Beratungsstelle
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Beratungsstelle ist eine Sammelbezeichnung für Einrichtungen, welche unterschiedliche Arten von Unterstützung und Hilfestellung anbieten, die sich nach Anliegen der Ratsuchenden, Gesprächsformen und Zielsetzung differenzieren lassen. Von den Extremen aus betrachtet, ließe sich ein Bogen von der reinen Sachberatung bis zur psychosozialen Krisenintervention spannen. Dazwischen gibt es vielfältige Übergangs- und Mischformen. Es gehört zu den Grunderfordernissen einer komplexen, sich zudem im Dauerumbruch befindlichen Gesellschaft, für den Fall von Wissensdefiziten, schwierigen Entscheidungen, persönlichen Lebenskrisen oder Konflikten in Partnerschaft, Familie, Ausbildung und Beruf, Beratungsangebote zu bevorraten. Beratung soll Orientierung und Neuorientierung ermöglichen, Kompetenzen und Ressourcen entfalten helfen, Zukunftsperspektiven eröffnen. Die staatliche Förderung einer Vielzahl von Beratungsstellen trägt dieser Notwendigkeit Rechnung. Neben der Fachlichkeit stellt also der Gesellschaftsbezug ein Charakteristikum für die Arbeit einer Beratungsstelle dar. Zur Erfüllung ihrer Aufgaben verfügt sie über qualifiziertes Personal und eine der Arbeit dienliche räumliche und sachlich-materielle Ausstattung. Eine Beratungsstelle soll möglichst ohne bürokratische und finanzielle Hürden (niedrigschwellig) zugänglich sein.
Beratung hat sich einer Paradoxie zu stellen: zu unterstützen, ohne zu bevormunden. Eine entsprechende Haltung dauerhaft sicher zu stellen erfordert mehr als die fachliche Qualifikation und ethische Selbstverpflichtung der beratenden Person. Die Organisation der Beratungsstelle, auf die unten eingegangen wird, muss entsprechend gestaltet sein.
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[Bearbeiten] Drei exemplarische Beispiele für verschiedenartige Beratungstypen
- Sachberatung: Gespräch mit dem Ziel, Wissenslücken zu füllen, kritische Aufklärung zu leisten, um am Ende fundiert zwischen Alternativen wählen und eine Entscheidung fällen (und verantworten) zu können. Ein Gespräch dieser Form ist nach dem Muster der Experten-Laien-Interaktion angelegt. Sachberatung kann von qualifizierten Einzelpersonen oder im Kontext einer Beratungsstelle angeboten werden. Ihr Spektrum ist breit und reicht von der allgemeinen Verbraucher- bis zur Rechtsberatung bei sehr speziellen Fragen.
- Erziehungsberatung: Gespräch mit dem Ziel, Eltern in schwierigen Entscheidungs-, Krisen- und Konfliktsituationen zu unterstützen, etwa bei Entwicklungs-, Anpassungs- und Lernstörungen von Kindern oder Jugendlichen; auch die so genannte Trennungs- und Scheidungsberatung gehört dazu. Neben Eltern zählen Kinder und Jugendliche zur Zielgruppe. Ein Gespräch dieser spezifischen Form findet als vergleichsweise offener kommunikativer Dialog statt, in dem u. a. Gründe und Hintergründe der vorgestellten Probleme zu finden und zu bearbeiten sind. Anders als bei der reinen Sachberatung kommen hier persönliche und intime Probleme der Ratsuchenden zur Sprache, die der allgemeinen öffentlichen Kommunikation eher entzogen sind. Sie im Hinblick auf neue Zukunftsmöglichkeiten zu besprechen, erfordert eine besondere beraterische Beziehung und Beziehungsgestaltung.
- Schuldnerberatung: Gespräch mit dem Ziel, einen tragfähigen Weg zur Entschuldung, ggf. durch entsprechend formalisierte Pläne, zu erarbeiten. Dazu sind Informationen nach dem Muster von Sachberatung von Bedeutung. Bei der Schuldnerberatung existieren aber diverse Übergänge zur psychosozialen Beratung, dann nämlich, wenn es darum geht, die psychischen und psychosozialen Hintergründe für die eingetretene Überschuldung zu thematisieren.
[Bearbeiten] Spezielle Beratungsstellen
Beratungsstellen mit speziellem Auftrag, meist basierend auf einer Rechtsgrundlage:
- Erziehungs- und Familienberatungsstelle
- Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstelle
- Drogenberatungsstelle oder Suchtberatungsstelle
- Jugendberatungsstelle
- Polizeiliche Beratungsstellen
- Migrationsberatungsstelle
- Schulberatungsstelle
- Schwangerschaftskonfliktberatung (fällt unter unterschiedliche Trägerschaften, so können diese Beratungsstellen auch unterschiedliche Namen haben)
[Bearbeiten] Trägerschaft, Struktur, Organisation und Fachlichkeit von Beratungsstellen
Beratungsstellen befinden sich in Trägerschaft von Kommunen, Kirchen, Verbänden oder Vereinen (siehe auch freier Träger). Sie können eng an eine Institution angebunden und in deren Aufgabenspektrum verwoben sein (z.B. die Studentenberatung an Universitäten). Einige sind eher spezialisiert (z.B. Beratung und Therapie für Opfer von Gewalt, Suchtkrankenberatung, Schwangerenberatung, Sexualberatung und vieles mehr), andere sind eher offen für ein breites Spektrum von Fragen, Themen und Anlässen (allgemeine Lebensberatung, Gesundheitsberatung). Viele Beratungsstellen arbeiten auf der Basis expliziter Richtlinien. Ihr Angebot und ihre fachlichen Arbeitsweisen sind von daher transparent und unterliegen einer Kontrolle durch Träger, Fachverbände und politische Öffentlichkeit.
