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Narrenschiff

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Titelseite aus Sebastian Brants Narrenschyff
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Titelseite aus Sebastian Brants Narrenschyff

Daß Narrenschyff ad Narragoniam des Sebastian Brant (1457–1521), 1494 gedruckt von Johann Bergmann de Olpe in Basel, wurde das erfolgreichste deutschsprachige Buch vor der Reformation. Die spätmittelalterliche Moralsatire, die von 113 Narren auf einem Schiff mit Kurs auf Narragonien handelt, wurde 1497 ins Lateinische übersetzt und durch Rückübersetzungen in verschiedene Landessprachen in ganz Europa verbreitet.

Inhaltsverzeichnis

[Bearbeiten] Zum Inhalt

Die Sammlung von 113 Kapiteln befasst sich mit einzelnen Themen, die jeweils zum Narren gemacht werden, wie z. B. Habsucht, Kleidermoden, Schwätzerei oder Ehebruch, auch vor den Türken und dem nahen Weltende wird gewarnt; Regierende bekommen gute Ratschläge und ein neuer Heiliger namens St. Grobian tritt als Flegel auf.

Ist der Narr durchgehendes Leitmotiv, so taucht das Narrenschiff nur einige Male auf; dafür erfindet der Verfasser neue Wortzusammensetzungen, wie z.B. Narrentanz und Narrenspiegel, die womöglich geläufige Titel religiöser Schriften, wie Totentanz und Bußspiegel, parodieren sollten.[1] Überdies wird der Narrenbrei gerührt oder zum Narrenorden gehört. Brant lässt keinen Bereich des Lebens und des Wissens aus, dem nicht eine Kategorie der Narretei zugeordnet werden könnte: Ja würt all gschrifft vnd ler veracht/Die gantz welt lebt in finstrer nacht/Vnd dût in sünden blint verharren/All strassen/gassen/sindt voll narren.

Der Weg zur Weisheit führe, so Rothkegel (1988), für Brant nicht über die "unmündige Frömmigkeit", sondern über seinen fründ Vergilium; er erfasse "das Problem menschlichen Verhaltens" aus den Psalmen und der antiken Philosophie: "Brants Ideal ist der Weise der Stoiker".[2] Im Narrenschyff liest sich das so:

Er acht nit was der adel spricht/Oder des gemeynen volcks geschrey/Er ist rotund ganz wie ein ey.

[Bearbeiten] Zur Rezeption

Stultifera Navis, Grüninger:Straßburg 1497: Titel
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Stultifera Navis, Grüninger:Straßburg 1497: Titel
Doktor Murners Narrenbeschwerung, Basel:Matthias Hupfuff, 1512
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Doktor Murners Narrenbeschwerung, Basel:Matthias Hupfuff, 1512
in Geilers Navicula fatuorum: aus B. von Olpes Erstdruck des Narrenschyff von 1494 übernommener Holzschnitt von Albrecht Dürer
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in Geilers Navicula fatuorum: aus B. von Olpes Erstdruck des Narrenschyff von 1494 übernommener Holzschnitt von Albrecht Dürer

Das Narrenschyff wurde sogleich in den höchsten Tönen gelobt, insbesondere von den Frühhumanisten des Oberrheins, mit denen Brant bekannt gewesen sein dürfte. Wahrscheinlich plante er, sein Werk selbst ins Lateinische zu übersetzen, übertrug diese Aufgabe dann aber seinem Schüler Jakob Locher, dessen Arbeit unter dem Titel Stultifera Navis am 1. Juni 1497 in Straßburg erschien, gedruckt von Johann Grüninger. Diese Ausgabe verbreitete sich schnell über die Landesgrenzen hinweg und machte Brants Werk zu einem internationalen Erfolg. Die Übersetzung Lochers ist keine wörtliche, sondern eher eine lateinische Nachdichtung, die (so das Ergebnis eines Textvergleichs von Rupp, 2002) den Erwartungen des Latein sprechenden Publikums und dessen Hintergrund, der römischen Antike, Rechnung getragen habe.

Eine mittelniederdeutsche Ausgabe wurde 1497 unter dem Titel Dat narren schyp von Hans van Ghetelen in Lübeck gedruckt.

