Diskussion:Madagaskarplan
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War der Madagaskarplan nicht schon nach dem WK1 europaweit diskutiert worden ? Wenn man den Artikel so liest, denkt mal es wäre eine Nazi-Deutsche erfindung gewesen. Soweit ich weiß kam die erste Idee aus England. Ich bin nun leider hein historiker, "nur" ein Ingenieur der sich gerne mit Geschichte beschäftigt. Ein netter Artikel dazu auch unter http://www.shoa.de.
VG August
Der Link "Auswärtiges Amt" führt auf den Artikel des Auswärtigen Amtes der Bundesrepublik Deutschland. Dies ist so nicht tragbar, denn es assotiiert einen Zusammenhang des heutigen Auswärtigen Amtes mit den Gräueltaten der damaligen Reichsführung. Bitte um änderung.
MfG H.-C. van Herck
- Vollkommen richtiger Einwand, ich hab's geändert, aber das hätten Sie auch selbst tun können - so funktioniert Wikipedia. :-) Baumi 18:32, 27. Aug 2005 (CEST)
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[Bearbeiten] Literaturhinweise
- Peter Longerich: Politik der Vernichtung. Eine Gesamtdarstellung der nationalsozialistischen Judenverfolgung. München 1998 ISBN 3-492-03755-0 Seite 273-292 (Vorgeschichte nur kursorisch)
- Magnus Brechtken: "Madagaskar für die Juden." Antisemitische Idee und politische Praxis. München 1997 ISBN 3-486-56240-1 (beruht auf Diss von 1993; umfassende Hinweise auf ältere Lit)
- Hans Jansen: der Madagaskar-Plan. Die beabsichtigte Deportation der europäischen Juden nach Madagaskar. München 1997 ISBN 3- 7844-2605-0 (aus dem niederländischen)
- Letzteres habe ich in der Stabi bestellt - mit dem Lesen dauert's noch ... Holgerjan 21:21, 15. Jun 2006 (CEST)
- Nachtrag: Heute hat Benutzer:4Tilden im Artikel erstmals Literatur eingefügt. Diese ist nach Wikipedia:Quellen bzw. Wikipedia:Literatur jedoch mit dem Vermerk (nicht eingesehen) zu versehen, da ihre Angaben noch nicht für den Artikel genutzt wurden. Überdies: Die Enz. des Holocaust ist laut W. Benz nicht zuverlässig genug. Holgerjan 22:15, 15. Jun 2006 (CEST)
NACHTRAG: Jansen kannte die Arbeit von Brechtken noch nicht / und umgekehrt. Erste Lesefrüchte:
- Jansen stellt im Prolog "Verneblungstaktik oder ernsthafter Plan" zunächst die frühen richtungsweisenden Arbeiten von Max Weinreich, Henry Picker, Philip Fiedman und Gerald Reitlinger (1961) dar, die den M-Plan für ein Täuschungsmanöver hielten. Erstmals Hilberg äußerte 1961 eine andere Auffassung. Auch wenn Karl Schleunes und Uwe Dietrich Adam diesem Gedanken beipflichteten, wurde erst 1978 mit Christopher Brownings Arbeiten, später denen von Philippe Burrin und Herman Graml (1988) und später Götz Aly die Ernsthaftigkeit der M-Planung besser belegt. Der Meinungsstreit unter Historikern ging jedoch weiter. - Jansen sieht den M-Plan um Zusamenhang mit der "Errichtung eines Kolonialreiches Mittelafrika" und bezeichnet den M-Plan als "ernsthafte" Planung.
