Pflichtverletzung
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Die Pflichtverletzung ist nach dem in Deutschland seit 1. Januar 2002 geltenden neuen Schuldrecht der zentrale Begriff im Recht der Leistungsstörungen. Ein Schuldner begeht immer dann eine Pflichtverletzung, wenn er anders handelt als es ihm durch das Schuldverhältnis vorgeschrieben ist. Ein Schuldverhältnis ist etwa der Kaufvertrag. Dieses Schuldverhältnis verpflichtet den Verkäufer, die verkaufte Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln zu übereignen (§ 433 Abs. 1 S. 2 BGB). Wenn der Verkäufer eine mangelhafte Sache liefert, verletzt er die genannte Pflicht.
Die Verletzung einer Pflicht aus einem Schuldverhältnis hat nach § 280 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) grundsätzlich zur Folge, dass der Vertragspartner Schadensersatz verlangen kann.
[Bearbeiten] Der doppelte Tatbestand der Pflichtverletzung
Der Begriff der Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB erfasst zwei unterschiedliche Tatbestände:
Eine Pflichtverletzung ist zunächst dann gegeben, wenn eine Leistungspflicht nicht erfüllt wird. Schuldet etwa jemand einer Bank die Rückzahlung eines Darlehens von € 200.000,- und zahlt nicht, dann begeht er eine Pflichtverletzung.
Dasselbe gilt, wenn der Verkäufer eines PKW das verkaufte Fahrzeug nicht an den Käufer liefert. Zum anderen ist es eine Pflichtverletzung, wenn der Schuldner seine Pflicht zur Rücksichtnahme auf die Rechtsgüter des Gläubigers (§ 241 Abs. 2 BGB nicht erfüllt. Auch dazu ein Beispiel: Ein Handwerker wird in eine Wohnung gerufen, um einen Wasserhahn zu reparieren. Er führt diesen Auftrag aus, stößt aber aus Unachtsamkeit eine wertvolle Vase im Flur um. Der Handwerker hat zwar seine Leistungspflicht erfüllt, aber nicht hinreichend Rücksicht auf das Eigentum des Auftraggebers genommen und damit die Pflicht zur Rücksichtnahme verletzt. Er hat deshalb eine Pflichtverletzung im Sinne von § 280 Abs. 1 BGB begangen.
[Bearbeiten] Rechtsfolgen der Pflichtverletzung
Wie bereits erwähnt, legt § 280 Abs. 1 BGB fest, dass der Schuldner grundsätzlich Schadensersatz zu leisten hat, wenn er eine Pflichtverletzung begangen hat. Dies gilt nicht, wenn der Schuldner beweisen kann, dass für er die Pflichtverletzung nicht verantwortlich (in der Sprache des BGB: dass er sie nicht zu vertreten hat - Exkulpation). Zu vertreten hat der Schuldner nach § 276 Abs. 1 BGB in der Regel Vorsatz und Fahrlässigkeit (Verschulden). Er muss also Schadensersatz leisten, wenn er eine Pflicht bewusst verletzt hat oder wenn ihm wenigstens mangelnde Sorgfalt bei der Erfüllung seiner Pflichten vorzuwerfen ist.
Die Grundregel des § 280 Abs. 1 BGB wird durch die folgenden Absätze modifiziert. Wenn der geforderte Schadensersatz ein Schadensersatz wegen Verzögerung der Leistung ist, müssen nach § 280 Abs. 2 BGB zusätzlich die Voraussetzungen des Verzuges erfüllt sein. § 280 Abs. 3 BGB knüpft den Schadensersatz statt der Leistung an weitere Voraussetzungen.
[Bearbeiten] Kritik am Begriff der Pflichtverletzung
Nach der Konzeption der Schuldrechtsreform sollte der Begriff der Pflichtverletzung der Grundbegriff des Leistungsstörungsrechts werden. Tatsächlich spielt er eine wichtige Rolle. Jedoch werden nicht alle Erscheinungsformen von Leistungsstörungen vom Begriff der Pflichtverletzung erfasst. So ergibt sich aus § 311a Abs. 2 BGB, dass die Nichterbringung einer Leistung nach der Auffassung des Gesetzgebers dann keine Pflichtverletzung ist, wenn sie darauf beruht, dass die geschuldete Leistung von Anfang an unmöglich war. Außerdem stellt z.B. der Gläubigerverzug keine Pflichtverletzung dar.
Der Begriff der Pflichtverletzung kann auch insofern nicht als Grundbegriff des gesamten Leistungsstörungsrechts bezeichnet werden als er lediglich für den Anspruch auf Schadensersatz Bedeutung hat. Andere Rechtsbehelfe (insbesondere das Rücktrittsrecht) hängen nach dem BGB nicht davon ab, dass eine Pflichtverletzung festgestellt werden kann.
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