Treffentaktik
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Die Treffentaktik ist eine militärische Taktik, welche sowohl im Alten Rom als auch in der Frühen Neuzeit vor allem von der Infanterie verwendet wurde.
Grundsätzlich bezeichnet der Begriff „Treffen“ eine einzelne, in sich abgeschlossene Kampfeinheit oder mehrere, nebeneinander stehende Einheiten. Normalerweise wird er nur dann angewandt, wenn mehrere solcher Formationen hintereinander aufgestellt werden, um beispielsweise die hintere(n) als Reserve zu nutzen. Die Treffen an sich kann man in den verschiedensten Zeiten finden, von einer Treffentaktik spricht man nur in bestimmten Fällen. In diesen Fällen erinnert das Aufstellungsschema an ein Schachbrettmuster, wobei die Abstände zwischen den Einheiten so groß sein sollten, dass diese einerseits unabhängig voneinander manövrieren konnten und andererseits eine gegenseitige Unterstützung jederzeit sofort möglich war.
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[Bearbeiten] Die Manipulartaktik der Römer
Die Römischen Legionen stellten ihre Manipel vom vierten Jahrhundert v. Chr. an mit so großen Zwischenräumen nebeneinander auf, dass noch ein weiteres Manipel genügend Platz gehabt hätte. Genau hinter diesen Zwischenräumen folgten weitere Manipel, welche das zweite Treffen bildeten. Hinter diesem wiederum folgte das dritte Treffen, welches logischerweise wieder parallel hinter dem ersten stand. Dabei bestand jedes Manipel aus zwei hintereinander aufgestellten Zenturien. Vor Eröffnung des Kampfes rückten die hinteren Zenturien des ersten Treffens in die Zwischenräume vor, sodass eine geschlossene Kampflinie entstand. Wenn sie sich - freiwillig oder erzwungenermaßen - zurückzogen, versuchten die beiden Zenturien eines Manipels, sich wieder hintereinander zu ordnen, sodass das zweite Treffen bequem vorrücken konnte. Die erste Treffentaktik war geboren. Dabei verwendeten sie Waffen wie den Wurfspeer (lat. pilum) und das kurze Schwert (lat. gladius). Doch es waren nicht irgendwelche Wurfspeere, es waren spezielle Modelle, deren vorderer Teil aus weichem ungehärteten Eisen bestand. Wenn sie in den gegnerischen Schilden stecken blieben, verbog sich das Vorderteil, um diese unhandlicher und schwerer zu machen. Nur die triarii des dritten Treffens, welche sich aus den erfahrensten Soldaten rekrutierten, behielten bis zur Abschaffung dieser Truppengattung um etwa 100 v. Chr. ihre alten Lanzen bei. Deren Manipel hatten nur halbe Stärke. Die Speerwerfer bezeichnete man als principes oder hastatii. Erstere standen im zweiten Treffen, letztere ganz vorne und eröffneten den Kampf. Die triarii standen im dritten Treffen und waren nomalerweise nur als letzte Reserve gedacht, falls sich auch die principes zurückziehen mussten. Darüber hinaus wurde die ganze Formation von Plänklern (velites) unterstützt, welche außerhalb der Schlachtordnung kämpften.
Innerhalb der hastatii- und principes-Zenturien wiederholte sich die Treffentaktik im Kleinen: In "offener" Ordnung stellten sich auch die einzelnen Soldaten in einem Schachbrettmuster auf, sodass die Tiefe der Formation 12 Glieder betrug. Auf diese Weise hatten die Männer genügend Platz, die pila zu schleudern. Wenn die Soldaten des zweiten Gliedes ihre Speere geworfen hatten, schlossen sie zum ersten Glied auf, sodass der Nahkampf in geschlossener Linie bestritten werden konnte. Die hinteren Glieder schleuderten ihre Spieße über die Köpfe ihrer Vordermänner hinweg, dann schlossen sie ebenfalls auf. Wenn alle ihre Speere geschleudert hatten, war die "geschlossene" Ordnung fertig, die Zenturie war jetzt nur mehr 6 Glieder tief (und normalerweise 10 Mann breit). Im Gegensatz dazu standen die triarii von Anfang an in geschlossener Ordnung, und das nur 3 Glieder tief.
[Bearbeiten] Spanier und Niederländer
Die Spanier formierten ihre Gewalthaufen (Tercios) in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nach der Treffentaktik, doch mit sehr großen Abständen. Sie bildeten Brigaden nach dem System 1-2-1 oder 2-3-2, wobei eine Brigade meist die gesamte Armee umfasste. Die einzelnen Schlachthaufen waren nämlich bis zu 3.000 Mann stark.
