Präsidialkabinett
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Als Präsidialkabinette bezeichnet man in Deutschland die letzten drei Regierungen der Weimarer Republik unter Heinrich Brüning (Zentrumspartei), Franz von Papen (Zentrum/parteilos) und Kurt von Schleicher (parteilos). Der Reichspräsident, zu dieser Zeit Paul von Hindenburg, hatte in der Weimarer Verfassung die Stellung eines „Ersatzkaisers“. Die Artikel 25 (Auflösung des Reichstags), 48 (Notverordnungsrecht) und 53 (Einsetzung und Entlassung des Reichskanzlers) ermöglichten ihm die Bildung einer auf sein Vertrauen gestützten Regierung. Bedingt war diese Entwicklung durch die zunehmende Handlungsunfähigkeit der Reichsregierung.
Laut Verfassung wurden alle Kabinette vom Reichspräsidenten eingesetzt. Mit dem Begriff Präsidialkabinett jedoch ist der Sachverhalt gemeint, dass sich die Regierung auf keine eigene Mehrheit im Parlament mehr stützen konnte und daher auf das Vertrauen des Reichspräsidenten angewiesen war.
Der Begriff "Präsidialkabinett" ist etwas problematisch, da laut Verfassung jedes Kabinett vom Präsidenten eingesetzt wurde, und auch schon vor 1930 hatten die Kabinette keineswegs immer eine parlamentarische Mehrheit. Geht man nach der Zusammensetzung der Kabinette ist das Jahr 1932 weitaus bedeutender, da nach dem Abgang Brünings auch die Politiker der demokratischen Parteien aus den Kabinetten verschwanden.
Bisweilen wird auch der Begriff Präsidialdiktatur verwendet, um zu verdeutlichen, dass sich die Regierung wegen fehlender parlamentarischer Mehrheiten auf den Art. 48, Abs. 2 WRV ("Diktaturartikel") stützte, der - wenn nicht nach dem Wortlaut so zumindest nach den führenden Verfassungskommentaren und der Rechtsprechung - ein sogenanntes gesetzesvertretendes Notverordnungsrecht enthielt.
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[Bearbeiten] Beginn der Präsidialkabinette
Bereits am 18. März 1929 hatte Hindenburg mit Kuno von Westarp, dem Fraktionsvorsitzenden der DNVP, die Möglichkeit einer Regierung ohne das Vertrauen des Reichstags erörtert. Ostern 1929 sprach von Schleicher mit Brüning über die Regierung mit Hilfe von Notverordnungen und über die Wiedererrichtung einer Monarchie. Am 15. Januar 1930 skizzierte Otto Meissner gegenüber Graf Westarp die geplante Hindenburg-Regierung: sie sollte vor allem antiparlamentarisch und antimarxistisch sein. Diese Kamarilla um Otto Meissner und Kurt von Schleicher zog auch später im Hintergrund die Fäden, bevor Schleicher schließlich selbst Reichskanzler wurde.
Am 27. März 1930 scheiterte die Große Koalition unter Hermann Müller (SPD) im Streit um ein halbes Prozent Beitrag zur Arbeitslosenversicherung, nachdem sich der Reichspräsident, entgegen seiner vorangegangenen Versprechen, geweigert hatte diesem Kabinett die Vollmachten des Artikels 48 WRV zu gewähren. Schon drei Tage später ernannte Hindenburg Heinrich Brüning zum neuen Reichskanzler, der in seinem Kabinett nur die drei Minister der SPD ersetzte, was vermuten lässt, dass dieses Vorgehen von Hindenburg geplant, und die meisten Parteien in die Pläne eingeweiht waren. Am 1. April erklärte Brüning, der keine Mehrheit im Reichstag besaß, dass er notfalls nur mit Hilfe von Notverordnungen regieren würde. Während der Reichstag die ersten Gesetze noch mit einer knappen Mehrheit beschlossen hatte, lehnte er ein unsoziales Sanierungsprogramm ab.
