Lothar Kreyssig
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Lothar Kreyssig (* 30. Oktober 1898 in Flöha, Sachsen; † 5. Juli 1986 in Bergisch Gladbach) war Richter und Gründer der Aktion Sühnezeichen.
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[Bearbeiten] Leben
[Bearbeiten] Ausbildung
Kreyssig wurde als Sohn eines Kaufmanns und Getreidegroßhändlers geboren. Nach der Grundschule besuchte er ein Gymnasium in Chemnitz. Er legte das Notabitur ab und meldete sich 1916, während des Ersten Weltkrieges freiwillig zum Dienst in der deutschen Reichswehr. Zwei Jahre im Kriegsdienst führten ihn nach Frankreich, ins Baltikum und nach Serbien. Nach Kriegsende studierte er zwischen 1919 und 1922 Rechtswissenschaft in Leipzig. 1923 promovierte Kreyssig und nahm ab 1926 eine Tätigkeit am Landgericht Chemnitz auf. Ab 1928 war er dort als Richter tätig.
[Bearbeiten] Zeit des Nationalsozialismus
Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 weigerte sich Kreyssig mit Verweis auf seine richterliche Unabhängigkeit der NSDAP beizutreten. Kreyssig war evangelischer Christ und trat 1934 der Bekennenden Kirche bei. 1935 wurde er zum Präses der Synode der Bekennenden Kirche in Sachsen gewählt.
Beruflich konnte er weiter als Richter arbeiten. 1937 erfolgte seine Versetzung als Vormundschaftsrichter nach Brandenburg an der Havel. Er erwarb dort in Hohenferchesar einen Gutshof auf dem er ökologische Landwirtschaft betrieb.
Gegen Kreyssig bestanden wiederholt folgenlose Ermittlungsverfahren in Zusammenhang mit seinen kirchlichen Aktivitäten.
Als einziger deutscher Richter prangerte er die Euthanasiemorde der Nationalsozialisten an. 1940 erstattete er wegen in seinem Amtsbezirk erfolgter Morde Anzeige gegen den Reichsleiter der SS Philipp Bouhler, der mit der Durchführung der Mordaktion beauftragt war. Dies führte 1942 zu seiner Versetzung in den Ruhestand, bei Zahlung des vollen Ruhegeldes.
Kreyssig widmete sich dann verstärkt der ökologischen Landwirtschaft und der Arbeit in der Kirche. Auf seinem Hof versteckte er bis zum Kriegsende 2 jüdische Frauen.
[Bearbeiten] Nach 1945
Nach dem Ende des Nationalsozialismus erfolgte zwar eine Würdigung als Widerstandskämpfer. Als vermeintlicher Junker verlor er jedoch Teile seines Grundbesitzes.
Wegen der nicht hinreichenden Rechtsstaatlichkeit der in der Sowjetischen Besatzungszone arbeitenden Justiz entschied sich Kreyssig gegen die Wiederaufnahme seiner beruflichen Tätigkeit. Statt dessen folgte er einem Angebot des Bischofs Otto Dibelius und wurde 1945 Konsistorialpräsident der Kirchenprovinz Sachsen in Magdeburg. 1947 wurde er Präses der Synode der Kirchenprovinz. Dieses Amt hatte er bis 1964 inne. 1952 leitete er kurzzeitig die Kirchenkanzlei der Evangelischen Kirche der altpreußischen Union. Noch im gleichen Jahr wurde er deren Präses. Dieses Amt hatte er bis 1970 inne.
Zwischen 1949 und 1961 war er Mitglied im Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland. Von 1949 bis 1958 war er auch Vizepräsident Ost des Deutschen Evangelischen Kirchentags.
Kreyssigs Ansichten waren bereits zu seiner Zeit umstritten. So trat er für eine Ökumene der Christen ein, die jedoch auch die jüdische Religion umfassen sollte. Kreyssig wandte sich gegen die deutsche Wiederbewaffnung und lehnte die Deutsche Teilung ab.
