Hauptstadtfrage Niederösterreichs
aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie
Bei der Niederösterreichischen Hauptstadtfrage handelte es sich um die Frage, ob Wien Sitz der Niederösterreichischen Landesregierung bleiben sollte oder ob eine Stadt auf dem Gebiet des Bundeslandes zur Hauptstadt gemacht werden sollte. Der niederösterreichische Landtag legte verschiedene Berechnungen vor, die Verluste für das Landesbudget von bis zu 50% bescheinigten. Es besteht eine Konkurrenzsituation einerseits zwischen der Großstadt Wien und den Städten im Land Niederösterreich sowie zwischen Wien und den umliegenden Wohngemeinden, die sich auf niederösterreichischem Boden befinden. Auch die politische Situation spielte eine Rolle, da Niederösterreich seit 1945 ein von der ÖVP dominiertes Bundesland ist, während Wien von der SPÖ regiert wird.
[Bearbeiten] Vorgeschichte
Wien war seit dem Mittelalter Zentrum und Sitz der Regierungsbehörden von Niederösterreich. Nach dem Zerfall der Österreichisch-Ungarischen Monarchie war die österreichische Hauptstadt zunächst weiterhin ein Teil des Bundeslandes Niederösterreich. Doch schon damals entstanden erste Ideen zur Trennung in zwei Länder, wobei die damals niederösterreichische Gemeinde Floridsdorf (heute ein Wiener Stadtbezirk) als Hauptstadt von Niederösterreich vorgeschlagen wurde. Als die Trennung der beiden Bundesländer im Jahr 1922 realisiert wurde, dachte zunächst aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Situation niemand daran, am Sitz der niederösterreichischen Landesregierung und -verwaltung in Wien zu rütteln.
Wieder aufgetaucht ist die Hauptstadtfrage dann im Jahr 1928; später wurde auch in der Zeit des Nationalsozialismus der (gescheiterte) Versuch unternommen, Krems zur Gauhauptstadt zu deklarieren.
Ab den 1960er Jahren kamen vor allem auf Grund von Raumplanungs-Studien wieder Diskussionen auf. Um einer Landflucht nach Wien zu begegnen sollte im Zentralraum Sankt Pölten ein Landeszentrum geschaffen werden. Aber auch andere Städte wurden als möglicher Sitz der niederösterreichischen Regierung genannt: Korneuburg, Klosterneuburg und Mödling. Unter Landeshauptmann Andreas Maurer war es vor allem die ÖVP, die diese Ideen weiter verfolgte, während sie von der SPÖ unter Landeshauptmannstellvertreter Hans Czettel strikt abgelehnt wurden. So wurden die Pläne 1975 wieder einmal zu den Akten gelegt. Nachdem Siegfried Ludwig die ÖVP-Mehrheit bei den Landtagswahlen 1983 ausgebaut hatte, wurde die Hauptstadtfrage wieder aktualisiert. Auch die von Ernst Höger geführte SPÖ gab ihre strikte Ablehnung auf.
1984 wurde vom damaligen Landeshauptmann Siegfried Ludwig eine Volksbefragung mit dem Slogan Ein Land ohne Hauptstadt ist wie ein Gulasch ohne Saft initiiert, welche die endgültige Klärung der Frage bringen sollte. Bei dieser Befragung am 1. und 2. März 1986 sprachen sich 56% der Teilnehmer für eine neue Landeshauptstadt aus. Die Stimmenmehrheit fiel auf Sankt Pölten (45%), welches sich damit gegen Krems (29%), Baden (8%), Tulln (5%) und Wiener Neustadt (4%) durchsetzte.
Am 10. Juli desselben Jahres wurden die entsprechenden Beschlüsse vom Landtag gefasst und schon bald darauf begannen die Bau- und Übersiedelungsarbeiten in der neuen Hauptstadt.
In Sankt Pölten wurde das Regierungsviertel auf der grünen Wiese neu errichtet. Nach ungefähr zehn Jahren war die komplette Verwaltung übersiedelt. Das Landhaus in der Wiener Herrengasse wurde daraufhin verkauft.
Aber nicht nur die Landesregierung übersiedelte nach Sankt Pölten in das Landhausviertel, sondern auch die anderen Bundesdienststellen, sowie viele Landesdirektionen bauten auch in der neuen Landeshauptstadt ihre Landeszentralen auf.