Orchideenfach
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Orchideenfach ist eine Bezeichnung für die "kleinen Fächer" an den Universitäten, sowie im ausgeweiteten Sprachgebrauch eine herabwürdigende Bezeichnung für eine Wissenschaftsdisziplin, der jegliche Bedeutung für die Lösung von Problemen in der "realen" Welt abgesprochen wird.
Ursprünglich sind mit Orchideenfächern die "kleinen Fächer" an den Universitäten gemeint, die meist nur durch einen einzigen Lehrstuhl am jeweiligen Hochschulort vertreten sind und einen hohen Spezialisierungsgrad aufweisen. Die größte Gruppe dieser Orchideenfächer sind die kleinen Philologien (wie Sinologie, Japanologie, Afrikanistik, Indogermanistik usw.), da sie Kenntnisse voraussetzen, die nicht, oder nur teilweise, in der Schule unterrichtet werden.
Das öffentliche Vorurteil über den Wissenschaftsbetrieb an solchen Fächern spricht von verbreiteten Missständen, wie extremer Spezialisierung, fachlicher Borniertheit, Elfenbeinturmdenken, Weltfremdheit, Günstlingswirtschaft, Korruption, Veruntreuung staatlicher Gelder, Intrigenspielen, Klippschulmentalität und Unproduktivität.
Bezeichnet man eine Studienrichtung als Orchideenfach, betont man außerdem die überaus schlechten Berufsaussichten der Absolventen, für deren Qualifikation es außerhalb der Forschung in ihrem eigenen Fach an der Universität wahrscheinlich in keinem Beruf Bedarf gibt. Diese Fächer leisten weitgehend Grundlagenforschung und erbringen oft einen entscheidenden Beitrag im Kreis vieler Geisteswissenschaften. Vom wissenschaftsystematischen Standpunkt her ist es nicht so, dass diese extreme Spezialisierung ein Defizit ist. Die Orchideenfächer stellen einen bedeutenden Beitrag zur kulturellen Vielfalt der Wissenschaft dar.
In der öffentlichen Meinung wird der Begriff Orchideenfach jedoch stark ausgeweitet. So werden besonders Geistes- und Sozialwissenschaften pauschal als Orchideenfächer angesehen. Das liegt weniger an einer präzisen Einschätzung der Berufsaussichten solcher Wissenschaftler als vielmehr einfach daran, dass Geistes- und Sozialwissenschaften Qualifikationen für eine Vielzahl von Berufen bieten und nicht mit einem „natürlichen“ Berufsfeld verbunden werden können wie z. B. Jura→Anwalt, Medizin→Arzt, Betriebswirtschaftslehre→Manager.
Aufgrund der teilweise zutreffenden Einschätzungen der o.g. Missstände an den "kleinen Fächern" gehen die Hochschulreformen aller politischen Koalitionen in den letzten Jahren stets in die Richtung, diese Fächer zu größeren Einheiten zusammenzufassen oder sie an solche anzuschließen.
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[Bearbeiten] Orchideisierung
Unter Orchideisierung versteht man die destruktive Aufspaltung eines eigentlich zusammengehörigen größeren Wissensgebiets in zahllose unzusammenhängende Spezialgebiete nach dem Modell der Orchideenphilologien. Neben den Philologien, denen diese Tendenz aufgrund der Zuordnung zu Nationalstaaten oder geographischen Regionen innewohnt, sind auch andere Fächer von dieser negativen Erscheinung betroffen. Die Motive hierfür sind meist weniger wissenschaftlich-inhaltlich begründet, sondern sie liegen in den Autonomiewünschen einzelner Hochschullehrer, die sich der lästigen kollegialen Selbstkontrolle im Wissenschaftsbetrieb entziehen möchten.
[Bearbeiten] Orchideenproblem
Juristen ist auch der verwandte Begriff des Orchideenproblems geläufig. Er bezeichnet - ebenso wie das juristische Glasperlenspiel - eine in der Wissenschaft vieldiskutierte Frage, die in der Praxis nicht die Relevanz hat, wie sie der Aufmerksamkeit der Wissenschaftler entsprechen würde.
[Bearbeiten] Bibliographie
Vortrag zur Situation der Geisteswissenschaften und sog. Orchideenfächer http://titus.fkidg1.uni-frankfurt.de/igmedien/archiv/strunk2.htm (Text und Audiodateien)