Bahnhofsvorplatz Bonn
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Die Neugestaltung des Bereichs vor dem Hauptbahnhof in Bonn, eine Fläche von fast 1,5 ha, ist ein städtebauliches Projekt, das seit Jahren kontrovers in der Öffentlichkeit diskutiert wird. Der Bahnhofsvorplatz ist das Eingangstor für die Bürger und Gäste der Stadt, die hier mit der Deutschen Bahn oder mit anderen öffentlichen Nahverkehrsmitteln ankommen. Er ist ein Knotenpunkt für den öffentlichen Nahverkehr (ÖPNV) und ein zentraler Platz der Stadt mit umliegenden Geschäften und Lokalen. Er wird durchschnitten von einer Verkehrsachse, die Teil des „Cityringes“ ist. ÖPNV (Bussen und Bahnen), Taxis, Radfahrer und motorisierter Individualverkehr nutzen sie gemeinsam.
Mit der Einrichtung einer Bürgerwerkstatt zum Bahnhofsbereich Bonn wurde von Seiten der Stadt im Oktober 2005 ein Neuanfang zur Gestaltung dieses Bereiches gemacht. Die Bürgerwerkstatt arbeitete bis Januar 2006. Im März 2006 legte sie ihre Ergebnisse vor.
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[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Abriss und Neugestaltung in den 1970er-Jahren
Im Zuge des Stadtbahnbaus wurde Anfang der 1970er-Jahre die vorhandene historische Bebauung vor dem Bahnhof abgerissen. An ihrer Stelle entstand nach Fertigstellung der Tunnelbauarbeiten im Norden ein Parkplatz, südlich davon eine trichterförmige Zugangstreppe zur Stadtbahn, die vom Volksmund als Bonner Loch bezeichnet wird und seit ein paar Jahren Treffpunkt von Obdachlosen und einer Drogenszene ist. Daran schließt die sogenannte Südüberbauung an, ein mehrstöckiges Gebäude mit Geschäften, Büros und einem Hotel. Den südlichen Abschluss des Bereiches bildet der Zentrale Omnibusbahnhof (ZOB), der an den Kaiserplatz anschließt.
[Bearbeiten] Heinrich Lützeler: Keine Rücksicht
An der Gestaltung des Bahnhofsbereiches gab es von Beginn der Planung in den 1970ern an Kritik, die bis heute noch zugenommen hat. Prominentester Kritiker in der Anfangsphase war der Bonner Kunsthistoriker Heinrich Lützeler. Am 11. Januar 1977 veröffentlichte der General-Anzeiger einen Diskussionsbeitrag von ihm. Darin setzt er sich mit den Vorstellungen des für die Planung verantwortlichen Architekten Friedrich Spengelin auseinander und sieht die drohende Gefahr Bonns, „sich selbst zu zerstören“. Und Lützeler weiter: „Die Gestaltung des Bahnhofsvorplatzes nimmt auf das mittelalterliche und das barocke Bonn sowie auf das Bonn des 19. Jahrhunderts keine Rücksicht. Es fehlt die zweifelsfreie Schöpfung eines architektonischen Zusammenhanges. […]“ [1]
[Bearbeiten] Heiner Monheim: Ärgerliche Missgeburt
Jüngeren Datums als Lützelers Kritik ist die Kritik des in Bonn lebenden und in Trier lehrenden Geografen Heiner Monheim. In einem Vorwort zu einem „Verkehrskonzept für die Bonner Innenstadt“, das die Bonner Umweltverbände 2004 vorgelegt haben, beklagt auch er, wie Lützeler vor knapp 30 Jahren, die mangelnde Verbindung des Bahnhofsbereiches mit der Innenstadt und der dort geschaffenen Fußgängerzone. Monheim geht in seiner Kritik auf einen Aspekt ein, den Lützeler auch schon erwähnt: die Verkehrsführung, wie sie im Zusammenhang mit den Bauarbeiten in der 1970er Jahren vor dem Hauptbahnhof geschaffen wurde. Dabei sieht er den „Cityring“ als das „große Hindernis“ für eine Verbindung zwischen Hauptbahnhof und Innenstadt.
„Er [der „Cityring“] ist seit den stadtzerstörerischen Bauarbeiten für die Stadtbahntunnel“, so Monheim, „eine ärgerliche Missgeburt der Bonner Stadt- und Verkehrsplanung. Viel zu lange haben Politik und Verwaltung in dieser von Anfang an verfahrenen Situation ihr Heil in einer großen Lösung mit der Tieflegung aller Straßenbahnen im Bereich vor dem Hauptbahnhof gesucht. Alle anderen, viel kostengünstigeren und schneller umsetzbaren Lösungen wurden immer wieder abgeblockt. Man wartete auf den großen Wurf.“* [2]
Monheim sieht darin eine Lösung, den Cityring vor dem Bahnhof zu unterbrechen und den Ringverkehr lediglich für den ÖPNV bei zu behalten.
