Action française
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Die Action française ist eine politische Gruppierung in Frankreich, die 1898 unter dem Eindruck der Dreyfus-Affäre gebildet wurde.
Ihre wichtigsten Anführer waren der Journalist und Schriftsteller Charles Maurras (seit 1938 Mitglied der Académie française) und Léon Daudet (Sohn von Alphonse Daudet), ihr Sprachrohr war die gleichnamige Pariser Zeitung (L'action française), ihre Aktivisten ab 1907 die Camelots du roi. Besonders einflussreich war vor dem Hintergrund der Action française der Schriftsteller Jacques Bainville, auch er (seit 1935) Mitglied der Académie française.
Die Action française war monarchistisch und nationalistisch orientiert, militant katholisch (und daher Nährboden des Integralismus), deutschfeindlich und antisemitisch, sie bekämpfte Parlamentarismus und Demokratie. Ihr Ziel war die Wiedereinführung einer autoritären Erbmonarchie, tatsächlich aber kam sie dem Faschismus immer näher. Die politische Weltanschauung wurde bereits 1914 von Papst Pius X. als nicht mit der kath. Religion vereinbar beurteilt, obwohl Maurras den Papst wegen seiner Zurückweisung des Laizismus als "Retter Frankreichs" verehrt hatte. Wegen des Krieges unterblieb die Veröffentlichung dieser päpstlichen Lehrverurteilung, die Papst Pius XI. dann im Dezember 1926 bekanntgab. Zuvor hatte sich ein Dialog mit den Führern der A.F. als unmöglich erwiesen. Gegen die päpstliche Verurteilung rebellierten Teile der Organisation, für die eine politische Deutung des Papsttums ("Ultramontanismus"; nicht gemeint ist aber der konkrete Amtsgehorsam) unverzichtbarer Teil ihrer Ideologie war.
Im Ersten Weltkrieg entwickelte die Action française Expansionsgelüste über den Rhein bzw. einige rechtsrheinische Brückenköpfe hinaus. Die Vorstellungen der Action française über die Zukunft Deutschlands waren am Vorbild des Westfälischen Friedens orientiert, also auf die Zerstörung der deutschen Einheit ausgerichtet. Während des Krieges nahm sie eine gouvernementale Haltung ein und stellte sich hinter die Regierung; sogar der einstige "Dreyfusard" (siehe Affäre Dreyfus), der Ministerpräsident Clémenceau konnte auf ihre Unterstützung zählen. Die Action française verfolgte während des im Kriege herrschenden Burgfriedens die gemeinsame Politik am entschiedensten und unerbittlichsten. Ihr Anteil an der Kriegspropaganda war deshalb beträchtlich.
Die Action française versuchte alle nationalistischen, antisemitischen und royalistischen Kräfte unter einen Hut zu bringen, kam jedoch nie über das Stadium eines Bindegliedes zwischen Honoratiorenverein und Massenorganisation hinaus. Die Action française markierte mit ihrer Tageszeitung den Punkt der äußersten Rechten in Frankreich und hatte wegen ihres entschiedenen Auftretens einiges Gewicht, stellte sich aber durch ihren Royalismus selbst ins politische Abseits. Die Gruppierung mit ihrer kleinbürgerlichen Basis und adeligen Geldgebern, unter intellektueller Führung, konnte nur in den Zentren des Royalismus stabilen Rückhalt finden. Die Ideologie der Action française war nicht nur eine beliebige Anhäufung von Vorurteilen, sondern war im Kern gekennzeichnet durch einen religiös verbrämten, aber antihumanitären, antiaufklärerischen und konterrevolutionären Fundamentalismus. Dieses Konglomerat aus Nationalismus, Rassismus bzw. Antisemitismus und Führerprinzip sowie eine aus vorgeblicher Ungleichheit abgeleitete Elitekonzeption (auch die Verherrlichung von Gewalt als Mittel der außen- wie innenpolitischen Auseinandersetzung) machte aus der Action française eine präfaschistische Vorform einer faschistischen Bewegung.
[Bearbeiten] Krise und Niedergang
Dieser "politische Naturalismus" und soziale Modernismus der Action française wurde seitens der katholischen Kirche 1926 von Papst Pius XI. als mit dem kath. Glauben unvereinbar verurteilt. Das Verbot löste im frz. Katholizismus, der stark antiliberal und antirepublikanisch geprägt war, eine schwere Krise aus. Nachdem sich führende kath. Intellektuelle dem römischen Urteil unterwarfen, war das Papsttum gestärkt, die Bewegung aber geschwächt aus der Krise hervorgegangen. Im März 1927 wurden die Mitglieder der A.F. vom Sakramentenempfang ausgeschlossen. Angesichts der neuen politischen Lage wurden die Verurteilungen 1939 von Pius XII. partiell aufgehoben. Der französische Staat hatte mittlerweile die Strukturen der Action française im Februar 1936 verboten, ihre Zeitung 1944 (es existierten mehrere Nachfolgepublikationen).
Die Zeitung stellte sich 1939 gegen den Eintritt Frankreichs in den Zweiten Weltkrieg, stand nach dem Waffenstillstand 1940 auf der Seite des Vichy-Regimes unter dem Marschall Pétain. Die Anhänger der Action française wurden nach Kriegsende als Kollaborateure belangt. Noch heute ist die extreme Rechte in Frankreich stärker als in Deutschland, jedoch hat der Royalismus auch dort nur noch verschwindend geringe Anhängerzahlen. Die Action française konstituierte sich 1947 wieder und agiert heute unter dem Namen Centre royaliste d'Action française, spielt aber innerhalb der französischen extremen Rechten keine große Rolle mehr.
[Bearbeiten] Literatur
- Philippe Ariès: Ein Sonntagshistoriker. Philippe Ariès über sich. Hain, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-445-08536-6 (Der 1914 geborene Historiker erzählt in diesem Buch u. a. ausführlich über seine Jugend und Studienzeit im Milieu der Action française, deren Ideen er teilweise bis ins hohe Alter anhing.)
- Anne-Marie Denis: L'Action Française et l'Allemagne. ILES, Saint Julia 1997, ISBN 2-912722-00-4
- Ernst Nolte: Der Faschismus in seiner Epoche. Action française, italienischer Faschismus, Nationalsozialismus. Piper, München 1963 (zuletzt als Taschenbuch: Piper, München und Zürich 2000, ISBN 3-492-20365-5)
- Eugen Weber: Action française. Royalism and Reaction in 20th-century France. Stanford University Press, Stanford 1962