Georg-August-Universität Göttingen
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Die Georg-August-Universität in Göttingen ist die größte und die älteste heute noch existierende Universität in Niedersachsen mit etwa 24.000 Studierenden. Im Wintersemester 2006/2007 haben sich rund 3.400 Studenten neu eingeschrieben, was einen Rückgang von drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr bedeutet.
Seit dem 1. Januar 2003 befindet sich die Universität in der Trägerschaft einer öffentlich-rechtlichen Stiftung; sie gehört somit zu den wenigen Stiftungsuniversitäten in der Bundesrepublik Deutschland. Rechtsgrundlagen sind heute das Hochschulrahmengesetz in Verbindung mit dem Landeshochschulgesetz. Präsident der Universität ist seit dem Jahre 2005 der Mediziner und Biochemie-Professor Kurt von Figura.
Im Rahmen des Bologna-Prozesses werden die Studiengänge und -abschlüsse umgestaltet. Ziel ist es, durch die Einführung der international standardisierten Abschlüsse Master und Bachelor die Wettbewerbsfähigkeit der Göttinger Absolventen auf den globalisierten Arbeitsmärkten zu erhöhen.
Der Studienbeitrag liegt bei 575 Euro pro Semester.
Die Niedersächsische Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen ist mit etwa 4,5 Millionen Bänden eine der größten Bibliotheken Deutschlands, die zahlreiche Sondersammelgebiete und im Rahmen der Sammlung Deutscher Drucke das 18. Jahrhundert abdeckt. Göttingen ist damit in die Bildung einer „verteilten Nationalbibliothek“ für Deutschland eingebunden.
Die Universität wurde 1734 von Georg II., Kurfürst von Hannover und König von Großbritannien, gegründet und 1737 eröffnet. Die Universität entwickelte sich schnell und zählte mit fast 1.000 Studenten zu den größeren im Europa der damaligen Zeit.
[Bearbeiten] Fächerangebot
Die Georgia Augusta, wie sie auch genannt wird, ist eine so genannte klassische Universität. Es können also alle nichttechnischen Fächer wie die Fächer der bedeutenden Philosophischen Fakultät, sowie Medizin, Jura, Wirtschaftswissenschaften, evangelische Theologie oder Mathematik sowie alle Naturwissenschaften studiert werden. Den guten Ruf der Universität haben vor allem die Juristische Fakultät, die Fächer der Philosophischen Fakultät und die Naturwissenschaften begründet. Ausgiebig vertreten und traditionell erfolgreich sind die geisteswissenschaftlichen Fächer, die an der Philosophischen Fakultät gelehrt werden. Prägend für Göttingen sind auch die Studiengänge Agrarwissenschaft und Forstwissenschaft. Studierende aller Fachrichtungen können am Sprachlehrzentrum eine große Anzahl von Sprachen mit UNIcert Abschluss erlernen.
Folgende Fakultäten sind heute an der Universität vertreten:
- Fakultät für Agrarwissenschaften
- Biologische Fakultät (inklusive Psychologie)
- Fakultät für Chemie
- Fakultät für Forstwissenschaften und Waldökologie
- Fakultät für Geowissenschaften und Geographie
- Mathematische Fakultät (inklusive Informatik)
- Fakultät für Physik
- Juristische Fakultät
- Sozialwissenschaftliche Fakultät
- Wirtschaftswissenschaftliche Fakultät
- Theologische Fakultät (evangelisch)
- Philosophische Fakultät
- Medizinische Fakultät (Humanmedizin, Zahnmedizin)
In der Beurteilung der Forschungseinrichtungen des Landes insgesamt lässt sich die niedersächsische Landesregierung wissenschaftspolitisch von der Wissenschaftliche Kommission Niedersachsen beraten, die auch Empfehlungen zur Umgestaltung der Wissenschaftslandschaft (nach Fakultäten und Fachbereichen) veröffentlicht hat.
[Bearbeiten] Forschungsumfeld
Die Universität Göttingen arbeitet mit anderen renommierten Forschungsuniversitäten Europas im Netzwerk der seit 1985 bestehenden Coimbra-Gruppe zusammen.
Assoziiert mit der Universität sind die Max-Planck-Institute für Geschichte, für biophysikalische Chemie, für experimentelle Medizin und für Dynamik und Selbstorganisation (vormals Strömungsforschung). Eine enge Zusammenarbeit und eine personelle Verflechtung besteht auch mit dem Deutschen Primatenzentrum (DPZ) der Leibniz-Gemeinschaft in Göttingen.
Am 23. November 2006 erhielt der Göttinger Professor Stefan W. Hell vom Max-Planck-Institut für Biophysikalische Chemie in Göttingen den mit 250.000 Euro dotierten Deutschen Zukunftspreis. Die Auszeichnung wurde in Berlin von Bundespräsident Horst Köhler für das Projekt „Lichtmikroskopie in unbekannter Schärfe“ (siehe auch: STED-Mikroskop) verliehen.
Die Universität arbeitet ebenfalls eng zusammen mit dem Standort Göttingen des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR). Das DLR Göttingen beschäftigt rund 350 Fachleute in der grundlagen- und anwendungsorientierten Luftfahrtforschung.
[Bearbeiten] Finanzierung
Die Aufwendungen der Universität beliefen sich im Jahre 2005 auf über 813 Millionen Euro, wobei der Löwenanteil (knapp 479 Millionen Euro) auf die Medizinische Fakultät mit dem aufwendigen Universitätsklinikum entfiel, das sich wiederum über seine medizinischen Leistungen finanziert.
Die Universität wird als Stiftungsuniversität nach wie vor aus dem Haushalt des Landes Niedersachsen unterstützt. Sie ist, wie andere Hochschulen auch, zunehmend auf die Akquisition von zusätzlichen Drittmitteln angewiesen. Sie hat jedoch mit den anderen Hochschulen des Landes gemeinsam den Vorteil, das mit der VolkswagenStiftung die größte deutsche Stiftung zur Förderung von Wissenschaft im Lande ansässig ist. Das von dieser satzungsgemäß bereit zu stellende Niedersächsische Vorab wird nicht von der Stiftung selbst sondern von der Landesregierung verteilt.
[Bearbeiten] Exzellenzinitiative
Im Oktober 2006 konnte die Universität Göttingen in die Förderlinie zwei der Exzellenzinitiative des Bundes und der Länder ein naturwissenschaftliches Exzellenzcluster einbringen. Im Rahmen dieser Maßnahme wird der Ausbau des DFG Forschungszentrums „Molekularphysiologie des Gehirns (CMPB)“ gefördert. Ein Cluster neuer Nachwuchsgruppen wird dabei das bestehende CMPB erweitern. Ziel ist die Entwicklung innovativer Mikroskopiemethoden mit einer Auflösung im Nanometerbereich und ihre biologische Anwendung.
Die Anträge der Universität Göttingen zur Einrichtung eines Haeckel-Zentrums für Funktionale Biodiversitätsforschung und zur Förderung der Göttinger Graduiertenschule Geistes- und Kulturwissenschaften wurden abgelehnt.
Die Universität Göttingen ist auch an der zweiten Auswahlrunde der Exzellenzinitiative beteiligt. Dazu wurden Antragsskizzen für ein „Zukunftskonzept“, für zwei naturwissenschaftliche Graduiertenschulen (Terrestrische Ökosysteme sowie Neurowissenschaften und Molekulare Biowissenschaften) und für das geisteswissenschaftliche Exzellenzcluster „Kulturelles Erbe. Kanonisierung und Kritik“ eingereicht.
[Bearbeiten] Tradition
Traditionell küsst jeder frischgebackene Doktor das Wahrzeichen der Stadt, die Bronzefigur Gänseliesel.
[Bearbeiten] Geschichte
[Bearbeiten] Bis zur Inauguration 1737
1732 entschloss sich die Hannoversche Landesregierung unter Georg August, Kurfürst von Hannover, Herzog zu Braunschweig-Lüneburg und als Georg II. zugleich König von Großbritannien, die neue Universität des Kurfürstentums Hannover in Göttingen zu gründen.
Zur europaweiten Anerkennung der Studienabschlüsse einer Universität bedurfte es allerdings noch eines speziellen kaiserlichen Privilegs, das Karl VI. am 13. Januar 1733 in Wien dem Hannoverschen Gesandten Johann Diede zum Fürstenstein erteilte. Es entsprach inhaltlich weitgehend dem der 40 Jahre zuvor gegründeten Universität Halle, wenn auch in einer säkularisierteren Variante mit einem deutlich geringeren Einfluss der theologischen Fakultät, die im Gegensatz zu anderen Universitäten kein Aufsichtsrecht über die anderen Fakultäten mehr erhielt. Denn Göttingen war ähnlich wie Halle als Universität der Aufklärung konzipiert, was beinhaltete, dass die Forschungsergebnisse nicht mehr der Zensur der Kirche unterlagen.
Die erste Vorlesung an der noch nicht inaugurierten neuen Universität fand bereits am 14. Oktober 1734 in einem alten Getreideschuppen statt. Sie wurde von dem mittlerweile in Vergessenheit geratenen Physiker Samuel Christian Hollmann gehalten. Gleichzeitig wurde das angesehene Gymnasium im Paulinerkloster exauguriert und das Kloster nebst Paulinerkirche zur baulichen Gründungszelle der Georgia Augusta, die bald um ein Kollegiengebäude ergänzt wurde. Das Kollegiengebäude wurde 1786 von dem Baumeister Georg-Heinrich Borheck zur Paulinerstraße hin erweitert.
Schon im ersten Semester ließen sich 147 Studenten in Göttingen immatrikulieren. Erster Kurator der Göttinger Universität war der Minister und der Geheime Rat Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen (1688-1770), Vetter des berühmten Lügenbarons. Münchhausen war seit 1732 federführend die Planung und Umsetzung der Universitätsgründung zuständig gewesen. Sein Konzept zielte auf die Gewinnung von möglichst zahlungskräftigen Studenten insbesondere aus den Familien des Adels und der sog. hübschen Familien Hannovers. Insofern wurde die Universität mit einem Universitätsreitstall und einer Fechthalle ausgestattet, es gab Lehrveranstaltungen im Tranchieren des Wildbrets und sogar ein Ballhaus war geplant, so dass die Bedürfnisse der Ausbildung dieser besonderen Zielgruppe von Studenten auch in diesen damals umgangswichtigen Soft Skills von vornherein berücksichtigt und eingeplant wurde. Der Portalgiebel des Reithauses mit dem Wappen und Inschrift von 1735 steht heute auf dem neuen Campus, nachdem der Reitstall in der Weenderstraße in den 1970ern einem Hertie-Kaufhaus weichen musste.
Die Universität wurde mit einer philosophischen, einer theologischen, einer juristischen und einer medizinischen Fakultät gegründet, so dass von Anfang an alle klassischen Fakultäten in Göttingen vertreten waren. Die Aufbauphase dauerte etwa bis zum Jahr 1770. In dieser ersten Entwicklungsphase kam es durchaus zu Problemen und Spannungen mit den eingesessenen Bürgern Göttingens, die der Universitätsgründung in ihrer Stadt zunächst ablehnend gegenüber standen.
Die feierliche Inauguration unter ihrem Namensgeber König Georg August erfolgte am 17. September 1737. Da der König sich selbst die Stellung des Rektors vorbehalten hatte, war Leiter der Universität vor Ort fortan der Prorektor.
[Bearbeiten] Von der Inauguration bis zur Französischen Besetzung
Etwa um 1745 wuchs und stabilisierte sich die Studentenzahl auf um 600 Studierende, durchaus dem Plan entsprechend überwiegend aus den angedachten höhergestellten Familien erlangte die Georgia-Augusta schnell den Ruf, gut und teuer zu sein. Durch Studenten, die insbesondere von den Universitäten Helmstedt, Jena und Halle nach Göttingen den Studienort wechselten, kamen rasch auch studentisches Brauchtum und damit studentische Zusammenschlüsse wie Freimaurerorden, studentische Orden und Landsmannschaften an die junge Universität. Aber auch von einem sog. Lakaienorden der Diener der Studenten ist in der Überlieferung, zumeist in Universitätsgerichtsakten aber auch in Stammbuchblättern die Rede. So hatte Münchhausen schon im Juni 1747 erstmals Anlass das Tragen von bunten Bändern zu verbieten.
Ein herausragendes Ereignis für die junge Universität war der Besuch von König Georg II. in Göttingen am 1. August 1748. Die Festveranstaltung als Aufzug in der Paulinerkirche ist durch einen zeitgenössischen Stich überliefert. Derartige Besuche, auch von Mitgliedern der Familie des Herrscherhauses bildeten herausragende Höhepunkte für Studierende und Universität, wie die Besuche des Herzogs von York 1765, des Prinzen Ferdinand von Braunschweig 1768 und des Herzogs von Gloucester 1769. Diese Besuche waren mit Comitaten der Studentenschaft in Nörten oder Weende verbunden; die Angehörigen des Welfenhauses wurden also von berittenen Ehrengarden unter Führung der Hannoverschen wie der Braunschweiger Landsmannschaft vor den Toren der Universitätsstadt empfangen, dorthin geleitet und anschließend auch wieder aus der Stadt heraus.