[Bearbeiten] Frühere Planungen
Für den Umbau des Bahnhofsbereichs gab es in den vergangenen Jahrzehnten mehrere Vorhaben. Mitte der achtziger Jahre sollte das Bonner Loch mit der so genannten Ungers-Halle überbaut werden.
2004 sahen die städtischen Planer einen Investor vor, der den gesamten Bereich vor dem Hauptbahnhof überbauen sollte. Die Bebauung hätte sich im Falle der Realisierung vom südlichen Bereich, in dem sich heute der ZOB befindet, bis in den Norden zur Thomas-Mann-Straße erstreckt. Eine freie Fläche oder ein Platz waren nicht vorgesehen. An der Südüberbauung hätte sich nichts geändert, genau so wenig wie an der Verkehrsführung vor dem Bahnhof. Der ZOB sollte ersatzlos verschwinden.
Beide Vorhaben scheiterten – die letzte an einem Bürgerbegehren. Es wurde von den Grünen und vom Bürgerbund unterstützt, während SPD und FDP bis zuletzt an der städtischen Planung festhielten. Nachdem sich über 22.000 Bürger und Bürgerinnen in die Listen des Bürgerbegehrens eingetragen hatten, kippte der im September 2004 neugewählte Rat der Stadt Bonn die Planungen und am 28. April 2005 beschloss er die Durchführung einer Bürgerwerkstatt als ersten Schritt zur Neugestaltung des Bahnhofsbereiches.
[Bearbeiten] Ergebnisse
Für die politischen Gremien der Stadt fassten die Moderatoren der Bürgerwerkstatt in einem Entwurf des Abschlussberichtes die Ergebnisse der Bürgerwerkstatt zusammen. Darin heißt es (Stand 1. März 2006):
Die Planungskompetenz für den Bahnhofsbereich soll bei der Stadt liegen - die Planung also nicht durch Investoren gesteuert werden.
Es soll ein Gesamt-Verkehrskonzept erstellt werden, das die Belange sämtlicher Verkehrsteilnehmer einbezieht. Hierbei soll eine zentrale Verknüpfung zwischen Taxi und ÖPNV mit kurzen Wegen gewährleistet sein. Eine Kosten und Platz sparende Lösung soll erreicht werden. Die Situation der Fußgänger im Bahnhofsbereich gilt es zu verbessern, wofür bereits relativ einfache Maßnahmen weiterführend sind, wie z.B. die Verbesserung der Ampelphasen. Insgesamt sprach sich eine Mehrheit für eine Reduzierung des Autoverkehrs vor dem Bahnhof aus. Eine Linienaufstellung der Busse wird abgelehnt, stattdessen ein Zentraler Omnibusbahnhof (ZOB) im Südbereich favorisiert.
Vor dem Bahnhof soll es mehr Raum geben. Damit soll der Übergang vom Bahnhof in die Stadt attraktiver, sicherer und leichter werden. So soll vor dem Bahnhof ein Platz entstehen und die Achse Bahnhof - Poststraße betont werden. Weiterhin werden eine Erweiterung der Fußgängerfläche vor dem Bahnhofsportal und eine Erleichterung des Überweges für Fußgänger angestrebt.
Bei der Bebauung soll eine hochwertige, gegliederte und maßstäbliche Architektur den Übergang zur historischen Stadt prägen und damit den Empfangscharakter des Umfeldes unterstreichen. Für die neu entstehenden Gebäude wird eine gemischte, vielseitige Nutzung gewünscht, mit tragfähiger Einzelhandelsmischung, Büro, Wohnen, Information, Dienstleistung und Kultureinrichtungen. Eine neue Bebauung sollte in Anlehnung an die historische Bebauungskante einen größeren Abstand vom Bahnhof halten. Der ursprüngliche Zustand der Poppelsdorfer Allee am Kaiserplatz soll wiederhergestellt werden. Auch soll die Weststadt besser an die City angebunden werden.
Die Südüberbauung soll auf längere Sicht durch Rückbau oder Abriss weichen. Auch wenn dies nur langfristig möglich ist, sollen daran Veränderungen im Bahnhofsbereich nicht scheitern, man müsse Schritt für Schritt vorgehen und so planen, dass Umgestaltungen sowohl zunächst mit der Südüberbauung funktionieren als auch später mit deren Rückbau oder Abriss.
Der öffentliche Raum am Bonner Loch soll zurückgewonnen werden, indem die Fläche rundum von Barrieren befreit und so stärker nach außen geöffnet wird. Verbleibende Wände sollen gereinigt oder gestrichen, die Beleuchtung im gesamten Bereich stark verbessert werden. Auch ist vorgesehen, die vorhandenen Toiletten zu sanieren und die Drogenkriminalität sowie den Alkoholkonsum stärker zu kontrollieren.