[Bearbeiten] Mechanismus der Präsidialregierungen
Nun setzte der Mechanismus der Präsidialregierungen ein: Wenn ein Gesetzesentwurf der Regierung keine Mehrheit im Reichstag fand, setzte der Reichspräsident diesen in Form einer Notverordnung in Kraft, obwohl Notverordnungen tatsächlich nur für Notsituationen gedacht waren. In der Verfassung war jedoch nicht festgelegt worden, wie eine Notsituation zu definieren sei und wer sie feststellen könne. Es hieß dazu nur Das Nähere regelt ein Reichsgesetz. Ein solches Gesetz war aber nie verabschiedet worden. Wenn der Reichstag das Recht wahrnahm, die Aufhebung der Notverordnung vom Reichspräsidenten zu verlangen, oder dem Reichskanzler sein Misstrauen aussprach, löste der Reichspräsident gemäß Artikel 25 der Weimarer Verfassung das Parlament auf. Neuwahlen mussten laut Verfassung nach spätestens 60 Tagen abgehalten werden, und der gewählte Reichstag spätestens nach weiteren 30 Tagen zusammentreten. In diesen 90 Tagen konnte der Reichspräsident mithilfe des Kabinetts mit Notverordnungen regieren. Die im Parlament gescheiterten Gesetzesvorschläge ließ er nun durch das Notverordnungsrecht gemäß Artikel 48 der Verfassung unter Umgehung der Legislative in Kraft treten. Sowohl die Exekutive als auch die Legislative lag nun beim Reichspräsidenten und beim Reichskanzler, der die Notverordnungen gegenzeichnen musste. Die Gewaltenteilung war somit aufgehoben. Durch die ständigen Auflösungen und Neuwahlen des Parlamentes fand kaum noch eine geregelte Gesetzgebung statt. So entstanden 1931 lediglich 34 vom Reichstag verabschiedete Gesetze, aber 44 Notverordnungen. Zum System Brünings gehörte allerdings auch die parlamentarische Tolerierung durch die SPD: Der Reichstag hätte mit Mehrheit die Notverordungen außer Kraft setzen können. Die SPD allerdings, die in Brüning das kleinere Übel im Vergleich zu den Kommunisten und Nationalsozialisten sah, verhinderte dies. Ferner hätte der Reichstag mit Zweidrittelmehrheit eine Volksabstimmung über die Absetzung des Reichspräsidenten entscheiden können (Art. 43) oder den Reichspräsidenten beim Staatsgerichtshof für das Deutsche Reich (Art. 59) anklagen können.
[Bearbeiten] Geschichte der Präsidialkabinette
[Bearbeiten] Brüning
Nach den Reichstagswahlen vom 14. September 1930, deren Sieger eindeutig die SPD war [1], entschied sich die SPD, Brüning als das kleinere Übel gegenüber Adolf Hitler zu tolerieren, um die in Preußen noch bestehende Weimarer Koalition zu schützen. Brüning wurde auf Grund seiner umstrittenen Deflationspolitik, die vor allem seinem Hauptziel, einem Ende der Reparationszahlungen dienten, unbeliebt; er galt als Hungerkanzler. Obwohl er den Auftrag erhalten hatte, antimarxistisch zu regieren musste er sich auf die Tolerierung der SPD verlassen und Hindenburg wurde mit Hilfe der SPD wiedergewählt. Am 13. April 1932 unterzeichnete Hindenburg das Verbot der SA und SS. In der Folge musste Wilhelm Groener als Reichswehrminister zurücktreten. Die Kamarilla um Hindenburg nutzte das Verbot zum Sturz Brünings. Den letztendlichen Grund bildete die Osthilfeverordnung, die von den ostpreußischen Grundbesitzern – zu denen auch der Reichspräsident gehörte – stark kritisiert wurde. Am 30. Mai trat das gesamte Kabinett zurück, die außenpolitischen Erfolge, wie das Ende der Reparationszahlungen, konnten einer reinen Rechtsregierung zufallen. Brüning war nicht vom Reichstag gestürzt worden, sondern von einer einzelnen Person. Die Unterstützung des Reichstags nutzte ihm nichts, da er sich selbst für das präsidiale Notverordnungsregime entschieden hatte, um sein Ziel – so stellte er es jedenfalls in seiner Autobiografie dar – zu erreichen: die Errichtung einer Monarchie.
