Gore
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Als Gore (engl. geronnenes Blut und durchbohren, aufspießen) wird – ähnlich wie Splatter – eine visuelle und affektorientierte Strategie der filmischen Körperdarstellung bezeichnet, die jedoch im Gegensatz zum Splatter ihr Hauptaugenmerk nicht so sehr auf das Zeigen von Gewalt richtet, sondern mehr auf deren Ergebnis.
Während der Akt des Verletzens im Mittelpunkt des Splatters steht, wird beim Gore das Ergebnis in farbigen, klinisch detaillierten Groß-, Nah- und Detailaufnahmen präsentiert. Totale Zerstückelungen, Ausweidungen, das Herausquellen von Organen sowie das Waten in den Eingeweiden der Filmopfer finden hier ihren Platz. Beim Gore wird mehr erwartet als einfach nur spritzendes Blut. Eine genaue Differenzierung zwischen Splatter und Gore fällt allerdings in den meisten Fällen schwer, oft werden die Begriffe synonym verwendet.
[Bearbeiten] Geschichte
Da eine genaue Differenzierung zwischen Splatter und Gore kaum stattfindet, fällt die Geschichte des Gore mit der des Splatters zusammen.
Erfunden wurde der Gorefilm von Herschell Gordon Lewis. Die Idee kam ihm, als er sich einen Gangsterfilm ansah, in dem ein Mann durch eine Maschinengewehrsalve zu Boden gestreckt wurde, was jedoch recht unspektakulär in Szene gesetzt war, da sich der Mann nur an die Brust fasste und kurz darauf tot umfiel. Lewis erkannte, wie unrealistisch dies nur sein konnte. Mit dem Produzenten David F. Friedman entwickelte Lewis früher während der Dreharbeiten zu Bell, Bare and Beautyful (1963) die Idee zu Blood Feast, der wenig später als erster Gorefilm in die Filmgeschichte eingehen sollte. Er handelt von dem irren Mörder Fuad Ramses, der jungen Mädchen auflauert und diese um ihre Körperteile erleichtert, um die ägyptische Göttin Ishtar zu erwecken.
Blood Feast (1963) ist kein inszenatorisches Meisterwerk: die Darsteller sind schlecht und die Gore-Effekte auf dem niedrigsten technischen Niveau, sie wirken extrem billig und sind schlecht gemacht. Trotzdem wurde Blood Feast ein Hit und erwirtschaftete bei 24.000 US-Dollar Produktionskosten in den letzten Jahren mehr als 6,5 Millionen Dollar. Der Film war so erfolgreich, dass Friedman und Lewis die Gorefilme Two Thousand Maniacs (1964) und Color Me Blood Red (1964) hinterherschoben, welche zusammen mit Blood Feast die heute legendäre Blut-Trilogie ergeben. Es folgten noch weitere Filme wie Moonshine Mountain (1964, enthielt jedoch recht wenig Gore), A Taste of Blood (1967), The Gruesome Twosome (1967), She-Devils on Wheels (1968), Just for the Hell of It (1968), The Wizard of Gore (1970), This Stuff 'll Kill Ya (1971), The Gore-Gore Girls (1972) u.v.m., bis sich Lewis für lange Zeit zur Ruhe setzte und sich erst 2002 als Produzent von Blood Feast 2: All U Can Eat und 2001 Maniacs erfolgreich zurückmeldete.
Die 70er waren indes geprägt vom berüchtigten Kannibalengenre. Den Startschuss gab Umberto Lenzi mit seinem Film Mondo Cannibale (1973), dem 1978 Ruggero Deodatos Mondo Cannibale 2 – Der Vogelmensch folgte. Wie in unzählig anderen Kannibalenfilmen der damaligen Zeit (Die weiße Göttin der Kannibalen, R.: Sergio Martino, 1977; Lebendig gefressen, R.: Lenzi, 1980; Cannibal Ferox (Die Rache der Kannibalen), ebenfalls von Lenzi, 1981) ließen auch hier die Regisseure vor der Kamera Tiere abschlachten, um eine Art "Hyperrealismus" und die Wildheit der Natur darzustellen.
1979 schließlich folgte Cannibal Holocaust (Nackt und zerfleischt) von Ruggero Deodato, der als „Meisterwerk“ des Kannibalengenres gilt: Eine Arbeitsgemeinschaft aus Dokumentarfilmern untersucht den südamerikanischen Dschungel, um die Existenz von Kannibalen zu beweisen. Bei ihren Ermittlungen gehen sie jedoch zu weit und werden schließlich selbst Opfer der gefräßigen Eingeborenen. Ein Anthropologe findet die Leichen der Fernsehfilmer und deren Aufzeichnungen. Bei der Betrachtung des Filmmaterials entpuppen sich diese als Sadisten, die die Ureinwohner grausam misshandelten.
Cannibal Holocaust ist ein kontroverser Film, nicht zuletzt aufgrund seiner vielen real stattgefundenen Tiertötungen. So ließ Deodato z.B. eine Schildkröte köpfen und ausweiden, was auf Film gebannt wurde und minutenlang zu sehen ist. Die Tiertötungen führten anschließend in Italien zu einem Prozess wegen Tierquälerei gegen ihn, in dessen Verlauf auch der Verdacht aufkam, Deodato habe für Cannibal Holocaust nicht nur Tiere, sondern auch Menschen getötet. So wurde ihm bei der Premiere seines Filmes vorgeworfen, Indios abgeschlachtet zu haben. Natürlich wurde bis auf die Tiere in Cannibal Holocaust niemand getötet und der Regisseur wurde vom Gericht freigesprochen, allerdings kostete ihn der Prozess um die 50.000 US-Dollar.
Cannibal Holocaust wird auch heute noch kontrovers diskutiert, Austragungsort sind meist Filmforen. Seine Befürworter loben ihn seiner (angeblich) vorhandenen Gesellschaftskritik wegen. Er biete, anders als die meisten anderen Vertreter seiner Art, eine durchdachte Story und würde aufgrund dieser (Dokumentarfilmer, die für eine Story die sadistischten Taten vollbringen würden) gekonnt Sensationsjournalismus und allgemein Gewalt in den Medien anprangern. Die Gegner dieses Films führen jedoch immer wieder die vielen Tiertötungen an, mit denen Deodato die eigene Aussage seines Films, nämlich die, dass Gewalt in den Medien überpräsent sei, selbst bestätigt habe und die weitere Aussage, dass Gewalt medial nicht so überpräsent sein sollte, zerstört habe. Befürworter wiederum führen an, dass die Gegner des Films aufgrund ihrer Argumentation in letzter Konsequenz auch kein Fleisch mehr essen dürften, dass es mit dem Film nichts anderes sei, als wenn man eine Dokumentation in einer Metzgerei drehen würde und dass die Schildkröte nicht habe leiden müssen, da im Film eine professionelle Schlachtung gezeigt werde. Außerdem habe man die Schildkröte nach ihrer Tötung verzehrt.
Das Kannibalengenre hielt sich nur von Ende der 70er bis Mitte der 80er und starb schließlich aus. Gründe hierfür waren die ewig gleichen Handlungen, die schlecht gespielten Charaktere und die vielen Tiertötungen.
Einen weiteren Eckpfeiler in der Geschichte des Gore stellt der Zombiefilm dar. Angefangen mit Die Nacht der lebenden Toten (Originaltitel: Night of the Living Dead, George A. Romero, USA, 1968), Dawn of the Dead (George A. Romero, Italien/USA, 1978) und Day of the Dead (George A. Romero, USA, 1985) wurde eine regelrechte Zombie-Welle losgetreten. Italien produzierte nun Gore-Filme am Fließband, hier sind z.B. Ein Zombie hing am Glockenseil (Lucio Fulci, Italien, 1980), Woodoo - Schreckensinsel der Zombies (Fulci, Italien, 1979), Großangriff der Zombies (Umberto Lenzi, Italien/Spanien, 1980) oder In der Gewalt der Zombies (Joe D'Amato, Italien, 1981) zu nennen. Als Hommage an die große Zeit des italienischen Horrorfilms kann man schlussendlich Dellamorte Dellamore (Michele Soavi, Frankreich/Italien, 1993) sehen.
War man in Italien in Sachen Gore schon nicht gerade zimperlich, so stand auch der ferne Osten dem in nichts nach: In Guinea Pig - Devil's Experiment (Hideshi Hino, Japan, 1985), einem der wohl kontroversesten Filme aller Zeiten (45 Minuten ist die Folterung einer wehrlosen Frau durch drei männliche Jugendliche zu sehen), sieht man als Höhepunkt des Gore, wie ein Auge mit einer Nadel durchstochen wird. In den Schatten gestellt wurde der erste Teil dann durch seinen noch brutaleren Nachfolger, Guinea Pig 2 - Flowers of Flesh and Blood (Hideshi Hino, Japan, 1985), in dem ein als Samurai verkleideter Psychopath langsam eine unter Drogen gesetzte gefesselte Frau zerstückelt. Guinea Pig 2 - Flowers of Flesh and Blood wurde von dem berühmten amerikanischen Schauspieler Charlie Sheen auf einer Party gesehen, woraufhin dieser - da er den Film für Snuff hielt - die MPAA einschaltete, welche wiederum das FBI kontaktierte, welches dann auch Ermittlungen anstellte und herausfand, dass es sich bei dem gezeigten Material nicht um eine reale Tötung handelte. Die Macher des Filmes brachten später ein Making-of heraus um zu beweisen, dass der Film kein Snuff ist. Sowohl Guinea Pig - Devil's Experiment als auch sein Nachfolger geben im Vorspann an, auf authentischen Filmdokumenten zu beruhen, die lediglich nachgedreht worden seien. Ob es aber - wie in den Vorspännen behauptet - wirklich diese Snuff-Filme gegeben hat, die dem Regisseur Hideshi Hino und der Polizei angeblich zugesandt wurden, oder ob es sich um eine ausgeklügelte Marketing-Strategie handelte, kann hier nicht beantwortet werden. Neben der Guinea Pig-Reihe ist noch der Historiengore Oxen Split Torturing (Yuji Makiguchi, Japan, 1976) zu erwähnen, der sich in äußerst brutalen Goreszenen (eine Frau wird von Ochsen zerrissen) ergeht.
[Bearbeiten] Literatur
- Julia Köhne/Ralph Kuschke/Arno Meteling (Hg.): Splatter Movies. Essays zum modernen Horrorfilm (Deep Focus 4). Bertz + Fischer Verlag, 2. durchgesehene Aufl. Berlin 2006. ISBN 3-86505-157-X.