Zur Situation der Obdachlosen und Drogenabhängigen im Bahnhofsbereich wird es einen .Runden Tisch. geben, an dem alle Beteiligten zu gemeinsamen Lösungen kommen sollen. Die Kommunikation zwischen Sozialamt, Ordnungsamt, Polizei und den Sozialverbänden soll deutlich verbessert werden, ebenso die Sichtbarkeit und die Arbeitsbedingungen der GABI (Gemeinsame Anlaufstelle Bonn Innenstadt). Der Runde Tisch soll von den beiden Kirchen geleitet werden und weitere soziale Einrichtungen (z. B. Aids-Initiative) und den Einzelhandel einbeziehen. Um den Bereich des Bonner Lochs zu beleben, wurden saisonale Events vorgeschlagen.
[Bearbeiten] Umsetzung
Nach der Zukunftskonferenz haben Vertreter aller Ratsfraktionen in die Sitzung des Ausschusses für Planung, Verkehr und Denkmalschutz am 24. November 2005 einen Dringlichkeitsantrag (s. Weblinks) eingebracht, der zum Ziel hat, für die Umsetzung der kurzfristigen Maßnahmen zu sorgen. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner Sitzung die meisten Punkte einstimmig.
In ihrem Koalitionsvertrag legten sich die Partner der im Januar 2006 in Bonn beschlossenen Ampelkoalition darauf fest, dass „nach Vorstellung und Auswertung der Ergebnisse der Bürgerwerkstatt zur Bahnhofsvorplatzbebauung“ der Planungsprozess „zügig vorangetrieben“ wird. „Dabei soll zunächst eine Entscheidung über das Verkehrskonzept und den Standort des Busbahnhofes fallen und dann die Frage der Südüberbauung geklärt werden.“
Am 17. März 2006 startete der Runde Tisch zum Thema Bonner Loch. Bis September 2006 traf sich das Gremium vier Mal. Ihm gehörten die Katholische und die Evangelische Kirche als Gastgeber an, dann Vertreter der im Stadtrat vertretenen Fraktionen, die Stadtverwaltung, der Polizeipräsident und zahlreiche Vertreter der sozialen Dienste wie Caritas und Diakonie.
Auf seiner Sitzung im Oktober bewilligte der Hauptausschuss der Stadt Mittel für Sofortmaßnahmen zur Verbesserung der Situation vor dem Hauptbahnhof. So soll noch in diesem Jahr der Fußgängerüberweg vor dem Bahnhof verbreitert und der Bürgersteig abgesenkt werden. Auch werden Hindernisse wie Poller und Ketten entfernt. Ebenfalls im Verschönerungspaket enthalten ist der Ersatz von 100 Fahrradständern, und die Aufstellung neuer Ständer. Ebenso sollen die Blumenkübel rund ums „Bonner Loch“ entsorgt werden. Und um das subjektive Sicherheitsgefühl der Benutzer der Stadtbahn zu verbessern, sollen 5.000 Euro in die Beleuchtung am Hochmast im „Bonner Loch“ investiert werden.[3]
[Bearbeiten] Literatur
- Heinrich Lützeler: „Jetzt droht Bonn sich selbst zu zerstören“, in: General-Anzeiger, 11. Januar 1977
- Olga Sonntag: Verliert der Bonner Bahnhof zu seinem 100. Geburtstag sein Gesicht? Ein stadtgeschichtlicher und kunsthistorischer Beitrag zur gegenwärtigen Planungsdiskussion um den Bonner Bahnhofsbereich, in: BonnerGeschichtsblätter 34, 1982, S. 173-224
[Bearbeiten] Weblinks
- Bürgerwerkstatt Bonn
- Chronik von 1945 bis Januar 2004
- Portal der Stadt
- Aktionsgemeinschaft Bahnhofsvorplatz
- ADFC, Bürgerinitiative Umweltschutz Bonn, BUND und VCD: Rundum gut - Das innovative Verkehrskonzept für die Bonner Innenstadt
- Webcam vor dem Hauptbahnhof
- Dringlichkeitsantrag: Bahnhofsbereich Bonn – Kurzfristige-/Sofortmaßnahmen als erstes Ergebnis der Zukunftskonferenz
- Pro-Bahnhofsvorplatz-Bonn
Koordinaten: 50° 43' 58" N, 7° 5' 49" O
[Bearbeiten] Quellen
- ↑ Heinrich Lützeler: „Jetzt droht Bonn sich selbst zu zerstören“, in: General-Anzeiger, 11. Januar 1977
- ↑ ADFC, Bürgerinitiative Umweltschutz Bonn, BUND und VCD: Rundum gut
- ↑ rhein:raum: Ein kleiner Erfolg der Bürgerwerkstatt, 25.10.2006