[Bearbeiten] Papen und Schleicher
Der nächste Reichskanzler wurde ein ehemaliges Mitglied der Zentrumspartei, Franz von Papen vom äußerst rechten Flügel. Vor dem Amtsantritt trat er aus der Partei aus. Von Papen musste mit seinem "Kabinett der Barone" zurücktreten, nachdem der Reichstag ihm das Misstrauen ausgesprochen hatte. Von Papen hatte noch versucht Hindenburg zu einer Auflösung des Reichstag ohne die Festsetzung von Neuwahlen sowie die Auflösung der Parteien mit Hilfe der Reichswehr zu überzeugen, was ein offensichtlicher und eindeutiger Verfassungsbruch gewesen wäre. Kurt von Schleicher, der Reichswehrminister, verhinderte dies durch das Planspiel Ott, in dem er zeigte, dass die Reichswehr nicht in der Lage ist, mit starken Streikbewegungen klar zu kommen.
Kurt von Schleicher, der schon vorher mit seinem Einfluss auf den Reichspräsidenten die Geschichte der Präsidialkabinette maßgeblich mitbestimmt hatte, wurde der Nachfolgen von Papen. Er musste zurücktreten, nachdem sein Plan einer Querfront, die ihn im Reichstag stützen sollte, gescheitert war. Am Schluss hatte auch Kurt von Schleicher versucht, Hindenburg von einer Auflösung des Reichstags und Neuwahlen zu überzeugen, was er bei seinem Vorgänger ja noch verhindert hatte. Sein Nachfolger wurde Adolf Hitler, mit Franz von Papen als Vizekanzler.
[Bearbeiten] Lehren aus den Präsidialkabinetten
Da durch die strukturellen Fehler in der Reichsverfassung die Demokratie geschwächt und letztlich deren Zusammenbruch sowie der Aufstieg Adolf Hitlers begünstigt wurde, hat man im Grundgesetz der Bundesrepublik die Stellung des Bundespräsidenten stark beschnitten. Er erfüllt normalerweise nur repräsentative Aufgaben, nur in besonderen Ausnahmesituationen (keine regierungsfähige Mehrheit im Bundestag) darf er das Parlament auflösen. Eine Entmachtung des Bundestages kann er als Gesetzgebungsnotstand nur auf kompliziertem Wege auf Antrag der Regierung und mit Zustimmung des Bundesrates zeitlich befristet beschließen. Die vorzeitige Auflösung des Parlamentes erfolgte in der Geschichte der Bundesrepublik bisher drei Mal: 1972, 1982 und 2005. Sie wurden jeweils bewusst vom Bundeskanzler und der Mehrheit des Bundestages herbeigeführt, um gewünschte Neuwahlen zu erreichen. Die Entmachtung durch Gesetzgebungsnotstand kam noch nie vor.
[Bearbeiten] Fußnoten
- ↑ JÜRGEN W. FALTER, Die Wahlen des Jahres 1932/33 und der Aufstieg totalitärer Parteien, Dok. 1 (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit)
[Bearbeiten] Weblinks
- http://www.dhm.de/lemo/html/weimar/innenpolitik/kabinette/
- Parlamentarische Lähmungskrise und Etablierung der Präsidialkabinette (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit)
- Das Kabinett Papen (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit)
- Das Kabinett Kurt von Schleicher (Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit)