Edgar Hilsenrath
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Edgar Hilsenrath (* 2. April 1926 in Leipzig) ist ein deutscher Schriftsteller.
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[Bearbeiten] Leben
Edgar Hilsenrath wird 1926 als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Vor der "Reichspogromnacht" Anfang November 1938 fliehen er, seine Mutter und sein jüngerer Bruder zu den Großeltern nach Sereth in der Bukowina, (Rumänien). Der Vater sollte ursprünglich nachkommen, was jedoch durch den Kriegsausbruch unmöglich wird. Er gelangt nach Frankreich, wo er den Krieg überlebt. 1941 werden Edgar Hilsenrath, sein Bruder und seine Mutter, sowie all seine Freunde und Verwandten aus Sereth in das rumänische Ghetto Mogilev-Podolsk auf dem Gebiet der heutigen Ukraine deportiert. Als das Ghetto 1943 von russischen Truppen befreit wird, wandert er zu Fuß zurück nach Sereth und von dort weiter nach Czernowitz. Über die Organisation Ben Gurion gelangt Hilsenrath zusammen mit weiteren jüdischen Überlebenden und mit fremden Pässen nach Palästina. Sowohl auf seinem Weg dorthin als auch in Palästina selbst gerät er mehrmals in Gefangenschaft, kommt jedoch jedes Mal nach kurzer Zeit wieder frei. In Palästina lebt er als Gelegenheitsarbeiter, wird jedoch nicht heimisch und beschließt, 1947 zu seiner mittlerweile wiedervereinten Familie nach Frankreich zu fahren. In den frühen fünfziger Jahren emigriert die ganze Familie nach New York. Hier bestreitet Edgar Hilsenrath durch Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt, zeitgleich schreibt er seinen ersten Roman Nacht. Dieser Roman hat bei seiner Erstveröffentlichung zunächst erhebliche Schwierigkeiten, da die Verlagsleitung ihn aus persönlichen Ressentiments kurz nach Erscheinen wieder zurückzieht (siehe den Hinweis auf den Verriss durch Raddatz unter "Werke"). Der folgende Roman Der Nazi und der Frisör, der Hilsenrath einen ersten schriftstellerischen Durchbruch sowohl in Deutschland als auch weltweit verschafft, entsteht während eines längeren Aufenthaltes in München. 1975 kehrt Edgar Hilsenrath zurück nach Deutschland, wo er seither in Berlin lebt.
Seit seinem Erstlingswerk Nacht, in dem er seine Erfahrungen als Überlebender des Ghettos auf grausam realistische Art und Weise schildert, umkreist er thematisch den Holocaust und schreibt in seinem Gesamtwerk gegen das Vergessen an. Über seinen Roman Der Nazi & der Frisör schrieb Der Spiegel: "...eine Satire über Juden und SS. Ein Schelmenroman, grotesk, bizarr und zuweilen von grausamer Lakonik, berichtet von dunkler Zeit mit schwarzem Witz." Das Buch erschien in Deutschland erst nach dem Erfolg der englischen Übersetzung in den USA. In vielen Werken Hilsenraths finden sich eindeutig autobiographische Züge wieder, die jedoch häufig fließend in Fiktion übergehen. Der wohl am wenigsten fiktionalisierte autobiographische Roman sind die 1997 veröffentlichten Abenteuer des Ruben Jablonski.
Hilsenraths Werke wurden in achtzehn Sprachen übersetzt und sind weltweit über fünf Millionen mal verkauft worden. In Deutschland sind die meisten seiner Werke im Piper Verlag erschienen, dieser gab jedoch 2003 die Rechte an den Autor zurück. Inzwischen erscheint eine Werkausgabe im Kölner Dittrich-Verlag.
[Bearbeiten] Werke
- Nacht München 1964 (Neuausgabe 2004, ISBN 3-89086-679-4)
Zwei Rezensionen in: Fischer-Almanach der Literaturkritik 1978/79, von Ingeborg Drewitz (aus: Tagesspiegel, Tendenz: positiv) und Fritz J. Raddatz (aus: Die Zeit, Tendenz: äußerst negativ) ISBN 3596264502
- Der Nazi & der Frisör Köln, 1977, Neuauflage dtv 2006
- Gib acht, Genosse Mandelbaum München/Wien 1979 (Neuausgabe als Moskauer Orgasmus München, 1992)
- Bronskys Geständnis München, 1980 (Neuausgabe als Fuck America, Band 4 der Gesammelten Werke, Köln 2003, ISBN 3920862481)
- Zibulsky oder Antenne im Bauch Düsseldorf 1983
- Das Märchen vom letzten Gedanken München, 1989 (über den Völkermord an den Armeniern) Bislang wurde dieser Roman in elf Sprachen übersetzt (siehe unten)
- Jossel Wassermanns Heimkehr 1993
- Die Abenteuer des Ruben Jablonski München, 1997
- Berlin ... Endstation, Berlin 2006 (Rezension)
[Bearbeiten] Lesungen u.ä.
- Fest des jüdischen Buches, März 2006, Jüd. Gemeindehaus, Duisburg (aus: Nacht)[1]
- Feier zu Ehren des 80. Geb. des Schriftstellers, 9. April 2006, Rathaus Schöneberg.