1738 wurde das Theatrum Anatomicum gebaut, 1739 der Botanische Garten angelegt und 1751 die erste Sternwarte eröffnet. Ebenfalls 1751 stiftete König Georg II. die heutige Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, die heute die zweitälteste Einrichtung ihrer Art in Deutschland ist. Sie gibt seit 1753 die Publikation Göttingische Gelehrte Anzeigen heraus, die älteste, heute erscheinende wissenschaftliche Zeitschrift in deutscher Sprache.
Bei den Studierenden bildeten sich bis etwa zur Mitte des zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts überzogene Ehrbegriffe aus. Im Jahr 1766 kam es in Göttingen zu einem Todesfall aufgrund eines Zweikampfs, dem einzigen des 18. Jahrhunderts. Die Folge war, das das studentische Fechten in Deutschland von Göttingen aus grundlegend reformiert wurde, indem man unter Abkehr von der gefährlichen Stoßmensur zur Göttinger Hiebmensur überging. Damit ging auch der Wechsel zu einem leichten Säbel (Göttinger Hieber) einher, der später vom studentischen Korbschläger abgelöst wurde.
Der Altertumswissenschaftler und Bibliotheksleiter Christian Gottlob Heyne (1763-1812) begründet im Jahre 1767 die Abgusssammlung von Skulpturen der Antike, die sich bis heute zu einer der größten Sammlungen ihrer Art weltweit entwickelt hat und seit 2004 im Virtuellen Antikenmuseum online zu besichtigen ist.
1770 wurde Georg Christoph Lichtenberg Professor für Physik, Mathematik und Astronomie, der bis heute gültige Erkenntnisse in der Elektrizitätslehre brachte. Als Universalgelehrter hinterließ er nicht nur naturwissenschaftliche, sondern auch philosophische und satirische Abhandlungen (diese u.a. in seinen Sudelbüchern). Er war der erste Deutsche Professor für Experimentalphysik. Seine Vorlesung für Experimentalphysik wird in Grundzügen bis heute (zum Teil mit historischem Gerät) gehalten.
Neben Lichtenberg wirkten weitere zum Teil weltberühmte Gelehrte im Göttingen des 18. Jahrhunderts. Einer der einflussreichsten war der Arzt, Naturforscher und Dichter Albrecht von Haller (in Göttingen von 1736 bis 1756), der dazu beitrug, dass bedeutende Wissenschaftler für Göttingen gewonnen werden konnten. Weiter zu nennen sind der Theologe und Orientalist Johann David Michaelis (1746-1791), der Geograph Anton Friedrich Büsching, sowie der Historiker und Publizist August Ludwig Schlözer (1769-1809).
Schlözer wird der Ausspruch zugeschrieben: Extra Gottingam non est vita, si est vita non est ita! („Außerhalb Göttingens gibt es kein Leben, und wenn doch, dann kein solches!“) Dieser Satz steht heute noch am Eingang des Göttinger Ratskellers. Seine Tochter Dorothea, ein anerkanntes Wunderkind ihrer Zeit, promovierte zum 50. Universitätsjubiläum 1787 als erste Frau in Deutschland zum Dr. phil..
In diese Periode außerordentlicher Blüte der Göttinger Universität fielen auch die Studienjahre von Johann Wolfgang Goethe, der sich sehnlichst wünschte, in Göttingen studieren zu können, vom Vater aber auf dessen alte Universität nach Leipzig geschickt wurde.
- Bei diesen Gesinnungen hatte ich immer Göttingen im Auge. Auf Männer wie Heyne, Michaelis und so manchem anderen ruhte mein ganzes Vertrauen; mein sehnlichster Wunsch war, zu ihren Füßen zu sitzen und auf ihre Lehren zu merken.
- Goethe, Dichtung und Wahrheit, Zweiter Teil, Sechstes Buch
Goethe hat sich wohl aus diesem Grund später mehrfach länger in Göttingen aufgehalten.
Um 1780 begründete der Mediziner und Anthropologe Johann Friedrich Blumenbach die Sammlung für Völkerkunde, die heute zum Institut für Ethnologie gehört.
Im Jahre 1788 immatrikulierte sich Wilhelm von Humboldt in Göttingen für das Fach Rechtswissenschaften. Hier sollte er durch die Verflechtung von Universität und Akademie erste Eindrücke von der Bedeutung des Zusammenwirkens von Lehre und Forschung bekommen, eines Konzeptes, das er 1810 bei der Gründung der Berliner Universität umsetzte und das weltweit die Entwicklung von Universitäten prägen sollte.
Die Spannungen zwischen Universität und Stadt, zwischen Bürgern und Studentenschaft flackerten immer wieder auf. So kam es am 26. Juli 1790 nach vorangegangenem schweren Streit mit den Tischlergesellen in der Stadt zum Auszug der Studenten zum Kerstlingeröder Feld, einer großen Freifläche im östlich der Stadt gelegenen Göttinger Wald. Die Studenten erpressten sich mit ihrer Wirtschaftskraft das Wohlwollen von Stadt und Universität und die Behörden vermittelten die Einigung in diesem Streit.
Bei der Septembersitzung der Göttinger Gesellschaft der Wissenschaften 1802 konnte Georg Friedrich Grotefend, damals noch Student der Philologie und Theologie und gleichzeitig „Collaborator“ am Göttinger Gymnasium, einen Entzifferungsansatz für die persische Keilschrift vorlegen, der weltweit als der Durchbruch bei der Erschließung dieses Schriftsystems gilt. Die Entzifferung der Keilschrift legte den Grundstein für die Erforschung der alten Geschichte des Vorderen Orients.
Bereits 1806 kam es zu erneuten Studentenunruhen in Göttingen, die in einem erneuten Auszug der Studenten am 6. Januar, diesmal nach Hannoversch-Münden, ihren Höhepunkt fanden, für die Studenten jedoch weniger erfolgreich waren als der erste, so dass sie am 12. Januar erfolglos nach Göttingen zurück kehrten.
Die Regelstudienzeit des 18. Jahrhunderts hieß Triennium und betrug sechs Semester.
[Bearbeiten] Die Universität im Königreich Westfalen
Nach der französischen Besetzung Hannovers 1803 (-->Konvention von Artlenburg) und Deutschlands insgesamt durch die Truppen Napoleons im Jahr 1806 kam Göttingen als Hauptstadt des Départements Leine 1807-13 an das Königreich Westphalen und wurde dementsprechend von der näher gelegenen Residenzstadt Kassel aus regiert und beaufsichtigt.
