Ausreiseantrag

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Ein Ausreiseantrag ist eine Eingabe, die ein Bürger an die Behörden seines Aufenthaltslandes stellt, um dieses Land verlassen zu dürfen. Es geht bei Ausreiseanträgen fast ausschließlich um die Erlaubnis zur Ausreise aus dem Land, dessen Staatsangehörigkeit der Bürger hat, aus seinem Heimatland also.

Ausreiseanträge werden typischerweise nur von totalitären Staaten verlangt; Demokratien gewähren ihren Bürgern in der Regel Reisefreiheit – also das Recht, ohne besondere Erlaubnis ausreisen zu dürfen, wodurch ein Antrag auf eine solche Erlaubnis überflüssig wird.

[Bearbeiten] Ausreiseanträge in der DDR

Das in Deutschland bekannteste Beispiel für Ausreiseanträge sind die Anträge, die Bürger der DDR stellen mussten, um das Land für eine Reise oder zur Auswanderung verlassen zu dürfen. Die Anträge mussten bei der Abteilung Inneres des Rates des jeweiligen Kreises oder Stadtbezirks gestellt werden, die der Staatssicherheit der DDR unterstellt war. Eine Wartezeit bis zur Genehmigung war bei Anträgen auf dauerhafte Ausreise (Auswanderung) üblich; sie reichte typischerweise von einigen Monaten bis zu einigen Jahren und wurde zur Schikanierung der Antragsteller "genutzt". Der Ausreiseantrag wurde oft mit einem Antrag auf Entlassung aus der DDR-Staatsbürgerschaft gemäß § 10 DDR-Staatsbürgergesetz verbunden.

Diese Anträge – offiziell zum Beispiel Antrag auf ständige Ausreise genannt – waren immer problematisch, wenn das gewünschte Zielland kein im Sinne der DDR-Führung politisch zuverlässiges Land war. Als zuverlässig galten im wesentlichen die Länder des Warschauer Vertrags. Manche Ausreisewillige beriefen sich bei der Antragstellung auf ihr Recht auf Freizügigkeit aus der KSZE-Schlussakte von Helsinki 1975, mehr jedoch auf Artikel 13 der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte (UNO) - Genehmigt und verkündet von der Generalversammlung der Vereinten Nationen (UN) am 10. Dezember 1948":

1. Jeder hat das Recht, sich innerhalb eines Staates frei zu bewegen und seinen Aufenthaltsort frei zu wählen. 2. Jeder hat das Recht, jedes Land, einschließlich seines eigenen, zu verlassen und in sein Land zurückzukehren.

Anträge auf dauerhafte Ausreise in westliche Länder wurden zunächst generell abgelehnt, Anträge auf vorübergehende Ausreise in solche Länder nur Parteikadern und "Linientreuen", in seltenen Fällen aus diplomatischen Gründen auch "unliebsamen" Personen temporär oder dauerhaft gestattet.

Ostdeutsche Rentner konnten für 4 Wochen im Jahr ihre Verwandten in der Bundesrepublik ohne große Formalitäten besuchen ("Besuchsregelung") und mussten keinen Antrag auf Ausreise stellen. Aufgrund der bundesdeutschen Gesetzgebung (Anspruch auf Rente für jeden Deutschen im Sinne des Grundgesetzes) und der ökonomischen Belastung für die DDR konnten ostdeutsche Rentner sehr schnell und ohne jegliche Restriktion durch die DDR-Behörden in die Bundesrepublik übersiedeln.