- Brechtken bestreitet nicht, dass Hitler in der Euphorie des Sieges den M-Plan als Option vorgesehen habe, allerdings habe er die Realisierung schon im August 1940 auf unbestimmte Zeit verschoben (S. 293) und sich im Frühjahr 1941 grundsätzlich umorientiert (S. 294). Spätere Errwähnungen des M-Planes seien dann aber wohl Kaschierung des Holocausts gewesen. - Zu Konsequenzen bei Realisierung des Planes ist Brechtken sicher: "... 3000 Menschen täglich von Europa aus abzufertigen, hätte sicher im Bereich organisatorisacher und logistischer Möglichkeiten gelegen. Dieselbe Zahl jedoch...unterbringen zu wollen, ohne dabei die Mehrzahl dieser Menschen durch Hunger und Seuchen in den Tod zu treiben, war eine Vorstellung von absurder Irrealität..." (S. 295) Brechtken macht sich damit noch nicht die Unterstellung zu eigen, der massenhafte Tod der Deportierten sei den Planern bewusst gewesen. Holgerjan 16:40, 25. Jun 2006 (CEST)
[Bearbeiten] Kontroverse Deutungen
- Christopher Browning: Der Weg zur "Endlösung". Entscheidungen und Täter. rororo 61344, Reinbek/Hamburg 2002 ISBN 3-499-61344-1
- Browning stellt auf Seite 14/15 die Deutungen von Jäckel und Hillgruber dar. Diese taten die M-Pläne als "halbherzige" Politik bzw. "opportunisdtischen Umweg" eines zynisch kalkulierenden Hitlers ab, der nur auf den richtigen Moment für die Verwirklichung seiner lange gehegten Pläne abgewartet habe. Eberhard Jäckel: Hitlers Herrschaft, Stuttgart 1986, behauptete nachdrücklich, es gäbe keine Anhaltspunkte dafür, dass Hitler dieses Vorhaben "je ernsthaft ins Auge fasste." (Zitat bei Jäckel auf Seite 99) - Browning setzt sich von dieser Deutung ab, hält dies nicht für ein Scheingefecht, sondern ernsthafte Überlegung (Seite 26ff). Himmler übergab das Memorandum am 25. Mai 1940 an Hitler, der es "sehr gut und richtig" fand und die Erlaubnis gab, es an weitere Gauleiter und Göring zu schicken... Für Browning ist der M-Plan "ein wichtiger psychologischer Schritt auf dem Wege zu 'Endlösung." (Seite 29) --- Longerich geht IMO nicht weiter auf die Kontroverse ein. Holgerjan Spätere Ergänzung: Hans Mommsen, ISBN 3-423-30605-X, Seite 106, unterstellt Longerich als im Gegensatz zu Aly stehend die Ansicht, es handele sich um ein "bewußt inszeniertes Ablenkungsmanöver". Die Anmerkung 47 führt nicht weiter, doch bezieht Mommsen sich offenbar auf Longerich, Vernichtung, Seite 277. In diesem Kontext stellt sich Longerich keineswegs gegen Aly; Longerichs Meinungsäußerung ist nicht eindeutig, denn im Folgesatz spricht L. von einer "durchaus ernstzunehmende(n) Eventualplanung". Holgerjan 17:02, 11. Aug 2006 (CEST)
- Ich denke, dass zum Schluss des Artikels ein eigener Abschnitt "Kontroverse Deutungen" o.ä. eingesetzt werden muss, der die historiografische Rezeptionsgeschichte bis zum heutigen Stand aufzeigen müsste. Ein Flickwerk-Satz in der Einleitung reicht nicht hin. Holgerjan 23:29, 16. Jun 2006 (CEST)
- Damit sind sowohl intentionalistische wie funktionalistische Deutungen des Themenumfeldes IMO ausreichend und gut skizziert.--Machahn 21:38, 22. Jun 2006 (CEST)
- Ich denke, dass zum Schluss des Artikels ein eigener Abschnitt "Kontroverse Deutungen" o.ä. eingesetzt werden muss, der die historiografische Rezeptionsgeschichte bis zum heutigen Stand aufzeigen müsste. Ein Flickwerk-Satz in der Einleitung reicht nicht hin. Holgerjan 23:29, 16. Jun 2006 (CEST)
[Bearbeiten] Überarbeitung
Ich hab mal versucht, die (marginale) Bedeutung des M-Plans, zumindest im Intro etwas zurechtzurücken (vom Kopf auf die Füße) und den Zusammenhang zum Holocaust jedenfalls mal zu berücksichtigen. Was anderes: Warum wurde eigentlich die Review-Diskussion nicht hierher verschoben? --Ulitz 21:23, 21. Jun 2006 (CEST)
- Ich muss dir in der Sache widersprechen. Adam und Brechtken und der von mir zitierte Browning sind ganz entschieden der Ansicht, der M-Plan sei mit Ernsthaftigkeit verfolgt worden. Die Gegenposition (wie Jäckel) habe ich noch bei Reitlinger gefunden - aber einen vollständigen Überblick habe ich nicht. IMO muss zumindest die Gegenposition zu Jäckel jetzt schon eingefügt werden. Dabei habe ich auf den bereits oben von mir gemachten Vorschlag zurückgegriffen, einen Abschnitt "Kontroverse Deutungen" hinten anzuhängen und deinen Teil (leicht verändert) einzubinden. MfG Holgerjan 21:43, 22. Jun 2006 (CEST) NACHTRAG: Inzwischen habe ich bei Hannah Arendt (Eichmann in Jerusalem. 1. Aufl. München 1964 Seite 108 ff) die sehr zeitlich frühe Beurteilung gefunden, dass der M-Plan "aufgelegter Schwindel" sei. Schlagende Belege bringt sie nicht bei. Holgerjan
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- Okay - Gebongt. --Ulitz 22:30, 22. Jun 2006 (CEST)
[Bearbeiten] Zitate
Die Zitate von Himmler und Goebbels im Abschnitt Der Beginn (1940) wichen im Wortlaut ab von dem, was ich in der Lit. gefunden habe. Ich habe das Zitat von Himmler bei Longerich übernommen und durch Fußnote belegt. Das Zitat von Goebbels habe ich ebenfalls dorther und bestätigt gefunden in den Tagebüchern, ISBN 3-492-21414-2, Bd 4, Seite 1466 -
Die im Abschnitt genannten Daten gehen nicht logisch überein mit der in den Tagebüchern in einer Fußnote Nr. 130 enthaltenen Information, nach der Hitler erst am 12. Juli 1940 der Ausarbeitung "von Plänen, die eine jüdische Aussiedlung zum Inhalt hatten," zugestimmt habe. Die Widersprüche kann ich noch nicht aufklären. Holgerjan 14:11, 23. Jun 2006 (CEST)
[Bearbeiten] Belegbare Behauptung?