Der Forschungs- und Lehrbetrieb wurde durch die Franzosenzeit in Göttingen nicht beeinträchtigt, es wurden jedoch im Zuge der restaurativen Tendenzen in Deutschland und Hannover im Anschluss einige der zwischenzeitlich erfolgten Berufungen, wie die des französischen Philosophen Villers durch Entlassung rückgängig gemacht.
Die französischen Reformen im Bereich der Staatsorganisation und des Rechtswesens führten dazu, das die Studenten 1809 nicht mehr der speziellen Akademischen Gerichtsbarkeit unterstanden, sondern der regulären Gendarmerie (Polizei). Dies und die damit verbundene, von den Studenten nicht gewohnte Härte in der Ausübung hoheitlicher Gewalt führte im Jahr 1809 zur Gendarmen-Affaire. Am 17. August wurden ruhig ausreitende Mitglieder des Corps Hannovera von Gendarmen mit der Begründung, diesen nicht den Weg frei gemacht zu haben, verhaftet und körperlich misshandelt, was zu Protesten der Studentenschaft und der Bürger der Stadt führte. Dabei wurde deutlich, dass Corps als Studentenverbindungen trotz Verbot weiter bestanden, woraufhin deren Mitglieder relegiert wurden. Der harte Kurs der Göttinger Universität verband sich für die Studierenden im Wesentlichen mit der Person des Prorektors Gustav von Hugo, der als Jurist zu den Begründern der Historischen Rechtsschule in Deutschland zählt.
Insbesondere viele der Studenten der Rechte wandten sich so der Universität Heidelberg zu. Die Studentenschaft erklärte die Universität in Verruf, das Verbindungsleben erlosch mehr oder weniger vollständig, und die Studentenzahlen in Göttingen halbierten sich zum Wintersemester 1809/10. Anstatt der 615 Studenten des Sommersemester meldeten sich zum Wintersemester nur 473 Studenten zurück, von denen um 170 Neuimmatrikulierte waren. Erst zum Wintersemester 1810/11 trat unter dem neuen Prorektor Tychsen Entspannung ein.
Göttingen wurde von den Maßnahmen der westfälischen Regierung noch vergleichsweise wenig getroffen. Schlimmer erging es der alten welfischen Universität Helmstedt, die im 16. Jahrhundert als Landesuniversität des welfischen Teilfürstentums Braunschweig-Wolfenbüttel gegründet worden war. Sie war für rund anderthalb Jahrhunderte die einzige welfische Universität gewesen. Als jedoch im Wintersemester 1809/10 nur noch 76 Studenten die Lehrveranstaltungen besuchten, wurde sie kurzerhand geschlossen. Göttingen war damit die einzige Universität in den welfischen Territorien.
Die mit durchschnittlich 120 Studenten vergleichsweise kleine Universität Rinteln im Weserbergland wurde ebenfalls im Jahr 1809 zugunsten der Georgia-Augusta geschlossen.
Aber bereits im Jahr 1811 wurde das (eigentlich verbotene) Tragen bunter Mützen unter den Studenten wieder zum Problem. Der Prorektor Pott bat um Aufschub und das Verbot farbige Mützen zu tragen wurde vom Präfekten in Kassel entgegen erster Absicht nicht erneuert. In der Folgezeit fanden jedoch eigentlich fortwährend Untersuchungen der Regierung in Kassel statt, ob verbotenerweise entstandene Studentenverbindungen bestehen würden. Diese tarnten sich teilweise als so genannte Clubbs. In Einzelfällen kam es durchaus zu Verboten einzelner landsmannschaftlicher Zusammenschlüsse an der Universität.
In den Befreiungskriegen ging die Zahl der Studierenden in Göttingen etwa auf die Hälfte zurück. Viele der zum Kriegsdienst ausgehobenen Göttinger Studenten ließen zwischen 1813 und 1815 ihr Leben.
[Bearbeiten] Vom Wiener Kongress bis zur Annexion Hannovers durch Preußen 1866
Das Ende des Krieges brachte mit den an ihre Studienplätze zurückkehrenden Kriegsteilnehmern den Universitäten in Deutschland und damit auch dem Hannoverschen Göttingen 1815 die neue Idee der Burschenschaft, deren Idee in Jena durchaus mit starken Göttinger Einflüssen auf den Weg gebracht wurde, entstand doch das erste Grundgesetz der Urburschenschaft auf Grundlage der Constituton des Göttinger Corps Vandalia, die ihrerseits auf entsprechenden Vorbildern aus Heidelberg beruhte. Allerdings verfing die Idee der Allgemeinen Burschenschaft bei den Göttinger Studenten nicht sehr stark und wurde insbesondere vom dortigen Senioren-Convent äußerst reserviert aufgenommen. Insofern blieben die Burschenschaften in Göttingen bis zum Jahr 1848 im Gegensatz zu den Corps unbedeutende Ausnahmeerscheinungen und die Altdeutsche Tracht war im Stadtbild nur vereinzelt anzutreffen.
Im Jahr 1818 kam es nach einer Auseinandersetzung zwischen einem Handwerker und einem Studenten und entsprechender Eskalation zu dem Einsatz Hannoverscher Husaren gegen die Studierenden und in dessen Folge zu einem erneuten Auszug der Studentschaft, diesmal nach Witzenhausen. Da dieser Auszug oder Streik der Studenten wirkungslos blieb, folgte anschließend eine erneute Verrufserklärung der Studentenschaft gegen die Universität mit der Folge, dass die Zahl der Studenten im Wintersemester von 1.158 auf 858 sank. In Folge der hierdurch ausgelösten behördlichen Untersuchungen sowie der in den Karlsbader Beschlüssen vom 20.9.1819 enthaltenen Universitätsgesetze nahm der Verfolgungsdruck auf die im Untergrund oder als Tarnorganisationen fortbestehenden studentischen Zusammenschlüsse an Härte zu und dauerte bis zur Mitte der 1820er Jahre unvermindert an. Ein neuerlicher Auszug nach Witzenhausen 1823 blieb für die Studenten wiederum ohne den erwünschten Erfolg, zumal die Drohung der anschließenden Nichtübernahme in den Staatsdienst Wirkung vor dem Hintergrund zeigte, dass in Preußen die Regierung warnte, dass die akademischen Berufe überfüllt seien. Die Studentenzahlen in Göttingen, das auch bei Studierenden aus den Ostseegouvernements traditionell sehr beliebt war, gingen nicht zuletzt deshalb erheblich zurück, weil Zar Nikolaus I. nach seiner Thronfolge 1825 den Balten wie z.B. den Kurländern das Studium in Deutschland durch drakonische Vorschriften erschwerte bzw. unmöglich machte.