Der Straßburger Prediger Johann Geiler von Kaysersberg stand Brants Parodien nicht so wohlwollend gegenüber; zwar wetterte er gegen Misstände und Verfall der Sitten, baute dabei aber auf Bildung, Humor und Völkstümlichkeit. 1498 begann er mit dem Entwurf von Predigten über das Narrenschiff, in denen er die aktuelle Satire durchaus kritisch verarbeitete.

Als Geiler 1510 starb, ließ sein Schüler Jakob Otter den Predigtzyklus nach Notizen und Mitschriften bei Matthias Schürer in Straßburg drucken; sie erschienen unter dem Titel Navicula sive Speculorum Fatuorum im Januar 1511.

Thomas Murner, Franziskaner, Schriftsteller und ein Schüler Jakob Lochers, brachte im Jahre 1512 gleich zwei satirische Schriften heraus, zu denen er sich von Brants Narrenschyff und Geilers Narren-Predigten hatte inspirieren lassen: die Schelmenzunfft und Doktor Murners Narrenbeschwerung. 1519 erschien in Rostock, gedruckt von Ludwig Dietz, eine niederdeutsche Ausgabe des Narrenschyff mit dem Titel: Dat Nye Schip von Narragonien.

Im Lauf des 16. Jahrhunderts erfreuten sich die Narrenfiguren Sebastian Brants weiterhin großer Beliebtheit, gleichwohl wurden sie von den kirchlichen Institutionen nicht mehr gern gesehen; man druckte in kleinem Format, das zudem preisgünstiger war und den Absatz sicherte. Im März 1572 erschien in Basel, aus der Offizin von Sebastian Henricpetrus, eine Ausgabe von Lochers lateinischer Übersetzung: Stultifera Navis Mortualium, ein mit kleinen Kupferstichen reich bebildertes Oktav.

[Bearbeiten] Zu den Illustrationen

Zum Erfolg des Narrenschiffs und seiner Folgepublikationen trugen nicht zuletzt die ansprechenden und lebendigen Illustrationen bei. Für Bergmann von Olpes Druck 1494 fertigte der junge Albrecht Dürer, der sich auf seiner Wanderschaft in Basel aufhielt, als Hauptmeister 73 Holzschnitte an (von insgesamt 103); 15 weitere werden dem dem sog. Haintz-nar-Meister und 3 dem gnad-her-Meister zugeschrieben; 11 weitere stammen von unbekannter Hand. In der Ausgabe von Geilers Navicula sind diese in Komposition und Strichführung ausdrucksstarken Illustrationen übernommen worden. Die Holzschnitte in Lochers Stultivera Navis gewinnen ihre Effekte durch den raffinierten Schnitt der Flächen, um einen Hell-Dunkel-Kontrast zu erzielen.

Da die Philologie erst im 20. Jahrhundert den Wert der Narrenschiff-Parade erkannte, die zuvor lange Zeit als eher wertlose Zusammenstellung angesehen wurde, scheinen auch die Urheber der Illustrationen erst in jüngerer Zeit ins Interesse der Kunsthistoriker gerückt zu sein; viele sind noch nicht ermittelt. Einige Holzschnitte in Doktor Murners Narrenbeschwerung werden unterdessen Urs Graf zugeschrieben. Die Illustationen in der niederdeutschen Ausgabe bei Ludwig Dietz in Rostock zeigen verschiedene Hände.

Unbekannt ist ebenso, wer die Kupferstiche für die Oktav-Ausgabe der Locher-Übersetzung von 1572 anfertigte, die sich dadurch auszeichnen, dass sie die Narren und ihr Gefolge in eleganter zeitgenössischer Mode ausgestattet zeigen.

[Bearbeiten] Einordnung

Das Narrenschiff gehört zur volkstümlichen Literaturform der Narrengeschichten, einer satirischen Literatur, die die Belehrung über die menschlichen Schwächen und die Kritik des Zeitgeistes zum Inhalt hat; ihre Ausdrucksformen sind die Karikatur und die Übertreibung . Hierzu sind nach Brants Narrenschiff auch das Lob der Torheit (1509) des Erasmus von Rotterdam, sowie die Schildbürger (1597) und Till Eulenspiegel (1515) zu nennen.