Zitat der aktuellen Version im Abschnitt Rademacher-Plan: "Den Verantwortlichen war durchaus bewusst, dass die Insel nicht die Lebensgrundlage für eine langfristige Ansiedlung von Millionen Menschen bot. Sie kannten die Schätzungen der polnischen Kommission von 1937. Der Tod eines Großteils der Zwangsumgesiedelten war unausgesprochener Teil des Plans." - Diese Behauptung müsste belegt werden. IMO gab es mehrere sich widersprechende "Gutachten" zur Aufnahmekapazität. Siehe auch oben im Abschnitt Literaturangaben das Zitat von Brechtken. Holgerjan 16:51, 25. Jun 2006 (CEST)
Die in Auftrag gegebenen deutschen Gutachten geben (anders als die polnischen) sehr hohe Kapazitäten an. Damit entfällt der "Beleg" für die Aussage, die Verantwortlichen hätten gewusst, dass es keine Lebensgrundlage gab und der Tod der Deportierten sei unausgeprochener Teil des Planes gewesen. Ich zitiere hier die Passagen dazu aus Brechtken:
Gutachten Friedrich Burgdörfer (Bayrisches Statistisches Landesamt) vom 17. Juli 1940 Madagaskar hatte 3,8 Mill Einwohner, Bevölkerungsdichte von 6,2 je qkm. Er hielt die Unterbringung von 6,5 Mill Juden für möglich, weil dann mit 16 E/qkm die durchschnittliche Bevölkerungsdichte auf der Erde erreicht sei.
Geologisches Gutachten Friedrich Schumacher vom 29. Juli 1940. Wenig Bodenschätze außer Graphit.
Plan des RSHA vom 15. August 1940 enthielt Aussagen zu ungesunden Küstenklima, große Teile des Innenlades sei für Europäer geeignet. Die Ernährung sei „auch beim Hinzukommen von 4 Millionen Juden gesichert“ (247) Täglich 2 Schiffe, täglich 3000 Personen, 4 Jahre.
Gutachten der Reichsstelle für Raumordnung vom 13. August 1940 für Herrmann Göring (Magnus Brechtken, Seite 254 ff) Darin wird eine Aufnahmekapazität von 18 Mill. Menschen für möglich gehalten, bei Berücksichtigung klimatischer Verhältnisse theoretisch eine Einwohnerzahl von rund 9 Millionen Einwohner errechnet. (254/255) In den klimatisch begünstigten Gebieten 500.000 Europäer, zusätzliches Siedlungskontigent von 5 Millionen Menschen angenommen (257)
Brechtken urteilt: Beim Gutachten „kann man sich einer gewissen Verwunderung nicht entziehen“ (258) Unschlüssig, „willkürliche Rechnerei in der Absicht, jenes Ergebnis zu erhalten, das politisch ...als wünschenswert signalisiert worden war.“ (259) Brechtkens Urteil fällt denn auch erheblich vorsichtiger aus als die von mir monierte Textpassage im Artikel: "Wer diesen Plan zu Ende dachte... musste zu dem Urteil kommen, dass eine Deportation nach Madagaskar in dieser Form einem Todesurteil gleichkam...“ (Brechtken 251)
Peter Longerich (=Politik der Vernichtung. München 1998) behandelt die Umsiedlungspläne auf Seite 273-292 und macht sich ein solches Urteil nicht zu eigen. Allerdings lässt er in Frageform offen, ob bei der RSHA-Planung "Madagaskar" nur eine Chiffre für ein "Irgendwo" war. (Longerich Seite 289/290) Holgerjan 21:38, 30. Jun 2006 (CEST)