Zu erneuten, ernsten Krawallen kam es in der Silvesternacht 1828/29. Die Universitätsbehörde hatte sich in Anschlägen gegen übermäßigen Biergenuss gewandt, und die Studenten hatten sich auf dem Marktplatz versammelt und Gaudeamus igitur gesungen. Danach waren sie von Pedellen verfolgt durch die Stadt gezogen, hatten Straßenlaternen ausgelöscht und zahlreiche Fensterscheiben von Universitätsmitarbeitern eingeschlagen. Die Handgreiflichkeiten führten zu zahlreichen Verletzungen. Im Nachhinein konnte der Zwischenfall jedoch nicht weiter aufgeklärt werden und blieb daher ohne Konsequenzen.
In den unruhigen Zeiten erhielten die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm einen Ruf nach Göttingen, Jacob als Bibliothekar und Professor, Wilhelm erst nur als Bibliothekar, später auch als Professor. Hier beschäftigten sie sich mit alter Literatur und hielten auf der Basis ihrer Forschungsergebnisse Vorlesungen zu den deutschen Rechtsaltertümern sowie zur Sprach- und Literaturwissenschaft. Sie legten damit den Grundstein zur neu entstehenden Wissenschaft der Germanistik.
Turbulent wurde es dann im Januar 1831 im Anschluss an die Julirevolution in Paris (1830) durch die Revolution der Bürger und Studenten in Göttingen 1831, auch „Göttinger Revolution“ genannt. Unter der Führung des Privatdozenten Johann Ernst Arminius von Rauschenplatt wurde ein Revolutionsrat gebildet und am 8. Januar 1831 der Magistrat der Stadt Göttingen aufgelöst. Es wurde vom König eine freie Verfassung für das Königreich Hannover verlangt und der Sturz der Regierung, des Kabinetts Münster. Die Studenten rauchten auf der Straße verbotenerweise Tabakspfeife. Am 15. Januar machte General von dem Busche mit dem Einmarsch (Spielmannszüge im Voraus) von 8.000 Soldaten der Hannoverschen Armee von Nörten-Hardenberg aus auch dieser Revolution ein Ende. Eine der wenigen Konsequenzen war die anschließende Ablösung des Grafen Ernst von Münster als Minister für Hannoversche Angelegenheiten in London verbunden mit gleichzeitigen Ernennung des Herzogs von Cambridge zum Vizekönig in Hannover.
Der Chemiker Friedrich Wöhler trat 1836 die Nachfolge von Friedrich Stromeyer an. Wöhler gilt als Pionier der organischen Chemie wegen seiner Synthese von Harnstoff aus Ammoniumcyanat im Jahre 1828. Diese Harnstoffsynthese eröffnete das Feld der Biochemie, da zum ersten Mal ein Stoff, der bisher nur von lebenden Organismen bekannt war, nämlich Harnstoff, aus „unbelebter“ Materie künstlich erzeugt werden konnte, nämlich aus Ammoniumcyanat. Diese in vitro-Synthese widerlegte die Theorie des Vitalismus, eine transzendente Lebenskraft (vis vitalis) sei zur Erzeugung organischer Stoffe unabdingbar.
1837 schenkte Wilhelm IV. (der letzte König von Großbritannien aus dem Hause Hannover) der Georgia Augusta zum 100. Geburtstag die von 1835-37 erbaute Aula. Diese wurde von dem Baumeister Otto Prael unter dem Einfluss Schinkels nach Vorbild der römischen Basilika errichtet. Der Figurenschmuck an der Fassade stammt von dem Bildhauer Ernst von Bandel. Zum Dank für die Unterstützung errichteten die Göttinger dem König vor der Aula auf dem Wilhelmsplatz ein Standbild, das bis heute das einzige auf deutschem Boden befindliche Denkmal für einen englischen König ist.
In der alten Aula ist noch heute der historische Karzer zu besichtigen.
Im Jahr 1837 erlitt die Universität jedoch einen schweren Rückschlag durch die Entlassung sieben ihrer Professoren (siehe Göttinger Sieben), darunter die Brüder Grimm und der Physiker Wilhelm Weber, da sie gegen die Aufhebung der Hannoverschen Verfassung, dem liberalen Staatsgrundgesetz von 1833 protestierten. Dadurch war die absolutistische Verfassung des Jahres 1819 wieder in Kraft getreten. Da sich die frei gewordenen Lehrstühle nicht qualifiziert besetzen ließen, weil die Kollegen der Verstoßenen in Deutschland Solidarität übten und keinen Ruf annahmen, wurde versucht, die Göttinger Sieben zurück zu rufen. Nur der Physiker Weber und der Orientalist Heinrich Ewald kehrten jedoch an die Georgia-Augusta zurück. Die internationale Wissenschaftsgeschichte setzt diese Göttinger Ereignisse mit denen des Jahres 1934 in einen Kontext (engl:purge).
In jener Zeit war Carl Friedrich Gauß, einer der größten Mathematiker aller Zeiten, Professor an der Universität und auch als Leiter der Sternwarte tätig.
In den Jahren 1842/45 ereilten auch die Göttinger Studentenschaft die Wirren des reformerischen Progress, der beseelt vom Gedanken der allgemeinen Gleichheit und auf Strömungen aus der Julirevolution und des Hambacher Festes nach einer Abschaffung von akademischen Privilegien trachtete.
Letztlich diese Verfassungsfragen seit 1837 waren es, die auch im Revolutionsjahr 1848 auch in Göttingen und an seiner Universität Unruhen auslösten. Diese wurden im Vormärz durch ein Eingehen der Hannoverschen Regierung auf die Forderungen der Zeit geglättet. Zwei der Professoren der Göttinger Sieben nahmen einen erneuten Ruf nach Göttingen an. Den Studenten wurde Redefreiheit zugestanden. Die Revolution verlief also in Göttingen in vergleichsweise ruhigen Bahnen. Im Sommer kam es jedoch am 30. Juli 1848 zur Schlacht in Bovenden, nachdem revolutionäre Kräfte gefolgt von Ausflüglern und sensationslüsternen Sommerfrischlern sich bei einer Volksveranstaltung in Rauschenwasser getroffen hatten. Die örtlichen Bauern hatten bei den gehaltenen Reden die darin enthaltenen radikalen Enteignungsforderungen falsch aufgefasst und so verstanden, dass mit der Enteignung bei ihnen unverzüglich begonnen werden sollte. Sie griffen daraufhin die Versammlung unverzüglich mit allen zur Verfügung stehenden Waffen einschließlich Dreschflegel und Mistforken an. Ein Student erhielt einen Bauchschuss und verstarb am nächsten Tag an den Folgen. Es brach Panik aus und die Bürgerwehr aus Göttingen wurde hinzugerufen, der es mit Warnschüssen gelang, die Ordnung wieder herzustellen.