Auch wenn Brant am Ende des Narrenschyff-Erstdrucks von 1494 sagt, es sei entstanden vff die Vasenacht/die man des narren kirchwich nennet, ist daraus nicht zu schließen, dass er seine Narren aus den Karnevalsbräuchen gewonnen haben könnte, die bis auf den heutigen Tag solide Bürger für einige Tage im Jahr in überschwänglich feiernde Narren verwandeln. Eher ist es so, dass im ausgehenden Mittelalter der Narr bereits längst vor Brant als eine gottverneindende, sündige Figur bekannt war, die mit dem eigentlichen Fastnachtsfest noch gar nichts zu tun hatte; für die Moralsatire bot sich die Figur des Narren geradezu an. Sie ist daher keine Zufälligkeit. Stattdessen übernahm der Autor hier eine in allen Bevölkerungsschichten verstandene Symbolfigur. Somit ist es nicht verwunderlich, wenn Sebastian Brants Narrenbeispiele in den Illustrationen allesamt mit den typischen Narrenattributen - Narrenkappen, Eselsohren und Schellen u.a. - dargestellt werden.

Sicher ist allerdings auch, dass Sebastian Brant und sein Narrenschiff die Allegorie des Narren schlagartig europaweit zur beliebtesten Figur des ausgehenden Mittelalters machten.

[Bearbeiten] Das Narrenschiff in der Kunst

Bis auf den heutigen Tag griffen Künstler das Werk auf für eigenständige Produktionen; so fertigte zum Beispiel Hans Holbein d. J. als 17-Jähriger eine Serie für die Randzeichnungen in Erasmus' Lob der Torheit an. Auch der Maler Hieronymus Bosch behandelte das Thema des Narrenschiffs in einem seiner Gemälde. Antoine Watteau maskierte es durch Ironie; die Skulptur von Jürgen Weber stellte es in der Füßgängerzone einer Stadt dem Flaneur in den Weg. Ehingen an der Donau setzte seinem meistbekannten Bürger Sebastian Locher 2002 ein Narrenschiff-Denkmal. "Das Narrenschiff" wurde auch in der Musik thematisiert, unter anderem 1980 in dem gleichnamigen Song der Gruppe Karat ("Schwanenkönig") sowie dem ebenfalls gleichnamigen Lied von Reinhard Mey (Album "Flaschenpost", 1998).

[Bearbeiten] Werkausgaben

  • Sebastian Brant: Welt-Spiegel oder Narren-Schiff, darin aller Ständt und Laster üppiges Leben, grobe narrechte Sitten und der Weltlauff, gleich als in einem Spiegel gesehen werden ... Auswahl und Nachreimung angefertigt von V. O. Stomps nebst einer Vorbemerkung. Mit alten Holzschnitten vers. u. von Kurt Radloff handgeschrieben. Heidelberg: Ähren-Verlag, 1947, 18 Bl.
  • Sebastian Brant: Das Narrenschiff. Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben. Hrsg. von Manfred Lemmer. 4., erw. Auflage. Tübingen: Niemeyer, 2004, LII, 377 S., ISBN 3-484-17105-7 (In Fraktur) (Neudrucke deutscher Literaturwerke; N.F., Bd. 5)
  • Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Wiesbaden 2004; ISBN 3-937715-03-7

[Bearbeiten] Literatur

  • Martin Rothkegel: Stultifera navis, Navicula sive Speculum fatuorum. In: U. Andersen (Hrsg.): Kostbarkeiten der Bibliothek. Verein der Freunde des Christianeums: Hamburg, 1988; S. 27-34
  • Michael Rupp: "Narrenschiff" und "Stultifera Navis". Deutsche und lateinische Moralsatire von Sebastian Brant und Jakob Locher in Basel 1494 - 1498. Studien und Texte zum Mittelalter und zur frühen Neuzeit, Bd. 3; 2002 ISBN 3-8309-1114-9
  • Lexikon der Kunst

[Bearbeiten] Weblinks

Commons: Narrenschiff – Bilder, Videos und/oder Audiodateien

[Bearbeiten] Einzelnachweise

  1. vgl. Rothkegel (1988) S. 29
  2. Rothkegel (1988) S. 31
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