Deutscher Michel
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Der Deutsche Michel ist uns heute vornehmlich als nationale Personifikation der Deutschen aus der Karikatur bekannt.
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[Bearbeiten] Darstellung
Sein auffallendstes Attribut ist seine Schlaf- bzw. Zipfelmütze. Die frühesten bildhaften Darstellungen des Michels datieren auf die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts. Seine bildliche Ausformung bezieht sich auf literarische Vorläufer bzw. ein volkstümliches Verständnis der Figur. Den eigentlichen Höhepunkt seiner Popularität erreichte der Michel bereits in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts.
Eigenschaften und Wesen der Figur sind bis heute ein Politikum. Die Ansicht, der Michel würde auf den Erzengel Michael oder einen gewissen Hans-Michael Elias von Obentraut zurückgehen, ist bis heute weit verbreitet, entspricht jedoch nicht den Tatsachen. Früheste bekannte Überlieferung findet sich bereits in einem von Sebastian Franck 1541 herausgegebenen Sprichwörterbuch – also schon einige Jahrzehnte vor Obentrauts Geburt. Der deutsche Michel bezeichnet hier einen Dummkopf, Tölpel und Fantasten. Auch in anderen zeitgenössischen Quellen findet sich ein ähnliches Verständnis.
[Bearbeiten] Wissenschaft
In der Wissenschaft hat sich heute allgemein die Ansicht durchgesetzt, dass es sich bei der Redewendung „ein teutscher Michel“ um eine Geburt der Renaissance handelt. Der Humanismus in Deutschland hatte sich das Latein zur Sprache gewählt. Dadurch entstand zwischen der Sprache der Bildung und der des Volkes eine Kluft. Dies führte zu einer geistigen Kultur, die den Anschluss an das Ausland suchte. In diesem Zusammenhang entstand die Redewendung vom teutschen Michel vermutlich in einem Zusammenspiel ausländischer Stereotype der Renaissance vom völlenden, saufenden und schlaftrunkenen Deutschen, mit dem ebenso negativ belegten deutschen Bauernbild des ausgehenden Mittelalters.
Entgegen den frühesten, rein pejorativen Verwendungen wird die Figur - einfach, ungebildet und unkundig in fremden Sprachen - in der Zeit des Dreißigjährigen Krieges zum kulturemanzipatorischen Symbol einer reinen, deutschen Muttersprache - so etwa bei Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen. Noch Mitte des 18. Jahrhunderts verwandte Gottlieb Wilhelm Rabener den Begriff, um die allgemeine Geringschätzung für die deutsche Dichtung zu beklagen. Parallel dazu gewann die Figur des Vetters Michel an Popularität. Die ihr zugeschriebenen Eigenschaften: Gemütlichkeit, Biederkeit und ein privates wie öffentliches Ruhebedürfnis. In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts finden sich in humoristischen Periodika und in der Literatur verschiedene Deutungen.
[Bearbeiten] Bauernburschen
Am häufigsten finden sich zweifellos Michel-Darstellungen, die auf den naiven Bauernburschen bzw. den gemütlichen Biedermann anspielen. In Josep Eiseleins Wörterbuch der deutschen Sprichwörter und Sinnreden von 1840 bezeichnet der Begriff „das ganze schwerleibige deutsche Volk“; die Allgemeine deutsche Real-Encyklopädie von 1846 sieht im Michel die Personifikation der „Thorheiten und Verkehrtheiten“ der deutschen Nation. Grundsätzlich ist die Gestalt zu dieser Zeit bereits das Kollektivsymbol für das deutsche Volk bzw. dessen Wesensart im heutigen Sinne.
„Gelehrte“ Zeitgenossen wie Ernst Moritz Arndt schlossen, a priori ein synonymes Verhältnis zwischen dem Michel-Begriff und der deutschen Mentalität unterstellend, dass die Eigenschaften des Michel in Abhängigkeit von den politischen Verhältnissen und der historischen Entwicklung stünden, was durchaus auch heute noch richtig ist. Die daran anschließende mythologisch verklärte und vollkommen willkürliche Rückführung der Charakteristika des Michel auf einen mittelalterlichen Wehrbauern strapaziert die Etymologie des deutschen Michel weit über Gebühr. Ähnlich irreführende Ansätze (Stichwort Obentraut) sind - obgleich in der Wissenschaft bereits seit über hundert Jahren widerlegt - bis heute leider noch immer weit verbreitet.
Als Pendants gibt es die Marianne in Frankreich, Uncle Sam in den USA und John Bull in England.
[Bearbeiten] Literatur
- Bernd Grote: Der deutsche Michel. Ein Beitrag zur publizistischen Bedeutung der Nationalfiguren, Ruhfus, Dortmund 1967
- Tomasz Szarota: Der deutsche Michel. Die Geschichte eines nationalen Symbols und Autostereotyps, Edition Fibre, Osnabrück 1998, ISBN 3-929759-38-1