Die Göttinger Studentenschaft nahm mit Abordnungen am Wartburgfest (1848) und am Studententag des gleichen Jahres in Eisenach teil, auf dem versucht wurde, Forderungen der Studentenschaft an die Frankfurter Nationalversammlung zu formulieren. Mit dem Revolutionsjahr 1848 erlosch auch die Progressbewegung in Göttingen. Dafür trat ab Mitte der 1850er Jahre zunehmend die Bewegung der Wilden an die Stelle des Progress. Ein Schwerpunkt war das Schillerjahr 1859. Die Wildenbewegung umfasste Studenten die sich gegen die Studentenverbindungen organisierten und aus der später die Finkenschaft hervorging. Im Juli 1863 wird aus dieser Wildenschaft heraus ein erster Allgemeiner Ausschuß der Studentenschaft als Vorläufer des heutigen AStA gegründet. Fortan wird diese neue Bewegung zu Lasten des Allgemeinvertretungsanspruches der Studentverbindungen zunehmend an Kraft gewinnen.
Der Anschluss Göttingens an die Eisenbahn 1854/55 erleichterte die Anreise. Gleichzeitig verschärfte der Ausbau des Eisenbahnnetzes die Situation der Universität im Wettbewerb mit anderen Universitäten um Studierende aufgrund des damals schon bestehenden Nord-Süd-Gefälles in Deutschland zugunsten der Süddeutschen Universitäten. Schon damals gingen mehr norddeutsche Studenten nach Süddeutschland als Süddeutsche nach Norden.
Am 18. Oktober 1863 kam es in Göttingen zu der Studentenschlacht auf der Weender. Der 50. Jahrestag der Völkerschlacht bei Leipzig sollte mit einem Umzug begangen werden. Es kam zu einem Streit, über die Reihenfolge des Aufzugs und die Platzierung der Musikkapellen im Zug, der in einer Straßenschlacht endete. Einige Verbindungen wurden daraufhin bis 1864 aufgelöst, existierten aber alle insgesamt geheim weiter.
1866 wurde das neugotische Auditorium am Weender Tor gerade außerhalb der Wallanlagen fertiggestellt, das heute auch die Gemäldesammlung der traditionsreichen Kunstsammlung der Universität Göttingen beherbergt. Mit dieser Baumaßnahme wurde Platz geschaffen für die folgende Erweiterung der Universitätsbibliothek im Bereich der Paulinerkirche. Allerdings wurden die Paulinerkirche und auch die Aula am Wilhelmsplatz weiterhin für Vorlesungen genutzt, und zwar bis zur Eröffnung des Mehrzweckgebäudes in den 1970er Jahren.
Im Deutschen Krieg 1866 kam es im Vorfeld der Schlacht bei Langensalza nach dem Abmarsch aller Hannoverschen Truppen in der Stadt zu Unruhen und Plünderungen durch örtliche Asoziale. Der Magistrat der Stadt bat den Prorektor der Universität um Unterstützung und schlug vor, die Studenten zu bewaffnen. In der örtlichen Kaserne wurden daraufhin drei Studentengruppen zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung bewaffnet. Es kam jedoch zu keinen weiteren Auseinandersetzungen mehr. Zwei Tage später, rechtzeitig vor dem Eintreffen der von Hamburg herannahenden preußischen Truppen, legten die Studenten ihre Waffen nieder.
[Bearbeiten] Die Georgia-Augusta im Deutschen Kaiserreich
Mit dem Wintersemester 1866/67 wurde die Georgia-Augusta eine preußische Universität.
Mit Rudolf von Jhering prägte einer der bedeutendsten deutschen Juristen den Ruf Göttingens in dieser Zeit.
Das Jahr 1881 brachte den Studenten der Universität Göttingen eine einschränkende Veränderung der Polizeistunde und löste so am 15. Mai den Göttinger Bierkrawall aus, der zu 300 Verhaftungen führte und zahlreichen anschließenden Verurteilungen bis hin zu Haftstrafen führte.
1878-82 wurde an der Prinzenstraße der große Erweiterungsbau der Universitätsbibliothek errichtet, der mit den durch die Bibliothek im Netz des preußischen Bibliothekswesens neu hinzu gekommenen Aufgaben, wie der Fernleihe, erforderlich geworden war. Der „Berliner“ Baustil dieses Baukörpers setzte sich in seiner Architektur deutlich von den bisherigen hannoverschen Bauten ab.
1887 fand das 150. Universitätsjubiläum als Universitäts-Jubelfeier statt. Der Kaiser Wilhelm I. hatte seine landesherrliche Stellung als oberster Rektor der Universität auf den Regenten des Herzogtums Braunschweig, Prinz Albrecht von Preußen übertragen, der mit den hochrangigen Vertretern der Provinz Hannover zugegen war.
Durch die aktive und nicht unumstrittene Berufungspolitik des selbstbewussten wie eigensinnigen Ministerialbeamten im preußischen Kultusministerium Friedrich Althoff entsteht um die Jahrhundertwende in Göttingen aufgrund planvoller Hochschulpolitik ein weltweit anerkanntes Cluster für Mathematik, Chemie und Physik, dessen Wirkung bis in die 1920er Jahre nachhaltig andauert und das auch als Göttinger Nobelpreiswunder verklärt wird. Eine der entscheidenden Berufungen Althoffs war der Mathematiker Felix Klein, der dann eng mit Althoff beim Aufbau der Naturwissenschaften in Göttingen zusammen arbeitete. In diese Zeit fallen beispielsweise die Berufungen der Chemiker Nernst und Zsigmondy, heute erinnert das Museum der Göttinger Chemie an diese Zeit.
[Bearbeiten] Die Georgia-Augusta in und zwischen den Weltkriegen
In der euphorischen Stimmung bei Ausbruch des Ersten Weltkrieges beschloss die Universität die Immatrikulation der am Krieg teilnehmenden Studenten aufrecht zu erhalten. Die Studentenzahlen gingen somit nicht in dem Maße zurück, wie die Studenten ins Feld zogen. Tatsächlich waren etwa 3/4 der Studenten der Georgia-Augusta Kriegsteilnehmer und 726 von ihnen ließen so ihr Leben wie auch 22 Mitarbeiter der Universität.