Anträge auf dauerhafte Ausreise (Übersiedlung) vor dem Rentenalter hatten negative Konsequenzen für den Antragsteller, die bis zum Verlust der Arbeitsstelle (in allen gesellschaftlichen Bereichen) und/oder der Verhinderung von Bildungschancen reichten, unabhängig davon, wie über den Ausreiseantrag - manchmal nach monate-, oft nach jahrelangem Warten - entschieden wurde. In jedem Fall fand in dieser "Bearbeitungszeit" (sic!) eine soziale Benachteiligung aufgrund staatlicher Restriktionen statt. Die Behörden entzogen die Arbeitsstelle manchmal schon bei einem Ausreiseantrag eines Familienmitgliedes. Ausreisewillige wurden sozial schikaniert und bewusst - unter Ausnutzung der juristischen Willkür dieses totalitären Staates - kriminalisiert, um sie dann unter fadenscheinigen Vorwänden verhaften und verurteilen zu können. Fast immer wurden die Personalausweise eingezogen und durch "Klappkarten" (DDR-Jargon) ersetzt, die zudem über spezielle Beschriftungen verfügten (sog. "PM 12" mit dem Hinweis "Für eingezogenen Personalausweis für Bürger der DDR"). Die in totalitären Staaten üblich häufigen Ausweiskontrollen führten auch in der DDR zu schikanösen einstweiligen Verhaftungen (bis zu 24 Stunden) aufgrund solch vorgezeigter Legitimationen.

Aus der DDR reisten von 1961 bis 1988 insgesamt etwa 383.000 Menschen legal aus. Zum Vergleich: Im gleichen Zeitraum verließen etwa 222.000 Menschen die DDR; manchmal durch Flucht, aber meist durch Freikauf aus dem Gefängnis oder Nichtrückkehr von genehmigten Reisen in das "nicht-sozialistische Ausland" (DDR-Amtsdeutsch). 1989, bevor die Ausreise für jeden Bürger aus der DDR freigegeben wurde (d. h. VOR November 1989!), konnten etwa 344.000 Menschen die DDR legal verlassen; in einem Zeitraum von wenigen Monaten also fast soviele wie in 27 Jahren.

Durch diese massenhafte Abwanderung hochqualifizierter Facharbeiter und der intellektuellen Elite des Landes (Ärzte, Wissenschaftler, Künstler) geriet die DDR in eine so starke wirtschaftspolitische Krise, dass hoher ökonomischer Druck auf die verbleibenden Bürger (Rückgang des Konsumangebotes durch Mangelwirtschaft, Produktionseinbrüche aufgrund fehlender Arbeits- und Führungskräfte, staatliche Anordnung von Überstunden) wirksam wurde. Erst die hieraus resultierende Fehleinschätzung ideologisch geprägter Exekutivgewalt in Form von ignoranten megalomanischen "Lösungsansätzen" ("Vorwärts immer, rückwärts nimmer!" E. Honecker) ließ die DDR-Führung in die politische Krise von 1989 rutschen, welche sich medial-signifikant in den sogenannten "Montagsdemos" zeigte. Letztere wurden übrigens bereits seit 1988 in verschiedenen Städten der DDR durch Ausreisewillige ("Antragsteller") begründet, die für diese demokratischen Aktivitäten meist mit Strafverfahren und/oder Haftstrafen verfolgt wurden, und zudem dem gehässigen, damals noch sehr wirksamen Obrigkeitswahn ihrer "Mitbürger" ausgesetzt waren, der sich meist in Denunziationen und sozialer Ausgrenzung niederschlug. Tragischerweise behaupteten eben diese DDR-Bürger später (und bis heute), sie hätten die "friedliche Revolution" ("Das Volk sind wir!") ausgelöst und durchgesetzt.

Die Rolle der "Antragsteller auf ständige Ausreise und Übersiedlung in die BRD" bzgl. des ökonomischen "Suizides" der DDR (da durch ZK-Entscheidungen ratifiziert), und der hieraus folgenden Wiedervereinigung Deutschlands wurde historisch bisher kaum gewürdigt; statt einer diachronisch-objektiven Geschichtsschreibung wird in der deutschen Historie bis heute das deutsch-idealistische Wunschdenken einer "friedlichen Revolution" im Jahre 1989 ohne jeden detailliert politisch-ökonomischen Hintergrund präferiert. Die deutsche Geschichtsschreibung seit 1989 zeigt hierin leider deutliche Parallelen zur Verdrängung der individuellen und kollektiven Verantwortung in Deutschland nach 1945.

Siehe auch: Republikflucht