- alle aktuellen Hilsenrath-Lesungen auf der Homepage des Dittrich Verlags: www.dittrich-verlag.de
[Bearbeiten] Literatur
chronologisch geordnet
- Möller, Susann: Wo die Opfer zu Tätern werden, machen sich die Täter zu Opfern : die Rezeption der beiden ersten Romane Edgar Hilsenraths in Deutschland und den USA, 1991
- Claudia Brecheisen: Literatur des Holocaust : Identität und Judentum bei Jakov Lind, Edgar Hilsenrath und Jurek Becker, 1993
- Thomas Kraft: Edgar Hilsenrath. Das Unerzählbare erzählen, München, 1996
- Taylor, Jennifer L.: Writing as revenge : Jewish German identity in post-Holocaust German literary works ; reading survivor authors Jurek Becker, Edgar Hilsenrath and Ruth Klüger, 1998
- Stephan Braese Die andere Erinnerung. Jüdische Autoren in der westdeutschen Nachkriegsliteratur Berlin, Wien: Philo, 2001 (zugleich. Habil.-Schrift) ISBN 386572227x (H. ist einer der drei Autoren, die als Schwerpunkt dargestellt werden)
- Jennifer Bjornstad: Functions of humor in German Holocaust literature : Edgar Hilsenrath, Günter Grass, and Jurek Becker, ISBN 0-493-23274-5
- Alexandra Heberger: Faschismuskritik und Deutschlandbild in den Romanen von Irmgard Keun 'Nach Mitternacht' und Edgar Hilsenrath 'Der Nazi und der Friseur' : ein Vergleich, 2002
- Helmut Braun, Verliebt in die deutsche Sprache. Die Odyssee des Edgar Hilsenrath., Dittrich-Verlag, Berlin 2005 , ISBN 3-937717-17-X
- Martin A. Hainz: FUCK, z.B.: FUCK AMERICA In: Verliebt in die deutsche Sprache. Die Odyssee des Edgar Hilsenrath hrsg.v. Helmut Braun, Berlin: Dittrich Verlag, Akademie der Künste 2005, S.69-76
- Helmut Braun: Ich bin nicht Ranek Dittrich Verlag, Berlin 2006 (Rezension)
- Susanna Amirkhanyan: Ja chotel naruschit' molchanije. Jerewan 2006, (Russisch) ISBN 99941-1-194-9
[Bearbeiten] Auszeichnungen
- Alfred-Döblin-Preis, 1989 (für Das Märchen vom letzten Gedanken)
- Jakob-Wassermann-Literaturpreis, 1996
- Heinz Galinski-Preis, 1992
- Hans-Sahl-Preis, 1998
- Lion-Feuchtwanger-Preis, 2004
- Preis des Präsidenten der Republik Armenien, 2006
[Bearbeiten] Übersetzungen
Armenisch
- Verjin mtk'i hek'iat'e : vep, 1993, 1994 und 1996
Dänisch
- Nazisten & frisøren, 1980
Englisch
- Night. A novel, 1966
- The Nazi and the Barber, a Tale of Vengeance, 1971 + 1975, ISBN 0-491-01804-5,
auch unter dem Titel The Nazi Who Lived As a Jew, ISBN 0-532-19145-5
- The story of the last thought, 1990, ISBN 0-349-10253-8 + ISBN 0-356-19515-5
Französisch
- Le nazi et le barbier, 1974
- (Le) conte de la pensée dernière, 1992, 2005
- Le Retour au pays de jossel wassermann, 1995, ISBN 2-226-07970-X
Griechisch
- To paramythi t¯es teleutaias skeps¯es, 1992
Italienisch
- La fiaba dell'ultimo pensiero, 1991
- Jossel Wassermann torna a casa, 1997
- Il nazista & il barbiere, 2006, ISBN 8-871-68432-X
Lettisch
- Maskavas orgasms, 1994, ISBN 5-86574-112-8
Litauisch
- Maskvos orgazmas, 1994
- Pasaka apie paskutin¸e mint¸i, 1995, ISBN 9986-430-32-1
Niederländisch
- Het sprookje van de laatste gedachte, 1991
Polnisch
- Nazista i fryzjer, 1994
- Baśń o mysli ostatniej, 2005
Russisch
- Predsmertnaja skazka, 2000
Schwedisch
- Nazisten & frisören, 1979, ISBN 91-7458-238-0
Serbokroatisch
- No´c, 1982
Slowenisch
- Noc, 1983
Spanisch
- El Nazi y El Peluquero, 2004
Tschechisch
- Nácek & holic, 1997
- Pohádka o poslední myslence : historický román z Kavkazu, 2004
Türkisch
- Son dü¸süncenin masali, 1999, ISBN 975-8054-47-3
Ungarisch
- A náci és a fodrász, 1998
[Bearbeiten] Weblinks
- Literatur von und über Edgar Hilsenrath im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Homepage über Hilsenrath mit Auszügen aus seinen Werken, Rezensionen, Interviews, Fotos, Lebenslauf etc.
- [2] Größerer Auszug aus "Berlin", Print angekündigt für Herbst 2006
- [3] Biografie in Deutsch und Englisch, viele (auch internationale) Links
- [4] Broder zu H.s 80. Geb.
Personendaten | |
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NAME | Hilsenrath, Edgar |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Schriftsteller |
GEBURTSDATUM | 2. April 1926 |
GEBURTSORT | Leipzig |