Am 8. November 1918 bildete sich in Göttingen abends ein Arbeiter- und Soldatenrat. Am 9. November wehte auf dem Rathaus eine rote Flagge, die zwei Löcher in Form eines fehlenden Halbmondes und eines Sterns hatte. Die Studentenschaft stellte dem Arbeiter- und Soldatenrat einen beratenden Ausschuss in akademischen Angelegenheiten zur Seite, nachdem sich die Linke in der Studentenschaft gegen die konservative Mehrheit nicht durchsetzen konnte.
In der sich anschließenden unruhigen Zeit der Weimarer Republik forderte die Reichsregierung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung Studentenbataillone als Zeitfreiwillige der Reichswehr von fast allen Universitäten an, die überall im Land zum Einsatz kamen.
Am 22. Juli 1920 wurde in Göttingen der Deutsche Hochschulring (DHR) als verbindungsübergreifende Sammlungsbewegung „national“ und „völkisch“ gesinnter Studenten gegründet. Er errang vor allem in der ersten Hälfte der 1920er Jahre großen Einfluss in den örtlichen Allgemeinen Studentenausschüssen (AStA) sowie in deren Dachverband Deutsche Studentenschaft (DSt). So gewann er etwa bei den Göttinger AStA-Wahlen im Mai 1921 16 von 20 Sitzen. Die mehr nationalliberalen Corps verließen den DHR bereits im Sommersemester 1922. Der DHR war an zahlreichen republikfeindlichen und antisemitischen Aktionen an deutschen Hochschulen während der 1920er Jahre maßgeblich beteiligt und gilt als Wegbereiter der nationalsozialistischen Ideologie in der Studentenschaft. Mit dem Aufkommen des 1926 gegründeten NS-Studentenbunds verlor der DHR an Bedeutung.
Im Jahre 1924 wurde Werner Heisenberg Assistent von Max Born in Göttingen und arbeitete mit Niels Bohr in Kopenhagen. In den folgenden Jahren begründete er mit Max Born und Pascual Jordan in Göttingen die Quantenmechanik.
Im Jahre 1927 promovierte Robert Oppenheimer, der später der Vater der Atombombe genannt werden sollte, in Göttingen „mit Auszeichnung“ bei Max Born zum Thema Quantenphysik. Hier kam es in diesen Jahren zu einem Gedankenaustausch zwischen den bedeutendsten Atomwissenschaftlern der damaligen Zeit (siehe auch: Born-Oppenheimer-Näherung). Oppenheimer ging später in die USA zurück.
Von 1931 bis 1933 arbeitete Edward Teller (Vater der Wasserstoffbombe) als wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Arbeitsgruppe um den Nobelpreisträger James Franck. Beide verließen Göttingen nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten. Teller kam 1935 in die Vereinigten Staaten.
Die durch die Weltwirtschaftskrise bereits angeschlagenen Institute der Universität und der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft erlitten 1933 durch die Entlassung von Wissenschaftlern jüdischer Herkunft oder sog. Judenfreunde nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten einen Kahlschlag. 72 Personen wurde aus rassistischen oder politischen Gründen der Doktortitel aberkannt, darunter auch den Nobelpreisträgern Ludwig Quidde und Max Born. Diese Säuberungsaktion ist als great purge of 1933 weltweit in die Wissenschaftsgeschichte eingegangen.
Ein Jahr später erkundigte sich der Reichserziehungsminister Bernhard Rust anlässlich eines Banketts bei dem neben ihm plazierten Mathematiker David Hilbert, wie die Mathematik in Göttingen denn nun in Göttingen sei, ohne den jüdischen Einfluss. Hilbert soll erwidert haben, „Mathematik in Göttingen?“, die gebe es eigentlich nicht mehr.
1934 kündigen die Göttinger Krawalle die Gleichschaltung der Studentenschaft auch an der Universität an.
Die Gleichschaltung war bis zum 200. Jubiläum der Universität 1937 abgeschlossen. Alle Studierenden waren vom NSDStB in Kameradschaften organisiert. Während des Zweiten Weltkrieges erhöhte sich die Zahl der Studenten von etwa 1700 auf 4884 im letzten Kriegstrimester vor der Kapitulation 1945. Der Anstieg der Studentenzahl im Krieg ist darauf zurückzuführen, das insbesondere die zunehmende Zahl versehrter Kriegsteilnehmer die Gelegenheit zum Studium erhielt, um beispielsweise als Mediziner wieder der Verwendung zugeführt werden zu können.
Einige ehemals in Göttingen tätige Wissenschaftler (Enrico Fermi, Edward Teller) arbeiteten ab 1942 unter der wissenschaftlichen Leitung des Göttinger Dokoranden Robert Oppenheimer in Los Alamos (USA) am Manhattan Project zur Entwicklung der ersten Atombombe mit und leisteten später noch wesentliche Beiträge zum Aufbau des Nuklearwaffenpotenzials der Vereinigten Staaten.
[Bearbeiten] Seit 1945 - Universität in Niedersachsen
Nach dem Krieg erholte sich die Universität langsam wieder. Als einzige deutsche Universität der Westzonen nahm die Georgia-Augusta den Studienbetrieb schon zum Wintersemester 1945/46 unter der Kontrolle der Britischen Militärregierung wieder auf. Bereits im Dezember 1945 wurde der erste AStA gewählt, und im Juli 1946 trafen sich in Göttingen erstmals wieder frei gewählte Studentenvertreter zum 1. Studententag der britischen Besatzungszone. Später entstand aus diesen regelmäßigen Zusammenkünften der Verband Deutscher Studentenschaften (VDS).
Bereits im Jahre 1945 nahm der spätere Bundespräsident Richard von Weizsäcker sein Jurastudium in Göttingen auf, das er hier mit beiden Staatsexamina abschloss.
Die Studentenverbindungen wurden von der britischen Militärregierung nur zögerlich wieder zugelassen. Auch die Leitung der Universität versuchte auf die Wiederaufnahme studentischer Traditionen Einfluss zu nehmen und verbot das studentische Fechten. Eine Klärung brachte ab 1951 der Göttinger Mensurenprozess mit einigen verwaltungsrechtlichen Folgeverfahren, mit denen durchaus mit deutschlandweiter Verbindlichkeit grundsätzlich festgestellt wurde, das solche Restriktionen mit dem Recht der Bundesrepublik nicht zu vereinbaren sind.
Die im Intercorporativen Convent (ICC) zusammengeschlossenen Göttinger Verbindungen stellten bis Ende der 50er Jahre die Mehrheit der Vertreter im Studentenparlament und damit auch den Asta.
1957 appellierten die Göttinger Achtzehn mit der Göttinger Erklärung bei Adenauer gegen die atomare Aufrüstung Deutschlands.
