksgruppe sich von der anderen auch abgrenzte und ihre eigene Kultur pflegte.
Nach dem Ersten Weltkrieg wurde Galizien polnisches Staatsgebiet.
Im Hitler-Stalin-Pakt von 1939 war die Umsiedlung der Deutschen aus den von der Sowjetunion beanspruchten Gebieten geregelt. Die meisten Galiziendeutschen wurden 1940 im Gebiet um Lódz angesiedelt. Mit der Flucht 1945 wurden sie dann über ganz Deutschland verstreut.
[Bearbeiten] Sprache
Überwiegend sprachen die Galiziendeutsche pfälzische und schwäbische Dialekte. Die galiziendeutschen Dialekte wurden erfasst und beschrieben im Pfälzischen Wörterbuch.
[Bearbeiten] Literatur
- Julius Krämer: Unser Sprachschatz. Wörterbuch der galizischen Pfälzer und Schwaben. Verl. d. Hilfskomitees der Galiziendeutschen, Stuttgart-Bad Cannstatt 1979
- Pfälzisches Wörterbuch
[Bearbeiten] Literatur über Galizien
- Müller, Sepp, Schrifttum über Galizien und sein Deutschtum (Marburg 1962)
- Mrowka, H., Archivwesen und Archive in Polen nach 1945, (Marburg 1983)
- Gedenkbuch zur Erinnerung an die Einwanderung der Deutschen in Galizien vor 150 Jahren (1781-1931) (Posen 1931).
- Bachmann, P., Mennoniten in Kleinpolen (Galizien), (Lemberg 1934)
- Kaindel, R.F., Die Deutschen in Galizien und in der Bukowina (Frankfurt a.M. 1916)
- Kaindel, R.F., Die Deutschen in Polen und Galizien (Prag 1917)
- Lattermann, A., Einführung in die deutsche Sippenforschung in Polen und dem preußischen Osten (Posen 1938; Vaihingen/Enz 1985)
- Lattermann, A., Deutsche Monatshefte in Polen (Posen 1932-1939)
- Brawer, A.J., Galizien, wie es an Österreich kam, Eine historisch-statistische Studie über die inneren Verhältnisse des Landes im Jahre 1772 (Leipzig/Wien 1910, Berlin 1990)
- Rohrer, Joseph, Bemerkungen auf einer Reise von der türkischen Grenze über die Bukowina durch Ost- und Westgalizien, Schlesien und Mähren nach Wien (Wien 1804, Berlin 1989)
- Bredetzky, Samuel, Reisebemerkungen über Ungarn und Galizien 2 Bände (Wien 1809, Berlin 1990)
- Stupnicki, Hipolit, Das Königreich Galizien und Lodomerien sammt dem Grossherzogthume Krakau und dem Herzogthume Bukowina in geographisch- historisch-statistischer Beziehung (Lemberg 1853, Berlin 1989)
- Seefeldt, Fritz, Quellenbuch zur deutschen Ansiedlung in Galizien unter Kaiser Joseph II. (Plauen 1935, Berlin 1990)