Auf Kreyssig gehen viele gesamtdeutsche kirchliche Einrichtungen und Ideen zurück. Er gründete die Evangelische Akademie der Kirchenprovinz Sachsen und regte die Telefonseelsorge an. Die von ihm gegründete Aktionsgemeinschaft für die Hungernden war eine Vorstufe der späteren Aktion Brot für die Welt.
Sein bedeutendstes Werk war jedoch die Gründung der Aktion Sühnezeichen. 1958 rief Lothar Kreyssig erstmals zur Gründung der Aktion Sühnezeichen auf. Junge Deutsche sollten in die ehemaligen Feindländer und nach Israel gehen, um dort um Vergebung und Frieden zu bitten. Durch praktische Arbeit sollten sie ein Zeichen der Versöhnung setzen. Aus der anfangs unmöglich erscheinenden Idee wurde ein Dienst, der bis heute lebendig ist und viele Deutsche geprägt hat. Erste Einsatzgebiete waren Norwegen, die Niederlande, Großbritannien, Frankreich und Griechenland. Mit dem Bau der so genannten Berliner Mauer war Kreyssig von den internationalen Aktivitäten seiner Organisation abgeschnitten. Er gab daher 1962 die Leitung ab und widmete sich dem Aufbau eine Aktion Sühnezeichen in der DDR. Einer der ersten Einsätze dieser Initiative war die Enttrümmerung der zerstörten Magdeburger Kirchengebäude Sankt Petri und Wallonerkirche.
Im Jahr 1971 übersiedelte Kreyssig mit seiner Frau nach Westberlin. Seit 1977 lebte er in einem Altersheim in Bergisch-Gladbach, wo er später verstarb. Am 22. Oktober 2006 fand im Bundesministerium der Justiz unter der Schirmherrschaft der Bundesjustizministerin Brigitte Zypries eine Gedenkveranstaltung anläßlich des 20. Todestages vom Lothar Kreyssig unter großer Anteilnahme mit der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste statt.
[Bearbeiten] Werke
- Gerechtigkeit für David. Gottes Gericht und Gnade über dem Ahnen Jesu Christi. Nach dem 2. Buch Samuelis, 1949
- Aufruf zur Aktion Sühnezeichen, 1958
[Bearbeiten] Literatur
- Konrad Weiß, Lothar Kreyssig. Prophet der Versöhnung Bleicher Verlag, Gerlingen 1998, ISBN 3-88350-659-1
- Susanne Willems, Lothar Kreyssig - Vom eigenen verantwortlichen Handeln, Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, Berlin, 1995, ISBN 3-89246-032-9
- Susanne Willems, in: Verfolgung, Alltag, Widerstand - Brandenburg in der NS-Zeit, Verlag Volk & Welt Berlin, 1993, S. 383 - 410, ISBN 3-353-00991-4
- Unrecht beim Namen genannt. Gedenken an Lothar Kreyssig am 30. Oktober 1998, hrsg. vom Brandenburgischen Oberlandesgericht, Nomos Verlagsgesellschaft Baden-Baden, 1998, ISBN 3-7890-5878-5
- Martin Kramer, Magdeburger Biographisches Lexikon, Scriptum Verlag Magdeburg, 2002, ISBN 3-933046-49-1
- Karl-Klaus Rabe, Umkehr in die Zukunft - Die Arbeit der Aktion Sühnezeichen/Friedensdienste, Lamuv Verlag, Göttingen, 1983, ISBN 3-921521-90-4
[Bearbeiten] Links
Personendaten | |
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NAME | Kreyssig, Lothar |
KURZBESCHREIBUNG | war Richter und Gründer der Aktion Sühnezeichen |
GEBURTSDATUM | 30. Oktober 1898 |
GEBURTSORT | Flöha, Sachsen |
STERBEDATUM | 5. Juli 1986 |
STERBEORT | Bergisch Gladbach |