Doch einige Anhänger der italienischen Renaissance behaupteten, dass die Römer, wenn sie auferstehen würden, noch einmal Europa erobern könnten. Das nahm sich vor allem Moritz von Oranien zu Herzen, als er ab Ende des 16. Jahrhunderts den Aufstand der Niederländer gegen die spanische Herrschaft anführte (Achtzigjähriger Krieg). Nach antikem Vorbild führte er eine Art Wehrpflicht ein und bildete die Rekruten durch Exerzieren mit Waffenübungen aus. Die Armee gliederte sich in Vorhut, Hauptmacht und Nachhut, jede dieser Einheiten zu zwei bis drei Treffen im Schachbrettmuster, auch die Kavallerie wurde einbezogen. Die Grundeinheiten der Niederländer waren „nur“ 10 Glieder tiefe „Troups“ oder auch „Halbregimenter“. Diese Einheiten waren zwischen 500 und 750 Mann stark, also wesentlich breiter als tief, wobei meist die Schützen mit ihren Arkebusen und Musketen in der Mehrheit waren. In der Mitte stand allerdings ein massiver Kern von Pikenieren, der den Nahkampf übernehmen und Schutz vor Kavallerieattacken bieten sollte. Links und rechts folgten die Musketiere, ganz außen die zahlenmäßig stärkeren Arkebusiere. Beide Arten von Schützen verwendeten eine veränderte Form des Kontermarschs, bei der sich die Reihen ohne Abstände direkt nebeneinander stellten und die Soldaten jedes Gliedes einer Abteilung gemeinsam eine Salve feuerten. Anschließend marschierte das Glied in den Abständen zwischen den Abteilungen nach hinten, um nachzuladen und den Weg für das nächste Glied freizumachen (=Conversion/ Enfilade). Durch das Salvenfeuer versuchte man, die geringe Zuverlässigkeit und Treffsicherheit der damaligen Feuerwaffen auszugleichen. Außerdem begründeten die Niederländer das moderne Offizierswesen. Bislang hatte es vor allem Stabs- und Verwaltungsoffiziere gegeben, die Einweisung der Männer übernahmen meist die altgedienten Soldaten, welche bereits zuvor als Söldner gedient hatten, teilweise adelig waren (verarmte Ritter) und in vorderster Front kämpften. Die Zahl der niederen Offiziere sowie Unteroffiziere im modernen Sinn war gering, die Niederländer änderten das – fähige Anführer waren für die neue, flexible Kriegführung absolut notwendig.
Die großen Erfolge der Niederländer (z.B. Schlacht bei Nieuport 1600) gegen die zahlenmäßig meist überlegenen Spanier führten dazu, dass die protestantischen Staaten Norddeutschlands das „Defensionswesen“, eine Art Wehrpflicht nach niederländischem Vorbild, und deren Treffentaktik einführten. Im katholischen Süden behielt man das alte, spanische System bei und konnte im ersten Teil des Dreißigjährigen Kriegs noch einige Erfolge erringen – vor allem deshalb, weil die meisten Protestanten schlecht ausgebildet worden waren.
[Bearbeiten] Niedergang
Als Gustav II. Adolf von Schweden auf den Plan trat, präsentierte er der Welt eine neuartige Taktik, abgeleitet von der niederländischen. Es handelte sich nicht mehr um die eigentliche Treffentaktik im Schachbrettmuster, die Entwicklung ging bereits in Richtung Linientaktik. Gustavs Taktik war zwar nicht wirklich starr, aber es waren bereits Anklänge zu erkennen. Doch es war noch nicht vorbei: Mit der Französischen Revolution kam die Rückkehr der Beweglichkeit und Flexibilität. Kolonnentaktik, Tirailleure und Armeedivisionen brachten die Kriegführung zurück auf den Weg in die Moderne. Damit kehrte auch die echte Treffentaktik im Schachbrettmuster zum zweiten Mal zurück, doch sie wurde nur manchmal angewandt. Die einzelnen Brigaden formierten sich jetzt je nach Situation vollkommen unterschiedlich, die wahre Flexibilität hielt Einzug in die Kriegführung. Den ersten Schritt hatten bereits die alten Römer mit ihrer Treffentaktik getan.
[Bearbeiten] Literatur
- Georg Ortenburg: Waffe und Waffengebrauch im Zeitalter der Landsknechte (Reihe: Heerwesen der Neuzeit), ISBN 376375461X (Einzelband) oder ISBN 3-8289-0521-8 (Reihe; Band: Waffen der Landsknechte)
- John Warry: Warfare in the Classical World, ISBN 0-8061-2794-5