Als ein Modell dafür kann die institutionelle Erziehungsberatung dienen. Für sie regelt u. a. die „Bundeskonferenz für Erziehungsberatung“ (BKE) Aufgaben, Organisation und Struktur; man kann hier von formalisierten "Regeln fachlichen Könnens" und in diesem Sinne von Standards sprechen. Darin findet sich unter anderem die personelle Ausstattung der Einrichtung beschrieben, zu der ein Team verschiedener Berufsgruppen (Psychologie, Pädagogik, Sozialarbeit/Sozialpädagogik) mit einer für die Tätigkeit qualifizierenden therapeutischen Zusatzausbildung (Kindertherapie, Paarberatung, Gesprächspsychotherapie, systemische Familientherapie, psychoanalytische Fokalberatung, usw.) gehört. Zu den Standards zählen weiterhin die Verschwiegenheit der Gespräche, ihre Kostenlosigkeit für Ratsuchende sowie der freie Zugang. Alle Mitarbeiter-/innen einer Erziehungsberatungsstelle sind zu Supervision und kontinuierlicher Fortbildung verpflichtet. In den letzten Jahren hat es sich eingebürgert, in solchen Fällen von institutioneller Beratung zu sprechen. Mit der Bezeichnung „institutionell“ soll der gesellschaftliche Auftrag und die Verpflichtung auf zentrale gemeinschaftliche Grundwerte - mit dem Kindeswohl im Zentrum – unterstrichen werden. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII) formuliert Grundlagen für den Anspruch, den Kinder, Jugendliche und Eltern auf Beratung haben, sehr differenziert; es beschreibt gleichzeitig Aufgaben von Beratung im System der Familien- und Jugendhilfe.
Zu den Verpflichtungen einer Erziehungsberatungsstelle zählen neben den Gesprächen mit Einzelnen, Paaren und Familien die Diagnostik, etwa bei kindlichen Wahrnehmungs- oder Sprachproblemen, sowie die Prävention. Zu letzterer gehört die Kooperation mit Einrichtungen der Jugendhilfe, des Erziehungs- und Gesundheitswesens, weiterhin die Öffentlichkeitsarbeit. Die Leistungen einer Beratungsstelle werden evaluiert. Eine Vielzahl wissenschaftlicher Studien beschäftigt sich mit der Wirksamkeit und den Wirkfaktoren beraterischer Prozesse; sie tragen auf diesem Wege zur Transparenz der Praxis sowie zur Qualitäts(weiter)entwicklung bei. Letzteres gilt auch für den Bereich der Ehe- und Lebensberatung.
Zur traditionellen Form des Beratungsgesprächs, bei der Ratsuchende und Berater-/in sich unmittelbar begegnen, sind in den letzten Jahren neue Modi hinzu gekommen. Beratung via Internet zählt dazu - sie schließt an eine Tradition an, wie sie etwa für die Telefonseelsorge charakteristisch ist. Mit der gesellschaftlichen Entwicklung kommen neue Themen auf, Mobbing-, Outplacementberatung oder Coaching sind hier zu nennen. Auch die Trennungs- und Scheidungsberatung spielt eine zunehmend große Rolle und bringt neue Beratungsformen hervor, etwa die Mediation als eigenständiges Unterstützungsverfahren.
[Bearbeiten] Siehe auch
Psychosoziale Beratung, Lebensberatung, Eheberatung, Onlineberatung, Lesbentelefon, Rosa Telefon, Mediation, Drogenberatung, Kinder- und Jugendhilfegesetz, Virtuelle Beratungsstelle, Verbraucherschutz
[Bearbeiten] Literatur
Frank Nestmann, Frank Engel, Ursel Sickendiek (Hrsg.): Das Handbuch der Beratung, Band 1 und 2. Tübingen 2004 mit einem Gesamtüberblick zu Theorie und Praxis der Beratung (das Inhaltsverzeichnis des ersten Bandes findet sich unter [1])
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.bv-efl.de (Bundesverband kath. Ehe-, Familien- und Lebensberaterinnen und -berater)
- http://www.bke.de (Bundeskonferenz für Erziehungsberatung; Onlineberatung für Jugendliche und Eltern
- Evangelische Konferenz für Familien- und Lebensberatung
- http://www.caritas.de (Onlineberatung im Bistum Essen, Erzbistum Köln, Bistum Münster und Erzbistum Paderborn)
- http://www.donumvitae.org (Beratungsstellen der Donum Vitae Vereine zum Schutz menschlichen Lebens)
- http://www.profamilia.de (Deutsche Gesellschaft für Familienplanung, Sexualpädagogik und Sexualberatung)
- http://www.sextra.de/onlineberatung (pro familia-Onlineberatung für Jugendliche und junge Erwachsene)
- Kath. Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen in Deutschland
- Onlineberatungsportal der Katholischen Bundeskonferenz Ehe-, Familien- und Lebensberatung (KBKEFL)