Die Zahl der Studierenden schwankte bis Ende der 50er Jahre zwischen 4.500 und etwas über 6.000. Erst mit Beginn der 60er Jahre setzte die Entwicklung zur Massenuniversität ein, der die Ordinarienuniversität alten Typs nicht mehr gewachsen war (Unter den Talaren - Muff von 1000 Jahren). Durch die Studentenunruhen der Endsechziger entwickelte sich so die Gruppenuniversität als egalitäre Massenuniversität mit zeitweise weit über 30.000 Studenten. Um diesen Ansturm bewältigen zu können, wurde nördlich der Göttinger Innenstadt in den 60er Jahren für die Geisteswissenschaften ein neuer Campus geplant und errichtet. Auf dem Gelände entstanden ein Bau für das Studentenwerk mit Zentralmensa, ein Mehrzweckgebäude (MZG) im Hochhausstil („Blauer Turm“) und das Zentrale Hörsaalgebäude (ZHG) mit dem größten Hörsaal der Universität („011“), der 1.500 Sitzplätze umfasst. In unmittelbarer Nähe wurden Seminargebäude für die Juristische Fakultät (Juridicum), für die Theologische Fakultät (Theologicum) sowie für die Wirtschafts- und Sozialwissenschaften (Oeconomicum) errichtet.
Das Universitätsklinikum wurde etwa zur gleichen Zeit ebenfalls im Norden der Stadt neu gebaut und weitere Institute entstanden im Stadtteil Nikolausberg.
Campus mit Platz der Göttinger Sieben, links Juridicum |
In den politisch bewegten Zeiten nach 1968 studierten auch später sehr einflussreiche Politiker in Göttingen. So absolvierte der spätere niedersächsische Ministerpräsident und spätere deutsche Bundeskanzler Gerhard Schröder von 1966 bis 1971 in Göttingen sein Jurastudium, in dessen Verlauf er auch hochschulpolitisch aktiv war.
Der spätere Bundesumweltminister Jürgen Trittin studierte nach Abitur 1973 und folgendem Zivildienst in Göttingen Sozialwissenschaften. In diesem Zeitraum war er Mitglied des Kommunistischen Bundes und hatte einen Sitz im AStA. Zeitweilig war er Präsident des Studentenparlaments.
Im Jahre 1976 erhielt der spätere Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig in Göttingen seine Habilitation am Institut für Völkerrecht, wo er seit 1970 als Assistent gearbeitet hatte.
Als Massenuniversität erwarb sich die Universität spätestens im Deutschen Herbst 1977 mit dem international Aufsehen erregenden Nachruf des Göttinger Mescalero auf den Bundesanwalt Siegfried Buback den gefestigten Ruf einer Hochburg der autonomen antifaschistischen Linken.
Ursula von der Leyen, geborene Albrecht, die gegenwärtige Bundesfamilienministerin und Tochter des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten, begann 1977 ihr Studium der Volkswirtschaftslehre in Göttingen bis sie nach Münster wechselte.
Der spätere Ministerpräsident von Niedersachsen und gegenwärtige Bundesumweltminister Sigmar Gabriel studierte von 1981 bis 1987 (Erstes Staatsexamen) in Göttingen Deutsch, Politik und Soziologie auf Lehramt.
[Bearbeiten] Museen, Sammlungen und Gärten im Überblick
- Naturwissenschaften
- Alter Botanischer Garten
- Forstbotanischer Garten und Arboretum
- Museum der Göttinger Chemie
- Museum, Sammlungen und Geopark des Zentrums für Geowissenschaften
- Neuer Botanischer Garten
- Pharmakognostisch Warenkundliche Referenzsammlung
- Sammlung historischer Objekte im Institut für Geophysik
- Sammlung historischer physikalischer Geräte des I. Physikalischen Instituts
- Sammlung Mathematischer Modelle und Instrumente
- Sammlung von Algenkulturen (SAG)
- Universitäts-Sternwarte
- Universitätsherbarium
- Zoologisches Museum
- Geisteswissenschaften
- Sammlung des Seminars für Ur- und Frühgeschichte
- Originalsammlung des Archäologischen Instituts und Sammlung der Gipsabgüsse antiker Skulpturen
- Diplomatischer Apparat
- Völkerkundliche Sammlung
- Kunstsammlung der Universität
- Musikinstrumentensammlung
- Münzsammlung
- Humanmedizin
- Sammlung Heinz Kirchhoff: Symbole des Weiblichen
- Blumenbachsche Schädelsammlung
- Sonstiges
- Historischer Karzer in der Aula am Wilhelmsplatz
- Sammlung Deutscher Drucke (18. Jahrhundert)
[Bearbeiten] Berühmte Persönlichkeiten
Die Universität Göttingen hatte in ihrer Geschichte viele berühmte Lehrer und Wissenschaftler, nicht alle können hier erwähnt werden. Diese sowie bekannte Persönlichkeiten sind in einer besonderen Liste zusammengefasst.
[Bearbeiten] Siehe auch
[Bearbeiten] Literatur
- Johann Stephan Pütter, Friedrich Saalfeld, Geoerg Heinrich Oesterley: Johann Stephan Pütters Versuch einer academischen Gelehrten-Geschichte von der Georg-Augustus-Universität zu Göttingen. Vandenhoek, Göttingen 1765, [1]
- Franz Stadtmüller (Hrsg.): Geschichte des Corps Hannovera zu Göttingen 1809-1959. Göttingen 1963.
- Dietrich Hoffman, Kathrin Maack-Rheinländer (Hrsgg.), „Ganz für das Studium angelegt“: Die Museen, Sammlungen und Gärten der Universität Göttingen, Göttingen:Wallenstein 2001 ISBN 3-89244-452-8
[Bearbeiten] Quellen und Anmerkungen
[Bearbeiten] Weblinks
Commons: Georg-August-Universität Göttingen – Bilder, Videos und/oder Audiodateien |
Literatur von und über Georg-August-Universität Göttingen im Katalog der DNB
- Web-Auftritt der Georg-August-Universität Göttingen
- Stationen der Stadtgeschichte (aus dem Webauftritt des Stadtarchivs Göttingen)
- Web-Auftritt des Ehemaligen-Vereins Alumni Göttingen e.V.
- Die Georgia Augusta und die Göttinger Akademie im Spannungsfeld von Politik Wissenschaft, Forschung und Lehre (Vortrag von Prof. Wolfgang Sellert, 20. November 2003, im Niedersächsischen Landtag)
- Lichtenbergs Göttingen
- Virtuelles Antikenmuseum Göttingen des Archäologischen Instituts der Universität
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